Windige Sache: Figaros Hochzeit vor dem Schauspielhaus Düsseldorf
Das Theater hatte seine Fans vorsichtshalber per Mail gewarnt: „Vor dem Schauspielhaus kann es schon einmal etwas windiger sein.“ In der Tat. Überhaupt war es mal wieder ein lausig kalter Abend bei der Premiere von „Figaros Hochzeit“ draußen auf dem Düsseldorfer Gründgens-Platz. Und die Aufführung von Beaumarchais’ Komödie mit dem Untertitel „Der tolle Tag“ dauert mit Pause fast drei Stunden. Aber es gibt ja Decken und Sitzkissen gegen das harte Tribünengefühl. Man bleibt schön frisch an der Luft. Und die Inszenierung von Andreas Kriegenburg ist eine hyperaktive Show an der Grenze zum Klamauk. Gefällt sicher vielen.
Wohlbemerkt: Wir sind hier nicht bei Mozart, der aus dem Stoff eine unsterbliche Oper gemacht hat. Das ursprüngliche Stück, 1784 subversiv ins vorrevolutionäre Frankreich gesetzt, hat heute seine Brisanz verloren. Was bleibt, sind Langatmigkeit und leider auch der Blödsinn des Plots. Niemand diskutiert heute mehr das „ius primae noctis“, das Recht der ersten Nacht, das der Graf für sich bei der Braut seines Kammerdieners Figaro einfordern möchte. Niemand glaubt mehr an Verwechslungen aufgrund vertauschter Kleider. Kriegenburg hat deshalb eine eigene, eine moderne Version erdichtet. Amouren und Machtmissbrauch in der Wirtschaft, Intrigen per WhatsApp. Aber nix Ernstes …
In der Seifenoper
„Ich bin gefangen in einer Seifenoper“, seufzt sein Figaro, den der sympathische Charmeur Florian Claudius Steffens spielt. Und er ist auch kein Kammerdiener, sondern Programmierer im Tech-Konzern „Tomorrow“, für den er eine Dating-App entwickelt hat. Auch die Braut Susanne (elegant im azurblauen Business-Anzug: Pauline Kästner) macht dort Karriere und bewährt sich als Moderatorin des Abends. Der Graf (Florian Lange) ist der übergriffige Chef namens Ludwig von Gestern (haha), die Gräfin wird von Cathleen Baumann als überdrehte Society-Lady dargestellt. Zum muskulösen Praktikanten mutiert der Page Cherubin (Valentin Stückl), die süße Franchette kommt als freches IT-Girl (Sophie Stockinger). Um alles plausibel zu machen, wird der Beaumarchais ziemlich verbogen und zum Teil penetrant mit heutigem Jargon und „Scheiße“-Rufen aufgemischt.
Das passiert nicht auf begrenzter Bühne, im Schutzraum der Schauspielkunst. Ein großer, windiger, an den Seiten offener Platz muss erst mal mit Leben gefüllt werden. Hier soll, liest man im Faltblatt, der Feng-Shui-Firmengarten sein, wo sich das Team erholt, weil drinnen, wie mehrfach erklärt, die Klimaanlage ausgefallen ist. Wirkt eher wie ein sehr piefiger Park. Mit Blumenkästen, Weiher, Stegen, Bänken, Bauzaun vor der Skater-Ecke und einem Dixi-Klo (Bühnenbild: Harald Thor). Der Platzbrunnen spritzt, das Ensemble holt sich tapfer nasse Füße. Elf Statisten füllen die Leere im Hintergrund, bummeln umher oder machen als Yoga-Gruppe den Baum. Da staunen die Zaungäste (die netterweise nicht vertrieben werden).
Witze mit der Wurst
Während die Protagonisten lamentieren, richtet sich die Aufmerksamkeit oft auf Gedöns im Hintergrund: zwei verirrte Erpel aus dem Hofgarten (nicht unter Vertrag), den Kampf des Gärtners mit der Schlauchrolle (Andreas Grothgar gibt alles), das Hündchen, das mit einer Stöckeldame spazieren soll und sich lieber auf dem Kunstrasen wälzt, den emsigen Mann am Hotdog-Stand, der seine Würstchen verteilt und später den Richter Don Gusman Gimpelwitz gibt. Munter ausgeführt wird Slapstick mit Liegestühlen, Topfpflanzen und dem Dixi-Klo. Auch vor kindischen Kack- und schlüpfrigen Wurst-Witzen schreckt die Inszenierung nicht zurück. Und zwischendurch leckt Figaro die Hochzeitstorte in Form.
Das möchte man nicht unbedingt sehen. Aber dem Spieltrieb wurde bei der Probenarbeit offenbar freien Lauf gelassen, inklusive einer Runde unverständlicher Blubberlaute, wie sie Kinder aus Spaß benutzen. Manches macht keinen Sinn, nur irgendwie Laune. Warum man eigentlich wie verrückt hin und herrennt, fragt sogar Figaro selbst. Die Antwort bleibt aus. Nach der Pause dauert es zum Glück nicht mehr lange, bis Figaros Hochzeit endlich gefeiert und der triebgesteuerte Chef von den Frauen vorgeführt wird. In farbigem Licht leuchtet das Schauspielhaus in seiner ganzen architektonischen Pracht. Friede, Freude, Tanzmusik.
Weitere Vorstellungen
Sommertheater unter freiem Himmel: „Figaros Hochzeit oder Der tolle Tag“, eine Komödie von Pierre Augustin Caron de Beaumarchais in einer Version und unter der Regie von Andreas Kriegenburg, wird vor dem Schauspielhaus auf dem Gründgens-Platz gespielt. Weitere Vorstellungen sind am 25., 28 und 29. Mai sowie zwölf Mal im Juni und zuletzt am 2. Juli. Tickets und Informationen unter www.dhaus.de