Düsseldorf Stadtmitte: Ortstermin des Oberlandesgerichts am Streit-Zaun vom Worringer Platz
Es ist heiß. Die Sonne sticht unbarmherzig. Es ist laut. Der Lärm von Lastwagen, Bussen, Straßenbahnen, Autos und Motorrädern macht das gesprochene Wort nahezu unhörbar – selbst auf kurze Distanz. Der vorsitzende Richter Erfried Schüttpelz hat den obersten Hemdknopf geöffnet und die Krawatte ein wenig gelockert. Trotz all der Widernisse versucht der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf an diesem Donnerstag einen Ortstermin. Die juristische Auseinandersetzung um den Zaun vom Worringer Platz geht in die nächste Runde.
Distanz zur Szene
Der Beklagte in diesem Verfahren ist Imbissbetreiber Hasan Akgüvercin (50). Mit Genehmigung der Stadt Düsseldorf hat er vor zwei Jahren die Terrasse neben und hinter seinem Imbisspavillon auf dem Worringer Platz eingezäunt. „Vorher kamen die Menschen und haben teilweise an unsere Fenster gepinkelt, die Gäste belästigt und um Essen gebettelt“, schildert Akgüvercin am Donnerstag. Der Zaun sorgt aus seiner Sicht für Abstand. Aber er werde immer wieder zerstört. Ebenso wie die Glasbausteine der Sitzbänke, die eigentlich von innen beleuchtet sein sollten. Doch viele der Leuchtmittel sind kaputt. „Wir haben 4000 Fotos und Videos, die die tägliche Zerstörung hier zeigen“, sagt Akgüvercin.
So war der Worringer Platz gedacht
Die Klägerin ist Architektin Christiane Voigt (69). Sie gemeinsam mit dem Künstler Jürgen LIT Fischer den Worringer Platz im Jahr 2004 gestaltet. Und sieht durch den Zaun ihr Urheberrecht verletzt. Der Worringer Platz sollte eine Begegnungsstätte werden. Die einst leuchtenden Glassteinbänke seien ein Teil des Konzepts – ebenso wie das Glashaus, der Lichtmast in der Platzmitte und die Punktstrahler, die im grünen Pflasterboden versenkt wurden. „Mein Hauptanliegen ist es, dass dieser Zaun demontiert wird. Denn er zerstört diesen Platz.“
Weniger Freifläche bedeutet mehr Aggression
Das sehen die Helfenden der Obdachloseninitiative Fifty-Fifty genauso. Streetworker berichten in Gesprächen, dass sich die Situation auf dem Worringer Platz verschlimmert habe, seit der Zaun die frei zugängliche Fläche stark verkleinert habe. Anwohner*Innen hingegen stärken Gastronom Akgüvercin den Rücken. Sie berichten von Exkrementen in Hauseingängen und auf den Baumscheiben und von gebrauchten Spritzen, die auf dem Boden liegen.
Kunstwerk oder Gebrauchsgegenstand
Letztere sehen auch die Richter bei ihrem Ortstermin. Ebenso wie ehrenamtlich tätige Saubermacher in blauen Westen. Und ein Transparent von Fifty-Fifty, das den Abbau des Zauns fordert. Richter Erfried Schüttpelz und die beiden beisitzenden Richter*Innen wollen sich inmitten der Kulisse nicht in die Karten gucken lassen. An die Klägerin gerichtet gibt es einen Hinweis auf eine Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die zugunsten des Eigentümers ausfällt. Zudem müsse man entscheiden, ob es sich bei der Platzgestaltung um ein Kunstwerk oder einen Gebrauchsgegenstand handele.
Klägerin in erster Instanz abgewiesen
Erstinstanzlich hatte das Landgericht Düsseldorf das Urheberrecht der Architekten hinter die Interessen von Stadt und Imbissbesitzer gestellt. Ein Punkt für das Landesgericht: Der Worringer sei gegenüber der ursprünglichen Konzeption bereits sehr verändert worden. Nun stellt sich die Abwägung zwischen dem Schutz der Platzkonzeption und den Interessen des Imbissbetreibers erneut. Letzterer bekommt drei Wochen Zeit, um seine Position noch einmal schriftlich zu untermauern – unter Vorlage von Fotos und Videos. Anschließend hat die Klägerin drei Wochen Zeit, um darauf einzugehen und ihre Position darzustellen.
Sobald das geschehen ist, soll es einen neuen Verhandlungstermin geben. Dann in einem klimatisierten, schallgedämpften Gerichtssaal. Wann der Zivilsenat des Oberlandesgericht Düsseldorf zu einem Verkündungstermin für Urteil lädt, ist noch offen.