Düsseldorf – ins Blaue hinein: Poetische Stunden mit Johanna Hansen und David Oates
Zuerst war da wieder diese Zappeligkeit in mir, der ewig Ungeduldigen: Warum fängt es jetzt nicht an, worauf warten die denn noch? Puh, ist das heiß heute! Wegen zahlreicher Absperrungen in Event-City Düsseldorf kamen etliche angemeldete Gäste spät zur Lesung der Düsseldorfer Lyrikerin und Malerin Johanna Hansen und ihres amerikanischen Autorenfreundes David Oates im Oberkasseler OK25, dem „Raum für jede Art“. Doch dann spielte das Frauen-Duo KontraSax seinen schwerelosen Klangzauber – zur Einstimmung auf einen Briefwechsel der besonderen Art, der das Publikum stundenlang lächelnd lauschen, träumen und nachdenken ließ.
Ein Magazin für Lyrik und Kurzprosa: die „Wortschau“.
Wer schreibt schon noch Briefe? Fein formuliert, ausführlich, philosophisch, politisch, erzählerisch? Das ist so 20., nein, 19. Jahrhundert … Und doch pflegen die beiden Schriftsteller Hansen und Oates diese wunderbar altmodische Verbindung, seit sie sich 2014 während eines Gastaufenthalts in der Pariser Cité Internationale des Arts kennenlernten. Ihre Korrespondenz, eher ein Austausch von persönlich geprägten Essays, erschien in zehn Ausgaben des Literaturmagazins „Wortschau“ und wurde jetzt in einer mit Schrift-Malerei illustrierten Sonderausgabe zusammengefasst: „Schreiben ist eine Art von Luftwiderstand“.
Zeichen gegen die Mutlosigkeit
Die Zeile gehört zu den poetischen Bildern, die von der Künstlerin Johanna Hansen in diese Welt der allmächtigen Technik und der miesen Nachrichten gesetzt werden, um uns ganz unabsichtlich zu trösten und zu stärken. Auch ihre Aquarelle können das. Einige Figuren und Worte, ein paar Pferde, ein paar fliegende Formen in flammendem Rot hängen wie Zeichen gegen die Mutlosigkeit an den weißen Wänden der kleinen Oberkasseler Galerie, die bis vor kurzem noch eine Design-Agentur war.
„Raum für jede Art“: Laura Dathes Oberkasseler Galerie OK25 mit Aquarellen von Johanna Hansen.
Und wir verfolgen die literarische Freundschaft, die aus innerer Nähe entstand und mit Worten über die Distanz hinweg gepflegt wurde. Johanna und David, die sich in den Briefen respektvoll siezen und sich jetzt zum ersten Mal wiedersahen, lieben beide die strukturierte Musik von Bach, und sie lieben die Farbe der Sehnsucht: Blau. „Blau ist ein Lockvogel“, heißt ein Gedicht von Johanna, das David sofort begeisterte. „Wir könnten die Blauen Writers sein“, scherzt er mit einer Anspielung auf den deutschen Expressionismus.
Die Wirkung des Wortes
Überhaupt ist viel Heiterkeit in den Schriften des Amerikaners, der über die „Nowhere-ness“ seiner verregneten Heimatstadt Portland in Oregon schreibt, wo man sich schon über „dry grey days“, trockene graue Tage, freut und versucht, den Winter zu genießen „mit Kaffee und Bier und Pinot Noir und Büchern und Freunden“. Mit Leichtigkeit verbindet Oates das Erhabene mit dem, was er „deep present“, die tiefe Gegenwart, nennt. Er erzählt von seiner alten Mom, die vor dem Fernseher sitzt und für ihren Sohn den Ton der ständig flimmernden, reaktionär lamentierenden Fox-News abdreht. Und er analysiert die amerikanische Kunst, die eigene Schuld zu verleugnen und sich als „God-blessed-America“ grundsätzlich moralisch überlegen zu fühlen, während die Germans die Wahrheit ans Licht geholt haben und sich ihrer historischen Schuld immer noch schämen – wie Johanna Hansen auf ihren Spaziergängen durch Paris, wenn sie an Krieg und Holocaust erinnert wird.
Das Saxophon von Christina Fuchs vom Duo KontraSax sorgte für die Musik zur Literatur.
Was hilft, ist, so Oates in seinen Briefen, ist „das Gewicht des Unsichtbaren, die Wirkung eines Wortes“. Denn: „Wie wir denken, so handeln wir, und so wird die Welt“. Johanna Hansen beschwor das Leben als schöpferisches Prinzip: „Als Gesang gegen den Tod.“ Und dann spielte wieder das Saxophon von Christina Fuchs, und der Tag fühlte sich gleich viel besser an.
Literatur und Kunst
Der deutsch-amerikanische Briefwechsel zwischen Johanna Hansen und David Oates ist unter dem Titel „Schreiben ist eine Art Luftwiderstand“ im Wortschau-Verlag erschienen und kostet 16 Euro. www.wortschau.com
Laura Dathe präsentiert vom 5. Juli bis 2. August in ihrer Galerie OK25, Kaiser-Wilhelm-Ring 25, eine Ausstellung mit Radierungen von Volker Beindorf. Die Eröffnung ist am 5. Juli, 18 Uhr. www.ok25.de