Bombe entschärft: fünf explosive Zentner in Düsseldorf-Gerresheim – und ein Baggerfahrer mit ganz viel Glück
Der Tod wiegt 250 Kilogramm. Vorsichtshalber lascht Udo Lokotsch (57) den Metallzylinder fest, damit die Bombe sich bei einer plötzlichen Bremsung im Transportfahrzeug des Kampfmittelräumdienstes nicht selbstständig macht. Lokotsch ist „Munitionsräumfacharbeiter“ von Beruf. Er assistierte Feuerwerker Jost Leisten am Donnerstagabend (21.5.) bei den längsten 30 Minuten von Düsseldorf-Gerresheim. Zwischen 20.06 Uhr und 20.32 Uhr entschärften die beiden an der Gräulinger Straße eine amerikanische Fünf-Zentner-Bombe aus dem zweiten Weltkrieg.
Die Bombe und davor der Zünder, dessen Teil links der Baggerfahrer abgerissen hat
Da hatte einer seinen zweiten Geburtstag längst gefeiert: Der Baggerfahrer, der am Donnerstagmittag auf der Baustelle mit der Schaufel seines Baugeräts die Bombe aus der jahrzehntelangen Ruhe gerissen hatte. Eine Zinke verhakte sich so ungünstig, dass beim Zurückziehen einer der beiden Zünder abgerissen wurde. „Hätte die Bombe in einem etwas anderen Winkel gelegen, wäre sie sofort explodiert“, sagte Feuerwerker Jost Leisten gegenüber report-D. Der Baggerfahrer hat ein Mordsglück gehabt.
839 Menschen mussten Wohnungen und Häuser verlassen – das Ordnungsamt hatte den inneren Zirkel zu räumen
Unmittelbar nach der Meldung vom Bombenfund lief eine eingeübte Prozedur an – schließlich wurden 2014 neun Bomben in Düsseldorf entschärft; diese hier war die erste für 2015. Der Krisenstab von Polizei, Feuerwehr, Ordnungsamt und Hilfsdiensten trat zusammen. Ein Problem: Das Sana-Krankenhaus liegt dicht neben der Fundstelle. Eine Evakuierung wäre extrem aufwändig gewesen. So entschied man sich, die Patienten in den Betten und die Pfleger in ihren Diensträumen zu belassen. Es mussten lediglich Fenster und Türen geschlossen werden.
Am Neußer Tor blieb der Bogen zur Bender Straße offen – damit der Verkehr abfließen konnte
Ähnlich pragmatisch war das Prozedere auch am Neusser Tor. Dort blieb der Bogen in die Benderstraße offen, damit der Feierabendverkehr mühelos abgeleitet werden konnte. Zwei Kreise wurden um den Fundort der Bombe gelegt. Aus dem inneren Radius von 250 Metern mussten alle Menschen ihre Wohnungen und Häuser verlassen. 839 Frauen und Männer gingen mit dem mulmigen Gefühl, ihre Bleibe vielleicht nie wieder zu sehen.
"Phase zehn" – ein Kartenspiel gegen die Nervosität. In der Notunterkunft muss jeder der rund 60 Bürger einen Zettel mit seinem Namen um den Hals tragen. Vorschrift ist Vorschrift
In der Ferdinand-Hey-Grundschule trafen rund 60 Betroffene ein. Unter ihnen saßen acht Nachbarn aus der Gerricus-Siedlung um einen Tisch und versuchten sich die Zeit zu vertreiben – mit Phase zehn – eine Kartenspiel, vergleichbar dem Rommé. „Noch verstehe ich die Regeln nicht wirklich“, sagte einer am Tisch. Egal, Hauptsache es gibt eine Ablenkung.
Das Ordnungsamt kümmerte sich – um die 90-Jährige, die ihren Mann im Auto auf der anderen Seite des Sperrgürtels vermutete und der das alles zuviel war. Um all jene Hartnäckigen, die partout nicht aus ihrer Wohnung wollen. Oder eben durch die Absperrungen nach Hause drängten. Und so weiter und so fort. Routine – für die Helfer. Bis die Meldung um 20.06 Uhr über Funk kam: Die Entschärfung beginnt.
Ruhe im inneren Bannkreis auf der Gräulinger Straße. Die Entschärfung hat begonnen
Neben dem durch die Baggerschaufel abgerissenen Zünder hatte Feuerwerker Jost Leisten einen weiteren am gegenüber liegenden Ende der Bombe entdeckt. Der war gut gepflegt, hatte sogar noch Rest von Maschinenfett am Gewinde. Vorsichtig drehten beide Experten die Metallzylinder aus der Bombe. Um 20.32 Uhr gaben sie Entwarnung – und mussten anschließend den Schaulustigen erklären, wie sie das gemacht haben. Einer fragte: „Die wievielte Bombe war das für Sie?“ Jost Leisten stutzte kurz: „Ich habe schon lange aufgehört, zu zählen“, sagte er. So etwas mache man als Bomben-Entschärfer nur ganz am Anfang seiner Berufslaufbahn.
So eine Bombe macht neugierig: Feuerwerker Jost Leisten erklärt Nachbarskindern, wie er das Höllending entschärft hat