Klassentreffen: 250 Jahre Kunstakademie Düsseldorf
Das war ein ganz blödes Jahr für ein Jubiläum: Zuerst blockierte Corona die Vorbereitungen, dann gab es ein peinliches Gezanke um die Wahl der neuen Rektorin Donatella Fioretti, die erst im zweiten Anlauf rechtlich anerkannt wurde. 250 Jahre nach ihrer Gründung durch den Kurfürsten Carl Theodor macht die weltberühmte Düsseldorfer Kunstakademie einen zerstreuten Eindruck. Aber das soll jetzt anders werden. Nach einem Festakt in der Aula setzten sich 400 Lehrer*innen, Studierende, Gäste an einen 125 Meter langen Tisch, den der Koch-Künstler Arpad Dobriban im Flur decken ließ. Professorin Fioretti will „die Kommunikation fördern“.
Immerhin ist der italienischen Architektin aus Berlin und Venedig, die ein Dritt-Domizil in Düsseldorf sucht, schon einiges gelungen. Die Akademie, bis weit in avantgardistische Zeiten hinein stets von Männern dominiert, hat nun eine rein weibliche Führungsriege. Fioretti, ihre Prorektorinnen Sabrina Fritsch (Malerei) und Sara Hornäk (Didaktik), Kanzlerin Johanna Boeck-Heuwinkel und deren Vertreterin Jana Weißflog lassen sich von drei assistierenden Frauen unterstützen. Ziemlich konsequent. Prominente Herren und Ex-Professoren wie Ex-Rektor Tony Cragg (Bildhauerei) und Andreas Gursky (Freie Kunst) durften dennoch auf reservierten Plätzen in der Aula Platz nehmen. Und applaudierten recht freundlich.
Freier Schutzraum
In ihrer Rede schlug die 61-jährige Chefin einen versöhnlichen Ton an. Sie sprach vom „Privileg, hier zu arbeiten, hier zu sein“ und bedauerte die „Radikalisierung von Positionen“. In der Akademie will sie vor allem einen zugleich „freien und geschützten Raum“ für die Studierenden schaffen. Nach dem heiter erwähnten „organisatorischen Alptraum“ der Jubiläumsfeierlichkeiten will man sich am Eiskellerberg in Zukunft auf das Wesentliche konzentrieren: „Kunst denken, Kunst machen, Kunst lehren, Kunst lernen“.
Anders als in früheren Zeiten, als es darum ging, einzelne Talente zu erkennen und bekannt zu machen, wird in der Akademie nun sehr viel Gemeinschaftliches geschaffen. In einem „Working Textiles Space“ entstanden zum Beispiel die fetzigen Lampenschirme für die Dinner-Performance im Flur. Die Schüler*innen von Video-Meisterin Danica Dakic gingen auf reale und imaginäre Reise nach „Rom. Rom? Rom!“ und schufen daraus eine Filmcollage, die zum Festakt in einem Vorraum projiziert wurde. „Worum es geht“, erkundete die Klasse von Katharina Wulff mit wandbedeckenden Bildern, die im ehemaligen Bahnhof Eller gemalt wurden.
Poetische Zeitkapseln
Insgesamt 50 Klassenprojekte wurden zum Jubiläum extra gefördert und beim Festakt ordentlich aufgezählt. Robert Fleck (66), Professor für Kunst und Öffentlichkeit, übernahm diese trockene Aufgabe. Er stand dabei an einem skulpturalen Rednerpult – Teil der kreativen Umgestaltung der Aula durch die Klasse von Thomas Scheibitz. Wer suchte, fand im Haus weitere Beispiele wie die Plakate aus der Klasse Peter Piller oder schwarzweiße Schatten-Fotografien („Silhouette.s“), die in performativer Arbeit mit der Wuppertaler Tanz Station entstanden. Ein paar Studenten der Klasse Dominique Gonzalez-Foerster wiesen bei einer treuherzig improvisierten Performance mit Besen und Klavier auf eine Aktion am 18. November in der Langen Foundation hin: „Isla Fantasma“. Von der Klasse Martin Gostner wurde der Rektorin eine Batterie von Zeitkapseln mit geheimen Inhalten übergeben. In weiteren 250 Jahren sollen die silbern glänzenden Dinger erst geöffnet werden. „Sehr poetisch“, meinte die Rektorin und überlegte nur, wo das Gemeinschaftswerk bis dahin aufbewahrt werden soll.
Solche Aktionen, scheint dem Beobachter, zeugen eher von selbstverwirklichender Gruppenarbeit als von einer Akademie, die auch in Zukunft große Künstler der Moderne hervorbringt wie einst Pankok und Mataré, Uecker und Richter, Penck und Paik, Kricke und Klapheck. Nicht zu vergessen: Beuys, der wegen Aufnahme zu vieler Jünger und Missachtung der Zulassungsregeln 1972 fristlos vom damaligen NRW-Kultusminister Johannes Rau (SPD) entlassen wurde.
Kunstvolles Dinner
Ja, es müsse nun mal „ein Minimum an Bürokratismus“ geben. Das bemerkte Ina Brandes (CDU), die amtierende Ministerin, die zunächst die Berufung von Donatella Fioretti wegen eines Formfehlers aufgehoben hatte. Sie versprach aber in einer kleinen Talkshow, „den Geist, der hier herrscht“, in Zukunft nur zu stören, „wenn es unbedingt sein muss“.
Eine recht vage Aussage. Deutlicher wurde Oberbürgermeister Stephan Keller, der versprach, den städtischen Mietvertrag für die Akademie-Galerie am Burgplatz zu verlängern. 2005 vom damaligen Rektor Markus Lüpertz gegründet, soll die elegant geschwungene Saalfolge im ehemaligen Einwohnermeldeamt künftig auch Studierenden zur Verfügung stehen. „Ich könnte mir vorstellen, dass dieser Ort noch lebendiger werden könnte“. Sprach die Rektorin und lud die Gesellschaft zum Kunstdinner. Vegan wie der Zeitgeist – von den Linsen auf Chicoreeblättern bis zum Blutampfer Franzosenkraut.