Düsseldorfs FDP: Respekt für die Vorsitzende, Schelte für den OB und ein untauglicher Vorschlag | mit KOMMENTAR
Im Erfolg lächelt Marie-Agnes Strack-Zimmermann – über die Blumen hinweg: 84,5 Prozent der Delegierten auf dem Düsseldorfer FDP-Kreisparteitag hoben sie am Samstag (20.2.) erneut an die Spitze. Verglichen mit den 69 Prozent von vor zwei Jahren – eine klare Aussage. Die Düsseldorfer Liberalen wollen sich ihr Comeback bei den NRW-Landtags- und den Bundestagswahlen 2017 nicht durch einen kleinlichen Streit an der Spitze selbst erschweren.
Der FDP Kreisverband tagt in der Handwerkskammer Düsseldorf
Und so bringt die alte und neue Vorsitzende unangefochten, diskussionslos, ihre beiden Vorschläge für die Stellvertreter durch: Michael Dimitrov (78,7 %) und Moritz Kracht (86,6 %) wurden gewählt. Dimitrov erneut, Kracht erstmals – als Nachfolger des ausgeschiedenen Dr. Robert Orth. Ohne Haken und Ösen geht es hinunter bis zur vierten Beisitzerin – wo erstmals zwei Kandidatinnen aufeinander treffen. Die scheidende Vorsitzende der Jungen Liberalen, Stefanie Aschenbrenner, unterliegt gegen Ann-Cathrin Freise, Büroleiterin des Vize-Fraktionschefs im NRW-Landtag, Dr. Joachim Stamp.
Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner: Mit Demut zurück auf die große politische Bühne
Zum Auftakt hatte Christian Lindner die 140 wackeren Liberalen auf die FDP-Linie eingeschworen. Wenn er von „Demut“ spricht, klingt das seltsam. Denn gleichzeitig vibriert der FDP-Chef förmlich vor dem zwei Jahre lang vorbereiteten Sprung zurück auf die große politische Bühne. Drei Landtagswahlen bestimmen den politischen März. In Baden-Württemberg und Rheinlandpfalz sehen die Meinungsumfragen die FDP klar zurück in den Landtagen; in Sachsen-Anhalt nähert sie sich aus dem Off der Fünf-Prozent-Hürde.
Liberale und die Bürgerrechte
„Demut“ ist deshalb Lindners Stichwort, weil er genau weiß, dass es nur eine kalte Nacht braucht und die liberalen Maiglöckchen erfrieren. Routiniert rüttelt er an den Konservativen, weil deren jahrelange Weigerung, über ein Einwanderungsgesetz auch nur zu reden, einen Teil der aktuellen Flüchtlingsproblematik geschaffen hat. SPD und Grüne werden von ihm in die Kontrollecke gestellt: Frankreich hatte längst die Vorratsdatenspeicherung und bekam dennoch den Terror. In Deutschland wurde die Generalüberwachung der gesamten Bevölkerung dennoch durch die Große Koalition eingeführt. Ohne liberales Korrektiv kappen die CDU und SPD die Bürgerrechte und schaffen auch noch die 500-Euro-Note ab – in der die Liberalen den Schein der persönlichen Freiheit sehen.
Die Chefin brachte ihre Stellvertreter durch: Moritz Kracht (links) und Michael Dimitrov
In das so vorgewärmte Horn tutet die Düsseldorfer FDP-Ratsfraktion, die in der Ampel mit SPD und Grünen die Schuldenfreiheit zu ihrem Thema und Oberbürgermeister Thomas Geisel zu ihrer Reibfläche gemacht hat. „Neue Schulen statt neue Schulden“ schrieben sie dem OB ins Pflichtenheft. Mehrfach, in Rot, mit Ausrufezeichen.
Alle Beteiligungen der Stadt durchforsten
Der Vorschlag zur Gegenfinanzierung, neben einem Sparprogramm: Die Liberalen wollen sämtliche städtischen Beteiligungen durchforsten. Manche wie das Lokalradio, die RWE-Anteile und die aquabench-Papiere (eine Hamburger Firma, die im Bereich Wasser-/Abwasser berät) sollen ganz veräußert, die städtischen Anteile an Flughafen, Messe, den Sana Kliniken und der Städtischen Wohnungsgesellschaft sollen auf das strategisch notwendige Minimum reduziert werden. Mit dem Erlös wollen die Liberalen eine Zukunftsstiftung Düsseldorf gründen, aus deren jährlichen Zinsen Schulen gebaut und Bildungsprojekte finanziert werden sollen.
KOMMENTAR
Untauglich
Die Liberalen sehen sich als Hüter der wirtschaftlichen Schuldenfreiheit Düsseldorfs. Erreichen wollen sie dies unter anderem durch den weiteren Verkauf von Tafelsilber – den städtischen Beteiligungen. Der Erlös soll in eine Zukunftsstiftung fließen. Vorbild ist die Frankfurter „Polytechnische Gesellschaft“, in der Mainhatten 411 Millionen Euro Verkaufserlös aus der Frankfurter Sparkasse eingezahlt hat. Rund 5,5 Millionen Euro gibt es Jahr für Jahr für städtische Projekte.
Mit dem Vorschlag, es Frankfurt nachzumachen, kommt die FDP zur absolut falschen Zeit. Seit Ende 2014 hält die Europäische Zentralbank den Leitzins auf dem Rekordtief von 0,05 Prozent. Derzeit müssen Banken für Einlagen bei Zentralbanken sogar Geld bezahlen: negative Zinsen. Dadurch wird nicht nur die Altersvorsorge von jedem Einzelnen ruiniert, jeden Tag ein bisschen mehr – auch Stiftungen funktionieren nicht mehr, wenn ihnen die Zinserlöse wegbrechen.
Nach einer aktuellen Umfrage der Wirtschaftsprüfer von Pricewaterhouse Coopers, PWC, unter den 208 reichsten deutschen Stiftungen gaben 82 Prozent der Stiftungen an, dass sie ihre Förderungen – zum Teil drastisch – einschränken müssen. Den von der FDP angestrebten Erhalt des ursprünglichen Kapitals schaffen gerade mal 61 Prozent – Tendenz fallend.
Ausgerechnet die von den Liberalen als leuchtendes Vorbild angeführte „Polytechnische Gesellschaft“ Frankfurt – 2005 gegründet, als es noch Zinsen gab – musste im vergangenen Jahr ihre Anlagestrategie ändern. Sie erhöhte den Anteil von Aktien und Immobilien, von Risiko und Betonspekulation, bemerkenswert für eine städtische Stiftung. Der FDP-Vorschlag einer Zukunftsstiftung taugt im aktuellen Zinstief: gar nichts. Dirk Neubauer