Düsseldorf Benrath badet ab: Tschüss, altes Hallenbad!
Das Spruchband spricht Bände: „Ein Bad voller Tränen“ haben die jungen Schwimmerinnen und Schwimmer des Vfl Benrath auf ihr Transparent gepinselt und es hoch über den Köpfen an der Zuschauertribüne festgebunden. „Hier kannte ich jede Ritze und jeden vom Badpersonal“, sagte Katharina Mai (20). Hier hat die Schwimmtrainerin selbst das Schwimmen gelernt. Und schluckte gegen einen Kloß im Hals an. Nach 64 Jahren in Betrieb schloss am Sonntag das Hallenbad Düsseldorf Benrath. Für immer. Es wird abgerissen.
Nasses Finale – letzter Tag im Benrather Hallenbad. Der Bademeister hat seine Bahnen im Blick.
Jemand hat ein Grablicht von außen auf die Fensterbank gestellt. Rund 400 Stammgäste verabschiedeten sich bei freiem Eintritt von ihrem Bad. Die Frühschwimmer, die Köpper-Künstler vom Ein- und Drei-Meter-Brett, die Bademuttis, Kreischkinder, Kampf-Rentner und Teenager – seit diesem Sonntag im Februar liegen sie alle in Düsseldorf Benrath auf dem Trockenen. Das Freibad schloss bereits im September für mindestens zwei Jahre. Das Hallenbad hatte ein halbes Jahr Verlängerung – aber nun ist Schluss. Unwiderruflich. Abgebadet.
Zum Abschied macht man ein Abschiedsfoto.
Betriebsleiter Thomas Beckmann gibt den Wellenbrecher gegen die Woge aus Emotionen. Ein neues Hallen/Freibad soll auf dem Gelände nebenan entstehen – mit einer Ausrichtung als Gesundheits- und Familienbad. Geschätzte Kosten: 22,7 Millionen Euro. Ende 2021 oder Anfang 2022 soll es eingeweiht werden. Einen Teil der Kosten fängt die Stadt durch den Verkauf des heutigen Hallenbadgrundstücks: Es grenzt direkt ans hochpreisige und bei solventen Immobilienkunden sehr beliebte Benrather Musikantenviertel.
Zeit zu gehen
So geht die Bäder-Planer-Perspektive. Beckmann deutet zur Schwimmbadhallendecke, unter der ein Netz gespannt ist, um Badegäste gegen herabfallen Teile zu schützen: „Beim Sturm Ela am Pfingstmontag 2014 ist uns das Dach weggeflogen und lediglich provisorisch wieder befestigt worden.“ Schnee bleibe dort oben jedenfalls mehr nicht liegen: „Wir verlieren übers Dach viel zu viel Wärme.“ Das 25-Meter-Schwimmerbecken hat sich angehoben – und verfügt über eine Doppelfuge. Die Badtechnik hat ihre ganz eigenen Mucken. Zeit zu gehen, findet Beckmann, der den Neubau begleiten wird. Die 16 Mitarbeiter des Badpersonals werden auf die übrigen Bäder verteilt, versichert Beckmann.
Hielten den Betrieb bis zuletzt über Wasser: ein Teil des 16-köpfigen Mitarbeiterteams, hinten rechts in Blau: Betriebsleiter Thomas Beckmann.
Aber da sind auch noch die, die seit Juli 1955 das Hallenbad an der Regerstraße genutzt haben. Ein Zuhause mit eigenem Bad war nicht selbstverständlich. Deshalb gab es eine Sektion mit Badewannen und Duschen für ein paar Groschen extra – natürlich streng getrennt nach Damen und Herren. 1993 hatte die Stadt Düsseldorf zu knapsen und wollte das Hallenbad Benrath einfach schließen. Da donnerte ein Tsunami aus dem Düsseldorfer Süden in Richtung Rathaus. Am 8. November verkündete Bürgermeister Josef Kürten: „Das Bad bleibt.“ 2009 wurde es noch einmal für knapp zwei Millionen Euro saniert.
Jürgen Dziomba aus Monheim ist der Kachelmann – er meißelt sich sein Stück vom Benrather Hallenbad.
Jahrelang hat Jürgen Dziomba aus Monheim hier anderen das Tauchen beigebracht. Jetzt hockt er in einer Ecke und traktiert die hellblauen Kacheln mit Hammer und Meißel. Ein Stück vom Bad will er für sich retten. Das war gar nicht so einfach, die Kacheln in einem Stück von der Wand zu schlagen. Wie zahlreiche Sourvenierjäger erfuhren.
Sportler umverteilt
Die Sportschwimmer und Sporttaucher sind in einer riesigen Wellenbewegung über die Stadt umverteilt worden. Die Taucher werden künftig in einem Lehrschwimmbecken in der Gesamtschule am Kikweg über. Die derzeit 350 Mitglieder starke Schwimmabteilung des Vfl Benrath muss in das Bad nach Niederheid ausweichen. „Wir befürchte, dass wir dadurch Mitglieder verlieren werden“, sagt der Leiter der Schwimmabteilung Frank Henschke nüchtern.
Denn an den neuen Standorten ist weniger Platz. Die Schwimmzeiten verändern sich. Für Ganztagsschulkinder mit weiteren Hobbies neben dem Schwimmen – kommt die ganze Wochenplanung ins Rutschen – weiß Schwimmtrainer Erik Henschke (17) – der Sohn des Schwimm-Abteilungsleiters.
Relief am Eingang: ein Seepferdchen.
Dann klacken die Zeiger der großen Uhr an der Wand unerbittlich auf 15 Uhr zu. Früher schaute man bang dorthin, um die Badezeit nicht zu überschreiten und nachzahlen zu müssen. Heute signalisieren die Zeiger, dass nach 64 Jahren die Zeit für das komplette Bad abgelaufen ist.