Düsseldorf: Umstrittene Podiumsdiskussion zum Thema „Familienwerte in Europa“
Vor der St. Josefs Kirche in Düsseldorf Rath versammelte sich am Dienstagabend (30.5.) eine Gruppe von mehr als 50 Demonstrierenden. Ihr Protest richtete sich gegen eine Veranstaltung im Josefssaal der Gemeinde, gleich hinter der Kirche. Dort hatte die “Stiftung für Familienwerte” und das “Deutsch-Ungarische Institut für Europäische Zusammenarbeit” zu einer Podiumsdiskussion zum Thema „Familienwerte in Europa“ eingeladen.
Im Saal trug die gebürtige Kolumbianerin Andrea Heck von ihr ausgewählte Statistiken zur Geburtenrate in Italien vor, Zsófia Nagy-Vargha berichtete über die “Errungenschaften der ungarischen Familienpolitik”, Cornelia Kaminski erläuterte das “Umdenken in Frankreich” und Karl-Heinz B. van Lier kritisierte die aus seiner Sicht verfehlte deutsche Familienpolitik.
Die Kritik der Demonstrierenden richtete sich vor allem gegen die stellvertretende ungarische Staatssekretärin für Jugend im Ministerium für Kultur und Innovation, Zsófia Nagy-Vargha, und die Wertevorstellungen ihres Landes. Denn in Ungarn wird eine Familie bestehend aus Vater, Mutter und möglichst vielen Kindern idealisiert. Im Juli 2021 trat ein Gesetz in Kraft, das Publikationen verbietet, die Kindern zugänglich sind und nicht-heterosexuelle Beziehungen darstellen. Auch Werbung, in der Homosexuelle oder Transsexuelle als normal dargestellt werden, ist verboten. Die Europäische Union sieht darin die Diskriminierung von Menschen auf Grundlage ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität und damit einen Verstoß gegen Grundrechte und EU-Werte.
Störer*innen nicht erwünscht
Unter den Demonstrierenden war auch Zanda Martens (MdB der SPD), Vertreter*innen der SPD, der Grünen, der Linken und Mitglieder der LSBT*Q-Community. Acht der Aktivist*innen hatten sich als Gäste für die Veranstaltung angemeldet. Nacheinander ergriffen sie im Saal das Wort und übten Kritik an Ungarn. Dies wurde von den Veranstaltern unterbunden. Allerdings wurden sie nicht bloß verbal gebeten, den Saal zu verlassen. Sie wurden vielmehr von zwei Herren robust angepackt und vor die Tür gesetzt. Der Protest wurde vom Podium mit den Worten „in Ungarn gibt es so etwas nicht, solche Störer“ kommentiert.
Italien
Aber bevor es zum Vortrag über die ungarische Familienpolitik kam, trug Andrea Heck vor, dass Italien mit einer Geburtenrate von 1,24 Kindern im Jahr 2020 europäisches Schlusslicht sei. Ein Grund dafür sei die fehlende Unterstützung durch den Staat, was die Regierungschefin Giorgia Meloni jetzt aber ändern will. Die Abtreibungsrate in Italien sei 2022 auf 89.350 gesunken, besagen die Statistiken. Das dürfte allerdings an den Hürden liegen, die Schwangeren auferlegt werden, bevor sie einen Abbruch vornehmen lassen können.
Ungarn
Leider akustisch im Saal sehr schwer zu verstehen und auch durch die reduzierte Größe der Präsentation über Beamer kaum nachvollziehbar, war der Vortrag von Zsófia Nagy-Vargha. Allerdings gab es für die Gäste im Saal eine Handreichung, in der die Pfeiler der ungarischen Familienpolitik auf sechs Seiten erläutert wurden. Beschrieben wird darin, dass die Zahl der Eheschließungen von 35.520 im Jahr 2010 auf 67.095 im Jahr 2020 gestiegen ist. Zeitgleich sanken die Scheidungen von knapp 24.00 auf weniger als 15.000. Die Geburtenrate in Ungarn liegt bei 1,56 im Jahr 2020, im Vergleich dazu in Deutschland bei 1,53.
Die Staatsausgaben für Familien betrugen laut Bericht im Jahr 2021 über sechs Milliarden Euro. Da es große Vergünstigungen für verheiratete Paare mit mehren Kindern gibt, versucht die Regierung hier finanzielle Anreize zu schaffen. Die Summe der sechs Millionen Euro relativiert sich allerdings, wenn man bedenkt, dass die rechtskonservative Orbán-Regierung nach Recherchen des ARD-Magazins Kontraste allein die Stiftung Mathias Corvinus Collegium (MCC) im Jahr 2020 mit knapp 1,4 Milliarden Euro unterstützt haben soll. Das MCC wird von Kontraste als „rechte Kaderschmiede“ kritisiert. Die Summe übersteige das Jahresbudget aller anderen ungarischen Hochschulen zusammen. Das MCC ist Gründer des Deutsch-Ungarischen Instituts, einer der beiden Einlader der Veranstaltung.
Frankreich
Cornelia Kaminski vermittelte einen Eindruck über die französische Familienpolitik. Von der historischen Gewohnheit abgeleitet, Kinder durch Ammen in den ersten beiden Lebensjahren zu versorgen, sei es auch heute noch ganz normal, dass Kinder bereits im Alter von zehn Wochen tagsüber in einer Krippe betreut würden. Spätestens alle Zweijährigen würden dann in Einrichtungen versorgt. Das mache es den Familien einfach, mehrere Kinder zu bekommen. Allerdings betonte sie, dass in Frankreich erst im Jahr 2019 gesetzlich verankert wurde, dass Kinder nicht geschlagen werden dürfen – vorher war dies Erzieher*innen und Lehrer*innen erlaubt. Kaminski sieht aber auch die Nachteile dieses Systems, denn oft fehle die Kind-Eltern-Beziehung und schon junge Menschen litten an Depressionen und müssten in psychiatrische Behandlung. Mit einer Geburtenrate von 1,83 liege Frankreich zwar weit vorne, aber ein Umdenken sei derzeit im Gange.
Deutschland
Karl-Heinz B. van Lier trat als Präsident der „Stiftung für Familienwerte“ als letzter ans Rednerpult, bevor die Diskussionsrunde eröffnet wurde. Er kritisierte die Familienpolitik der Regierung. Dem demografische Wandel und dem Fachkräftemangel könne nur mit einer steigenden Geburtenrate entgegengewirkt werden. Die Familienpolitik müsse an diesen Erfordernissen ausgerichtet werden, forderte er. Dabei berief er sich auf Artikel 6 des Grundgesetzes: (1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht.
Meinungen und Diskussion
Die Geschäftsführerin der “Stiftung für Familienwerte”, Sylvia Pantel, sprach sich für bessere Rahmenbedingungen für Familien aus. Dazu gehöre auch Wohnraum, der groß genug sei, so dass vielleicht auch noch Oma und Opa mit aufgenommen werden könnten. Rund 60 Prozent der Kinder lebten in Familien mit Vater und Mutter, daher ist es für Pantel unverständlich, warum im Fernsehen nur zerrüttete Familien gezeigt würden. Schließlich bekannte sie, mit einem neidischen Blick Richtung Ungarn zu schauen, wo so viel für die Familien getan werde.
In der Diskussionsrunde mit Podium und Gästen wurde abschließend über die menschenverachtende Ideologie der „letzten Generation“ gelästert – dafür gab es allgemeinen Beifall. Und auch für die Aktivisten, die im Saal versucht hatten zu protestieren gab es noch einen Kommentar: „Die machen sich doch lächerlich, da sie ihre Statements vom Blatt ablesen mussten“. Die Anwesenden schienen einig, dass es den Minderheiten gelinge, mit ihren absurden Forderungen und Interessen Aufmerksamkeit zu erlangen, während das „Normale“ kaum Chance habe, wahrgenommen zu werden. „Minderheiten werden orchestriert, um Entwicklungen herbeizuführen“, hieß es und das in Medien zu wenig Resonanz auf „normales“ Ansinnen hervorgerufen werde. Als Schlussstatement betonte van Lier: „Wir ergötzen uns an Vielfalt, doch Vielfalt führt zu Einfalt“.