Klick ins Museum: Digitale Sammlung des Düsseldorfer Kunstpalastes
Krank auf dem Sofa? Verregneter Nachmittag? Schlaflose Nacht? Wie wär’s mit tröstlicher Kultur? Wer gerade keine Zeit oder Gelegenheit hat, durch den neu eingerichteten Düsseldorfer Kunstpalast zu bummeln, kann die Sammlung auf der Website jetzt digital entdecken. Oder auch nach einem Besuch gezielt recherchieren. Wieso hat Düsseldorf eine „Mona Lisa“? Weil Moritz Röbbecke sie 1897 für den Prinzen von Preußen kopiert hat. – Rund 1700 Werke sind bisher abrufbar, mehr als doppelt so viele wie in der Ausstellung. Und die Datenbank wird fortlaufend ergänzt. Schließlich besitzt die Stadt insgesamt 130 000 Werke. Dann mal Klick!
Der Pfad ist ganz einfach. Unter www.kunstpalast.de auf DIGITAL gehen und dann weiter auf „Sammlung digital entdecken“. Sortiert sind die Werke klar unter Gattungen: Gemälde, Skulptur und Installation, Zeichnung und Druckgrafik, Glas, Foto, Zeitbasierte Medien, Angewandte Kunst. Dazu ein paar Extra-Perspektiven wie das Thema „Düsseldorf“ oder die Neuerwerbungen. Man kann auch gleich nach einem Lieblingsstück fragen. Sogar ungenau. „Schadows Kinder“ zum Beispiel. Da erscheint als erstes das gesuchte „Bildnis der Kinder des Künstlers“ von 1830.
Romantik und Realität
Mit einem Klick kommt es näher ran. Und man liest, dass Wilhelm von Schadow, seit 1826 Direktor der Düsseldorfer Kunstakademie, hier Tochter Sophie und Sohn Rudolf porträtierte. In zauberhafter Weise, zweifellos. Barfuß, in lässigen Hemdkleidern, hocken die Blondschöpfe auf einer Waldwiese. Rudolf hält ein Kaninchen auf dem Schoß und greift mit der Patschhand nach ein paar Grashalmen. Noch einmal Klick, und das Bild wird beliebig vergrößert, so dass man Details noch genauer sieht als im Museum und die Blütenblätter der Gänseblümchen zählen könnte.
Erzählt wird auch, dass die romantische Landschaft auf dem Bild gar nicht von Schadow selbst gemalt wurde, sondern in seinem Auftrag von den Kollegen Schirmer und Scheuren. Der Star der Düsseldorfer Malerschule konnte es sich offenbar leisten, die Arbeit zu delegieren. Man erfährt ebenfalls, dass das 1959 für die Sammlung erworbene Bild in der Nazi-Zeit möglicherweise zur Sammlung des jüdischen Düsseldorfer Galeristen Max Stern gehörte, der 1937 zur Aufgabe seines Geschäfts gezwungen wurde. Späterer Besitzer des Schadow-Bildes war der Essener Bergbauunternehmer Carl Hold. Da die Umstände nie ganz geklärt werden konnten, beschloss die Stadt, das Werk der Max Stern Foundation zu übereignen und es dann zurück zu kaufen. So wurde das liebreizende Idyll zum Politikum.
Neue Verbindung
Aber das Stichwort „Schadows Kinder“ führt in der digitalen Sammlung noch weiter. Zu seiner nicht ausgestellten Kreidezeichnung auf blauem Papier zum Beispiel, der schwebenden „Muse der Schauspielkunst“. Und es führt zu ganz anderen Kindern, die furchtbares Leid ertragen mussten. Weinende, verletzte, halbnackte Kinder, die am 8. Juni 1972 vor einem amerikanischen Napalm-Angriff fliehen. Ein Abzug des berühmtesten Pressebildes aus dem Vietnamkrieg, verbreitet von Associated Press, gehört zur Foto-Sammlung des Düsseldorfer Kunstpalastes.
Apropos Foto – das ist ein Kapitel für sich, von den Anfängen bis zur Gegenwart. Digital zu entdecken sind viele Lichtbilder zwischen dem Porträt zweier unbekannter Schwestern aus dem Jahr 1850 und einem hypnotischen Selbstporträt der südafrikanischen Künstlerin Zanele Mukoli aus ihrer Serie „Sei gegrüßt, schwarze Löwin“ (2018). Eins folgt aus dem anderen, wenn man online optischen Reizen und offenen Fragen folgt, was übrigens auf dem PC oder Tablet schöner funktioniert als auf dem kleinen Handy-Bildschirm. Video und 3-D-Effekte lassen hier wie da noch zu wünschen übrig.
Gefühlen folgen
Dafür gibt es noch ein paar Besonderheiten. Unter „Most wanted“ erscheinen in sich ständig verändernder Reihenfolge die am häufigsten geklickten Kunstwerke. Witzig: das weiße historische Gewand aus der kunstgewerblichen Abteilung („Robe à la française“, 1750) rangierte am Mittwoch auf Platz Eins, weit vor dem monumentalen Schatz aus Jan Wellems Sammlung, „Venus und Adonis“ von Rubens.
Unter „Team View“ erfährt man, welche Lieblingsstücke einige Mitarbeiter des Hauses haben. „Es macht was mit mir“, verrät da Referentin Elke Dichter über die Skulptur „Schlafendes Mädchen“ von Hans Op de Beeck (2018). Der Künstler hat die Bronze des auf einem Sofa liegenden Kindes grau angemalt, was einen unheimlichen Effekt erzeugt. „Irgendwie still, das Leben scheint angehalten“, meint sicher nicht nur die Referentin, die danach „das pralle bunte Leben umso deutlicher“ sieht. Solche emotionalen Kriterien sind durchaus erwünscht, auch bei den neun „Palast-Pilot*innen“, die keine Kunstexperten sind und zusammen einen Raum im neuen Kunstpalast gestalten durften. Mit unterschiedlichsten Werken, „die ihnen am Herzen liegen“. Auf der Website steht, warum. Ganz nah am Publikum.