Mehr Talente: Auch Kunstverein Düsseldorf präsentiert Stipendiaten
Manche Kuratoren wollen es immer noch nicht wahrhaben: Kunst gehört zum Showgeschäft. Und deshalb sollten Ausstellungen verlockende Titel haben, Neugier wecken, auch Nicht-Eingeweihte interessieren. Das wird in der Düsseldorfer Kunsthalle leider vermieden. Nur sehr entschiedene Freunde neuer Talente kommen überhaupt auf die Idee, die Werke von elf Schmidt-Rottluff-Stipendiaten anzusehen (Ddorf-aktuell berichtet hier). Dazu passend nennt der Kunstverein in der zweiten Etage seine neue Ausstellung allen Ernstes „20 Jahre dHCS-Stipendium“. Die 31 Teilnehmer*innen haben es verdient, dass man trotzdem mal hinschaut. Macht durchaus Spaß.
Es fängt gleich an mit einer Modell-Achterbahn, die der kanadische Medienkünstler Harkeerat Mangat ins Atelier gebaut und gefilmt hat. Eine turbulente Fahrt fürs Auge – dank aufmontierter Kamera. Das Fenster, das man sieht, gehört zum ehemaligen Büdericher Wohnhaus des Bildhauers Ewald Mataré. Seit 2022 werden dort fünf Stipendiaten für zwei Jahre Atelierräume zur Verfügung gestellt – mit Gemeinschaftsküche, großem Esstisch und einem Garten, der einst von Matarés Schüler Beuys mitgestaltet wurde. Zu verdanken ist das dem Stifter Theo Siegert und seiner Kö-Firma de Haen-Carstanjen & Söhne (dHCS), einem traditionsreichen Düsseldorfer Handelshaus, das heute erfolgreich Vermögensmanagement anbietet.
„House of Mataré“
Schon seit 2003 gibt es das dHCS-Stipendium, zunächst wurden dafür Ateliers in Reisholz genutzt. Das „House of Mataré“, gewürdigt mit einem dicken Bildband in Leinen, ist jetzt natürlich die noblere Adresse. Im Kunstverein präsentiert Direktorin Kathrin Bentele jetzt die Stipendiaten der vergangenen zehn Jahre aus beiderlei Domizilen. Sehr verschiedene, hier und dort lebende Künstler*innen, denen eins gemeinsam ist: Sie haben an der Düsseldorfer Akademie studiert. Moritz Fiedler, dessen aus furnierten Tischlerplatten geschnittenen Formen lässig an der Wand lehnen („Routine 8“), und Jungwoon Kim, die sich von Make-Up („Ultra Repair Double 100“) zu einem rosigen Wandobjekt inspirieren ließ, waren zum Beispiel beide mit zeitlichem Abstand in der Klasse des Tiroler Bildhauers Martin Gostner.
Catherina Cramer, die unter anderem bei der Multimedia-Konzeptkünstlerin Dominique Gonzalez-Foerster lernte, arbeitet mit ihrer Kollegin Giulietta Ockenfuß an einem mehrteiligen Videoprojekt mit dem Titel „Unleash the Beast“ (Entfessele das Tier). Wer Zeit hat, kann sich einen 40-minütigen Film über eine kuriose Expedition nach Mexiko auf der Suche nach dem Axolotl, einem Schwanzlurch, ansehen. Die junge Video-Kunst erzählt ja gern mal Geschichten, die auch Fernseh-Material wären. Valerie Buchow und Nina Nick hingegen, die seit 2017 als „Konstitutiv der Möglichkeiten“ im Duett agieren, mögen es abstrakter – aber mit Witz. Inspiriert von Rodins Aktskulptur „Das eherne Zeitalter“ formten sie aus roten Geländer-Rohren eine stilisierte Figur zwischen blauen Jalousien und nennen das „Der Duschende“.
Eltern spielen mit
Hinter einer Stellwand hört man Rufe: „Hey, hey, huh!“ Macht da einer Krawall? Aber nein: Der Sound gehört zu einer von Zeichnungen umgebenen Video-Installation, die Moritz Krauth geschaffen hat. Für allerlei crazy Performances in dem Werk „T’s And My Tears“ konnte er die eigene Familie engagieren. Besonders die Eltern sind mit Begeisterung dabei und mimen unter anderem einen Stierkampf. Wesentlich artiger wirkt eine kleine Steingut-Keramik mit Schlangenpilzen, die Marion Benoit ihre „Sirene“ nennt. Mira Mann hingegen sammelt allerlei geheimnisvolle Hinweise, Fotografien und eine vertrocknete Zikade unter Glas vor zwei raffiniert verhüllten und beleuchteten Garderobenspiegeln. Den genauen Sinn des Arrangements versteht allerdings nur sie selbst.
Subtile Fotokunst zeigt Berit Schneidereit, die noch beim emeritierten Meister Gursky studiert hat. Ihre „shades“ sehen aus wie abstrakte Malerei, sind aber Baumschatten an einem netzbespannten Zaun. Sehr schön … Die gestische Tuschzeichnung von Mena Moskopf daneben bezieht sich auf die Interaktion zwischen Mutter und Kind an einem Schwimmbad: „Poolside“. Darauf wäre man von selbst nicht gekommen, aber das muss auch nicht immer sein. Künstler und Betrachter dürfen durchaus verschiedene Assoziationen haben. Für manchen sehen die abstrakten „Pendel“ auf Nessel von Sophie Isabel Urban wie Kirschzweige aus. Und die aus Aluminium geformten „Floating Agents“ von Katerina Matsagkos scheinen entfernte Verwandte der Verkehrshütchen zu sein.
Macht der Malerei
Fabrian Friese lässt einen Flokati-Teppich von Marianne-Brandt-Lampen beleuchten und legt darauf ein riesiges Holzbesteck. Kuriose Installation. Winzig ist ein Bild von Annabelle Agbo Godeau mit einem gruseligen Auge, das von Fingern aufgerissen wird. Wie die Gallagher-Schülerin erklärt, handelt es sich um eine Szene aus einem der „Blade Runner“-Filme. Selbst, wenn man das nicht weiß, ist klar: Diesem Blick entgeht niemand. Auch Jan-Luka Schmitz, der 2019 bei Andreas Schulze seinen Abschluss machte, setzt auf die Macht der Malerei. Er schuf eine surreale Szene, wo „Der letzte Aufklärer“ in einer Erdhöhle liegt und auf eine flackernde Kerze starrt, die aus seiner Armbanduhr ragt.
Nicholas Grafia träumt ebenfalls mit seinen Figuren, gibt einem jungen Mann spitze Öhrchen auf dem expressiven Bild „Bedlam State of Mind“, was soviel heißt wie irrer Geisteszustand. Simon Mielke hingegen, Schüler von Trisha Donnelly und Gastprofessor Dietmar Lutz, bleibt ganz sachlich, malte ein Fenster über der Heizung und einen Hemdenstapel im Kaufhaus („Montag“). Eine Besonderheit zum Schluss ist ein handgemalter Öl-Animationsfilm von Felix Reinecker, der noch bei Immendorff und Lüpertz studierte und bei Andreas Schulze seinen Abschluss machte. „Ziehende Vögel“ beschreibt einen grauen Tag in Düsseldorf mit fließenden Zeichnungen, die den schattenhaften Protagonisten durch die Straßen treiben – bis zum Fortuna-Büdchen. Heimspiel.
Was, wann und wo?
„20 Jahre dHCS-Stipendium: bis 25. Februar 2024 im Kunstverein im Kunstpalast Düsseldorf, Grabbeplatz 4. Di.-So 11 bis 18 Uhr. www.kunstverein-duesseldorf.de