Neujahrsempfang der Düsseldorfer IHK: Der Grüne Robert Habeck umgarnt 1000 Bosse und Manager (Analyse)
„Casablanca 2.0“ spielt auf der Bühne des Düsseldorfer Maritim-Hotels. An diesem Montagabend (13.1.). Robert Habeck steht im Trenchcoat an der Startbahn, schnippt eine filterlose Zigarette in die nächste Pfütze und winkt kurz seiner grünen Partei hinterher, die in neue Umfrage-Höhen durchstartet. Und dann sagt er zu Andreas Schmitz, dem Präsidenten der Düsseldorfer Industrie- und Handelskammer: „Ich glaube, dies ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.“ Für den notwendigerweise zu dieser Szene gehörenden Nebel haben zuvor Habecks Worte reichlich gesorgt.
Gut gefüllt und in gespannter Erwartung: Im Saal des Düsseldorfer Maritim Hotels saßen beim IHK-Neujahrsempfang mehr als 1000 WirtschaftsvertreterInnen.
Schnitt! Rund 1000 Inhaber, Chefs und Manager reagierten auf den Vortrag von Robert Habeck beim Neujahrsempfang der Düsseldorfer IHK mit mehr als nur einem Höflichkeitsapplaus. Das liegt zum einen am Redner selbst, der den riesigen Maritim-Saal mehr als 40 Minuten lang in freier Rede fesselt. Zum anderen hat die Wirtschaft die Große Koalition als kleinsten gemeinsamen Nenner gründlich satt. Ja, sagt IHK-Mann Schmitz, man werde Kanzlerin Angela Merkel vermissen. Doch zugleich ist Ihm Schwarz-Grün wie aktuell in Österreich eine Hoffnung: „Die bisher bei uns geltende Logik von Koalitionsverträgen – jeder zerstört die inhaltlichen Ideen des anderen bis zur Unkenntlichkeit – lässt sich brechen. Wir lernen: Der eigene Schatten ist dafür da, dass man ihn überspringt.“
Köder für die Bosse
Habeck wird die Sache mit dem Schatten als Vorlage später nur zu gerne verarbeiten. Seinen Vortrag spicken zum einen jede Menge Köder für die Bosse. Mit dem Robert Redford-Lächeln schwärmt er vom eigenen Auto als Sehnsuchtsort, das die Freiheit garantiert. Immer bereit, spontan nach Venedig zu fahren, auch wenn man dies nie macht. Stattdessen: Nichts als Reparaturen, Rechnungen und Ärger mit dem TÜV. Auch den Marktmechanismus lobt er über alles – kein anderes System sorge derart zuverlässig für einen Interessenausgleich. Die ´beeindruckende Musik beim Neujahrsempfang, die wirtschaftliche Stärke der Region Düsseldorf. Es gilt der alte Satz: Den Bären fängt man mit Honig.
Loblied auf Regeln und Grenzen
Mit sanfter Stimme kommt Habeck auf die Regeln und Grenzen zu sprechen, die nun einmal sein müssten. Alles andere sei schließlich Anarchie. Von den acht klimabestimmenden Faktoren für die Erde sei eine ganze Reihe bereits im Roten Bereich. Wachstum könne nicht bis ins Unendliche getrieben werden. Da brauche es Grenzen und Regeln – wie auf dem Handballplatz, damit das Spiel funktioniert. Dass ganze Branchen in einer Wirtschaft sterben, sei ein natürlicher Vorgang. Das sei schon immer so gewesen. Dass da zigtausende Familien und Existenzen dranhängen, erwähnt Habeck nicht.
Links neben Robert Habeck saßen Düsseldorfs Oberbürgermeister Thomas Geisel und Ehefrau Vera.
Habeck forderte mehr staatliche Investitionen als bisher – die Niedrigzinsphase habe die idealen Rahmenbedingungen dafür geschaffen. Den von Andreas Schmitz hingeworfenen Köder meidet Habeck geschickt. Vielleicht solle Deutschland Länder in Afrika und Indien dabei unterstützen, klimaneutral zu werden, hatte der IHK-Präsident listig angeregt. „Nein“, widerspricht Habeck, „die Wirtschaft müsse sich von der alten Logik trennen, dass wir hier in Deutschland so weitermachen können wie bisher – und andere sich ändern sollen.“
Der Wolf
Wenn Habeck die Ziehung von Grenzen – etwa fürs Wachstum –lobt, klingt er wie ein Pädagoge, der Kinder erziehen möchte. Dass Fortschritt auch mit dem Überwinden von Grenzen zu tun haben kann, kommt in Habecks Rede nicht vor. Stattdessen dieser Hinweis: Die Grünen seien bei Start-Ups, Unternehmensgründern also, deshalb die beliebteste Partei, weil sich mit „Nachhaltigkeit in den nächsten fünf Jahren die besten Geschäfte machen lassen“.
An einer Stelle wendet sich Habeck direkt an Düsseldorfs Oberbürgermeister Thomas Geisel. Er wisse zu wenig über hier heiß diskutierte Thema Umweltspur, so der grüne Parteichef, der früher einmal Umweltminister in Schleswig-Holstein war: „Doch gegenüber frei lebenden Wölfen seien Umweltspuren das kleine Übel. Robert Habeck blieb über die Rede hinaus bei der Düsseldorfer IHK: „So einen Neujahrsempfang habe ich noch nicht erlebt.“
IHK-Präsident Andreas Schmitz bezeichnete Robert Habeck als "gelungene Mischung aus Robert Redford, Heinrich Böll und dem Sandmännchen".
IHK-Präsident Andreas Schmitz hatte zuvor einen mit vielen Zitaten gespickten Vortrag gehalten, der im Original 13 DIN-A4-Seiten lang ist. Er lobte die Düsseldorfer Verwaltung für den 2020er Haushaltsplan und die Verschlankungen im Rathaus. Schmitz bekannte sich zur Verkehrspartnerschaft, tadelte aber Thomas Geisel für seine Alleingänge und kritisierte die dritte Düsseldorfer Umweltspur in Düsseldorf Wersten. Die Einführung sei handwerklich schlecht gemacht gewesen und mies kommuniziert worden. Nun müsse der eigentlich erste Schritt dringend nachgeholt werden: Den Düsseldorfer Alternativen zu bieten – mit dichteren Rheinbahn-Takten und einem Ausbau der Park&Ride-Parkplätze. Anders als die zunehmend schrille Handwerkskammer sicherte Schmitz dem OB zu, die Wirtschaft mache mit – sofern es sich um vernünftige Maßnahmen handele.
Musik machten Elina Laivera, Thomas Hahn, Claudia Lippmann und Christian Hembach.
Mit Blick auf die Kommunalwahlen im September 2020 sagte Schmitz, die Vollversammlung der IHK werde wieder Wahlkampfprüfsteine für die Kandidaten und Parteien aufstellen. Dabei gehe es nicht um Partikularinteressen, „sondern um das Gesamtinteresse der Wirtschaft“. Die Kandidaten dürften sich nicht von der im zurückliegenden sehr guten Wirtschaftslage täuschen lassen, sondern müssten bei ihren Versprechen von einer Delle in der Wirtschaftsentwicklung ausgehen.