Schauspiel Düsseldorf: Othello kann nichts dafür
Vor gar nicht so langer Zeit wäre das kein Problem gewesen auf westlichen Bühnen. Man hätte einen Charakterdarsteller wie Wolfgang Michalek schön schwarz angemalt und den Othello spielen lassen. Sicher keine schlechte Performance. Aber jede*r weiß: So geht’s heute nicht mehr. Das sogenannte „Black Facing“ ist „verabscheuungswürdig und erniedrigend“, findet nicht nur die (weiße) Theaterchefin Lara Foot aus Kapstadt. Und deshalb spielt Michalek in ihrer Düsseldorfer Inszenierung von Shakespeares Tragödie den bleichen Bösewicht Jago. Und Othello ist, was er ist: ein Afrikaner. Bongile Mantsai, Gaststar aus Südafrika. Das Publikum zeigt Respekt und applaudiert sehr herzlich.
Man freut sich über den Saisonstart. Und man darf endlich wieder mal ohne Maske ins Theater, plaudern, Gesicht zeigen, schick aussehen. Wer weiß, wie lange die neue Freiheit hält … Sommerlich gut aufgelegt, waren die Premierengäste bereit, sich den neuen Herausforderungen zu stellen: Othello spricht ein nicht sehr britisches Englisch sowie isiXhoa, die klangvolle Heimatsprache des Schauspielers. Die Anderen reden deutsch, kommunizieren aber auch mit englischen Brocken, wenn Heerführer Othello sie verstehen soll. Das ist ein bisschen konfus, aber realistisch. Genauso läuft‘s Business heutzutage. International. Ein Übersetzungsband sorgt übrigens jederzeit für Orientierung.
Feldzug durch die Wüste
Der berühmteste Satz ist gestrichen, wegen der unkorrekten Sprache: „Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan …“. Othello wird einfach „der Schwarze“ genannt. Und zwar nicht in einem von Shakespeare vor 420 Jahren fantasierten Venedig, sondern im deutschen Kaiserreich, als dessen General er in die afrikanische Wüste geschickt wird, um einen Aufstand zu beenden. Damit das auch verstanden wird, gibt es ein ziemlich schulmeisterliches Vorspiel, in dem ranghohe Militärs an einer schief gelegten Afrika-Karte die Zähmung der „Barbaren“ planen und ihre rassistischen Kolonial-Sprüche loswerden: „Die Eingeboren sind klüger, als wir dachten.“
Klaglos, sehr zugeknöpft, lässt sich der überangepasste Othello gegen das eigene Volk zu Felde schicken. Erst zum bitteren Ende wird er die Uniform ablegen, die eigenen Wurzeln neu entdecken und in das Horn eines Häuptlings blasen. Aus blutroten Kleidern hat Bühnenbildner Gerhard Marx die Hügel von Namibia gebaut, Steine schweben wie das Verhängnis über der Szene. Was jahrhundertelang eher Nebensache war, die Identität Othellos, wird in dieser Inszenierung zur Hauptsache. Aber da war ja noch was: die große, tragische Love-Story zwischen Othello und dem feinen weißen Fräulein Desdemona, das ihn heimlich heiratet.
Das fatale Taschentuch
Kein inniges Liebchen sehen wir in der Rolle, sondern die hagere, energische Pauline Kästner. Trotz Einsatz von Spitzenkleidern mag man diesem modernen Frauentyp die bedingungslose Hingabe an den zunehmend schwierigen Gemahl nicht ganz glauben. Und das Theater um das verlorene Taschentuch! Wie man weiß, wird dies fatale Stück Stoff zum Indiz für ihren vermeintlichen Ehebruch, denn der Schurke Jago, frustriert wegen einer ausbleibenden Beförderung, hat es im Zimmer des schmucken Leutnants Cassio (Jonas Friedrich Leonhardi) fallenlassen. Das genügt, um die Eifersucht, die Jago beim Chef Othello schürte, in mörderische Wut zu wandeln.
Aber was heißt hier Wut? Es ist Wolfgang Michalek als Jago, der, schnaubend, züngelnd, sadistisch grinsend, den Berserker gibt. Der anmutige Bongile Mantsai als Othello hingegen zeigt eher Unbehagen und vor allem eine profunde Traurigkeit. Statt zu toben, sitzt er da und schlägt stumm auf die Saite eines afrikanischen Instruments. Einer der berührendsten Momente. Dieser Othello will die Rolle nicht spielen, die ihm in dem weißen Drama zugeschrieben wurde: „No, I won‘t“, lässt Lara Foot ihn sagen. Und am Ende ist es nicht er, der die Finger um Desdemonas Hals legt, um sie zu erwürgen. Er war‘s nicht.
Eine spannende Shakespeare-Version mit ein paar Albernheiten (man singt beim Feiern karnevalesk „Bumsfalera“), einigen sehr poetischen Szenen und durchgängig ernsten Absichten. Reichlich Diskussionsstoff zum Beginn der Spielzeit.
Die nächsten Vorstellungen
„Othello“ von William Shakespeare in der Version und unter der Regie von Lara Foot wird am 7., 11. und 25. September sowie am 1., 9. und 27. Oktober im Großen Haus des Düsseldorfer Schauspielhauses gespielt. Derzeit gibt es keine Maskenpflicht im Saal. Karten und Informationen unter www.dhaus.de