Pfeifkonzert in Düsseldorf – Mit schrillen Tönen und Botschaften gegen den Pflegenotstand
An der Düsseldorfer Uniklinik war es am Mittwoch (20.6.) Tag zwei des Warnstreiks. Doch für Düsseldorf war es der erste Tag des Treffens der Länder-Gesundheitsminister mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Die Gewerkschaft ver.di hatte eine bundesweite Demonstration organisiert, um auf die belastende Situation in der Pflege in Krankenhäusern und Pflegeheimen aufmerksam zu machen. Rund 3.000 Demonstranten zogen durch die Stadt zum Tagungsort in den Hafen und empfingen die Minister mit einem gellendem Pfeifkonzert.
Rund 3000 Demonstranten hatten sich am Hafenbecken versammelt
Die Reaktionen der Düsseldorfer waren am Mittwochmittag sehr unterschiedlich. Während in den sozialen Netzwerken über die erneuten Streiks gemeckert wurde, zeigten sich viele Passanten und im Stau wartende Autofahrer solidarisch und es gab auch Applaus für die Demonstranten.
In Richtung Tagungshotel zeigte das große Banner die Botschaft
Diesmal war nicht der Landtag Ziel der Demo, sie zogen weiter in den Medienhafen. Denn die Versammlung der Gesundheitsminister hatte sich das noble Hyatt Regency als Tagungsort ausgewählt. Nur durch eine Fußgängerbrücke getrennt versammelten sich die Demonstranten gleich gegenüber am Handelshafen. Aus ganz Deutschland waren Delegationen angereist. Sie berichteten von unterschiedlichen Erfolgen im Kampf für Entlastung und mehr Personal.
Mit teils drastischen Verkleidungen machten die Demonstranten auf den Notstand aufmerksam
Einige private Krankenhäuser reagierten mit Aussperrungen und Entlassungen auf den Protest der Mitarbeiter, aber in der Charité in Berlin gab es auch schon Verhandlungserfolge. Alle Mitarbeiter eint die Erfahrungen der Überlastung im Beruf. Keine Zeit für Pausen, immer das Gefühl den Patienten nicht gerecht zu werden, Massenabfertigung statt Kümmern und selbst wenn ein Patient stirbt, bleibt für eine Begleitung keine Zeit.
Die Gewerkschaft ver.di fordert keine Gehaltserhöhung, es muss mehr Personal her skandieren die Menschen lautstark mit Rufen, Trillerpfeifen und Plakaten. „Mehr von uns ist besser für alle“ steht auf vielen Schildern.
Stephanie Peifer, Geschäftsführerin des ver.di-Bezirks Düssel-Rhein-Wupper, griff zum Mikrofon
Am Nachmittag wurde das Pfeifkonzert nochmals extrem, denn Jens Spahn und die Länder-Gesundheitsminister bahnten sich den Weg über die Brücke durch die Reihen der Demonstranten. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann hatte Mühe, sich über das Mikrofon Gehör zu verschaffen, denn er und seine Kollegen werden von den Demonstranten verantwortlich dafür gemacht, dass die Kliniken und Pflegeeinrichtungen mit äußerst dünner Personaldecke arbeiten.
Laumann betonte, dass in der Vergangenheit für vieles Geld ausgegeben wurde, aber nicht für die Pflege. Das solle sich ändern. Im ambulanten und stationären Dienst müsse es vernünftige Arbeitsbedingungen geben. Eine wissenschaftliche Auswertung soll bis zum Jahr 2020 die Situation analysieren. Auf die heftigen Rufe, dies sei viel zu spät, warb er um Verständnis. Eine schnelle Lösung könne er nicht bieten, da der Markt für Pflegekräfte aktuell leergefegt sei. Wichtig sei ein verbindlicher Tarifvertrag für alle Arbeitgeber der Pflege.
Wolfgang Cremer (links), ver.di Fachbereichsleiter NRW für Unikliniken Düsseldorf und Essen, und Sylvia Bühler (rechts) vom ver.di-Bundesvorstand geleiteten Jens Spahn (mitte) durch die Menge der Demonstranten zur Bühne
Jens Spahn versucht die Schaffung von 13.000 neuen Pflegestellen, die vom Bund finanziert werden, als positives Signal zu verkaufen, was zu erneuten Pfeifkonzerten führt. Bereits am Montag hatte ver.di in einer Pressekonferenz erläutert, dass es über 13.000 Pflegeeinrichtungen in Deutschland gebe und so eine Stelle pro Haus ein Tropfen auf den heißen Stein sein. Bundesweit würden allein in der Krankenpflege 80.000 Mitarbeiter fehlen und in der Altenpflege sei die Zahl noch schwerer zu ermitteln, da durch private Investoren geführte Pflegeeinrichtungen oft noch nicht einmal einen Betriebsrat hätten. Spahn betont aber auch sich für Tarifverträge einsetzen zu wollen, die für alle Einrichtungen verbindlich sind. „Eine Spirale, die jahrelang in die falsche Richtung gedreht wurde, kann ich nicht von heute auf morgen in die richtige Richtung ändern. Es ist ein erster Schritt.“ rief er den Demonstranten zu.
Sowohl Laumann wie auch Spahn stellten sich auf dem Rückweg zum Tagungshotel durch die Menge den Fragen einiger Demonstranten. Bereits auf der Bühne hatte Florian Thiem von Uniklinikum Düsseldorf den Ministern von den unhaltbaren Zuständen erzählt. Im direkten Gespräch luden er und seine Kollegen die Minister ein, sich persönlich ein Bild von der Ausbildung zu machen: Übervolle Klassen mit schlechten Lernbedingungen und auf den Stationen ist kaum Zeit für vernünftige Unterweisungen. Dafür werden die Auszubildenden aber trotzdem als volle Kräfte eingesetzt und fühlen sich oft mit der Situation überfordert. Die Quote der Ausbildungsabbrecher ist dadurch sehr hoch.
Die Demonstranten stellten die Botschaften drastisch dar
Mit dem Streik haben die Mitarbeiter ein wichtiges Zeichen gesetzt. Es bleibt abzuwarten ob die Botschaft in der Politik verstanden wurde. Eine Maßnahme könnte die politische Einflussnahme auf die Unikliniken Düsseldorf sein, in den zermürbenden Streit zwischen Gewerkschaft und Vorstand wieder Bewegung zu bringen.