Gut gemacht! Sommerrundgang an der Akademie Düsseldorf
Die Liebe zur jungen Kunst kann ziemlich anstrengend sein. Beim Rundgang der Düsseldorfer Akademie zum Ende des Wintersemesters gibt’s traditionell viel Gedränge, Gedöns und Durcheinander. Mit mehr Ruhe und Konzentration lässt sich der Sommerrundgang genießen. Nur 53 Absolvent*innen des Jahres zeigen derzeit in den altehrwürdigen Klassenräumen ihre Abschlusspräsentationen. Nach den Prüfungen, die Anfang der Woche überstanden wurden, ist die Erleichterung spürbar und das Publikum willkommen.
Langsam hat es man es kapiert. Der große Geist der Avantgarde ist aus der Düsseldorfer Akademie verschwunden wie die berühmten alten Männer, die ihn als Professoren beschworen haben. Künstlerische Wagnisse, süffige Skandale, gesellschaftsprägende Aktionen? Vorbei. Die Akademie, sonderbarerweise von Architekten geleitet (nach dem Rücktritt von Karl-Heinz Petzinka wurde Donatella Fiorelli im Rektorenamt bestätigt), ist jetzt ein Schutzraum für ganz verschiedene Stilrichtungen, die sich unter international aufgestellten Lehrkräften still bis keck entfalten.
Verbindung schaffen
Immerhin scheint die große Depression der pandemischen Rückzugszeit allmählich überwunden zu sein. Sofia Magdits, eine Performerin, Musikerin und Allround-Künstlerin aus der Klasse Schulze, feiert das Leben am Strand ihres Heimatlandes Peru. Im rotgoldenen Licht lädt sie das Publikum zum Chillen ein im Namen des Küstenorts „Puerto Fiel“. Heitere Musik läuft, an einem Büdchen werden Nüsse und Getränke verkauft, als „Ode an das Meer“ hängt im Raum ein Bildteppich in Blau. Und wer sich traut, webt und knüpft an einem Gemeinschaftswerk, denn es geht Sofia „um menschliche Beziehungen“.
Damit kennt sich auch Polly Bücek aus, die im Kunstpalast mit Kindern und Jugendlichen arbeitet und ganz allgemein in der Kultur „die Barriere senken möchte“. Das prägt ihre Abschlusspräsentation, in der sie eigene malerische Textilobjekte mit einem Mitmachprojekt verbindet. Jeder ist eingeladen, aus bunten Bauklötzen übermütige Türme zu bauen und „Räume erwachsen“ zu lassen. An einem langen Tisch darf man nach Herzenslust zeichnen oder mit einfachen Stempelmitteln eine Grafik herstellen. Pädagogik? Mag sein. Aber das ist eine wichtige Kunst, findet nicht nur Pollys Professor John Morgan.
Einsamkeit im Raum
Nebenan zeigt der Kölner Michel Büchsenmann aus der Fotografieklasse des amerikanischen Konzeptkünstlers Christopher Williams eine weniger kommunikative Arbeit. Er schafft am Computer Raumbilder, deren malerische Anmutung eine digitale Illusion ist, und legt sie verglast auf den Boden. Was man darauf sieht, Lichter, das Fenster, spiegelt sich zugleich in den Rahmenscheiben. Ein recht einsames Motiv. Auch Sebastian Ax arbeitet allein am Computer, nachdem ihn der plötzliche Tod seines Malereiprofessors Eberhard Havekost 2019 in eine Krise stürzte. Bei Vertretungsprofessorin Maximiliane Baumgarten konnte er jetzt eine völlig neue Kunst entwickeln: Figuren, Masken, Schmuck aus dem 3-D-Drucker. Die Vorlagen sind gezeichnet. Eine aufgespießte Skulptur mit feinen Gitterstrukturen wirkt wie ein vertrocknetes Insektenwesen. Kleine Stücke, die auf Spiegeln liegen, erinnern an Kronen, Masken oder Geschmeide im Fantasy-Universum. Und tatsächlich erweist sich Sebastian als Fan von Cosplay und anderen Verwandlungsspielen und bietet seine Werke sowohl digital als auch real zur Benutzung an.
Nur auf den ersten Blick verspielt wirken die Bilder der Koreanerin Minju Kang aus der Malklasse Scheibitz. Aus der farbenfrohen Darstellung eines Vergnügungsparks in Seoul ist das menschliche Leben verschwunden. Ein paar Alpakas irren umher, ein Stück Pizza liegt neben einem Flamingo-Schwimmring. Irgendwie gruselig, wie die roten Flecken vor zwei Zelten in der Wüste. „Ist kein Blut, nur Wein“, sagt die Künstlerin, aber verbreitet doch ein gewisses Unbehagen. Das muss Kunst auch können.
Gefühle und Gestalten
Haein Choi, Düsseldorfer Koreanerin aus der Klasse Schulze, hat ein reifes, kühles Werk entwickelt. In Fenstergittern, Palmen oder Tischen erkannte sie abstrakte Strukturen, auf die sie sich in der Präsentation konzentriert, wobei der Titel „Hug and Whisper“ (Umarmen und Flüstern) für gefühlvolle Assoziationen sorgt. Raumbeherrschend sind zwei mannshohe, gegenstandslose Kreisbilder, blau und schwarz, die dann doch ein Blick in den Himmel sind: „Day“ und „Night“.
Nadja Lana, die als Künstlerin auf ihren Nachnamen Winkelmann verzichtet, schöpfte hingegen in der Klasse von Ellen Gronemeyer aus dem Vollen. Sie malt Szenen, in denen verschlungene Menschenkörper mit Tierköpfen erscheinen – wie Wesen aus der antiken Mythologie. Da sind Pferde, Schafe, Wölfe in einer aufgewühlten Umgebung. Wie in einem Strudel. Sehr sinnlich.
Stille Installationen
Das kann man von den introvertierten Installationen des Piller-Schülers Simon Wienk-Borgert nicht sagen. Er präsentiert zwei Stahltischgestelle, auf der eine namenlose „untitled Constellation“ aus blassen Zeichnungen und unkenntlichen Objekten angeordnet ist. Auch formt er aus Pappe, Schrauben und Draht skelettartige Wandobjekte, die er „untitled Figures“ nennt und hat in der Pandemie 2021 einen Opel-Katalog und andere Bücher mit Möbelpolitur in Cellophan gewickelt. Wie ein Denkmal der Isolation. Nun, es waren schwere Zeiten …
Auch Wienk-Borgerts Kommilitonin Johanna Terhechte schafft nichts leicht Zugängliches. Ein äußerst subtiles Video entstand in einem Aufzug und zeigt Ecken und Ränder. An der Wand hängen Leuchtkästen mit nebulös bearbeiteten Scheiben und geheimnisvoller Ausstrahlung. Kraftvoller arbeitet die Bildhauerin Mona Schulzek aus der Klasse des Raumkünstlers Gregor Schneider. Sie baute ein raumfüllendes, begehbares Stahlgerüst, auf dem man durch die harten Gitter die Vibrationen eines tiefen Tons spürt – an der Grenze des Hörbaren bei 16 Hertz. „Spitting of the Edge of the World“ (vom Rand der Welt spucken) nennt die Künstlerin ihr Werk nach einem Synth-Pop-Hit. Kunst mit Kanten.
Was, wann und wo?
Der „Sommerrundgang“ mit Abschlusspräsentationen von Absolventen der Kunstakademie Düsseldorf ist bis zum Sonntag, 9. Juli, für das Publikum geöffnet. Eiskellerstr. 1. Täglich 10 bis 20 Uhr. Eintritt frei.