Schäuble sagt beim Neujahrsempfang der IHK Düsseldorf ab
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, CDU, wollte sich offenbar nicht instrumentalisieren lassen. Als Hauptredner des Neujahrsempfangs der Industrie- und Handelskammer Düsseldorf sagte Schäuble am Montagmorgen (7.1.) kurzfristig ab. Offizielle Begründung: Magen/Darm. Viele der knapp 1500 Gäste erfuhren erst in der Veranstaltung, dass Schäuble nicht kommen würde. Dem zweit-mächtigsten Mann im Staate konnte die Rolle nicht gefallen, die ihm die Düsseldorfer IHK zugedacht hatte.
Kritik an der Bundeskanzlerin
So blieb der Düsseldorfer IHK-Präsident Andreas Schmitz im Maritim-Hotel am Montagabend (7.1.) allein mit seiner Kritik an Bundeskanzlerin Angela Merkel. Zwischen ihrer Analyse der Lage und ihrer praktischen Politik gebe zunehmend eine Diskrepanz, sagte Schmitz: „Ganz Europa weiß daher nur, was Merkel nicht will, denn wie jeder Chef, der lange im Amt ist, kann auch Merkel gut erklären, was nicht geht. Nur sind Bedenken eben noch kein Plan.“
Zur neuen CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer sagte Schmitz nichts. Die beiden Gäste, die für Schäuble einsprangen, Handelsblatt-Chefredakteur Sven Afhüppe und der oberste Redakteur der Rheinischen Post, Michael Bröcker, bekamen stattdessen gleich zur Begrüßung saftige Ohrfeigen: Sie seien, natürlich, „kein adäquater Ersatz“ für Schäuble. Es zeigt die Leidensfähigkeit von amtierenden Chefredakteuren, dass beide trotz dieser maximal unfreundlichen Begrüßung im Saal blieben.
Am Vorabend der Krise
Am Vorabend einer für Deutschland bevorstehenden, tief greifenden und schmerzhaften Wirtschaftskrise rückten Wirtschaft und Politik und Lobbyisten noch einmal zusammen. Essen und Trinken, solange es noch geht. Auf der Titanic wissen viele und ahnen alle nach mehrfach reduzierten Wachstumsprognosen, dass die fetten Jahre vorbei sind.
Small-Talk in Reihe eins: Düsseldorfs Oberbürgermeister Thomas Geisel und Henkel-Aufsichtsratschefin Simone Bagel-Trah.
Der Rahmen zerbröselt
Parallel zum Wirtschaftszyklus zerbröselt der bislang sicher geglaubte Rahmen. Bei seiner Analyse machte es IHK-Präsident Schmitz auch nicht anders als die vom ihm heftig kritisierte Kanzlerin Merkel: Trump und die USA nannte er „einen alten Leitwolf, der sich von seiner Herde entfernt“ habe. Die Europäische Union sei „routinierter Konferenzbetrieb mit eingebauter Ideenlosigkeit“. Die chinesischen Eliten seien auf dem Sprung, die Weltherrschaft zu übernehmen.
Was Andreas Schmitz als Gegenmittel empfahl, ist größtenteils längst von den aktuellen Ereignissen überholt. Dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron bei der „Revitalisierung Europas“ nicht zu folgen, nennt Schmitz „ein großes außenpolitisches Versäumnis“ der Regierung Merkel. Um wenige Zeilen später demselben Macron zu bescheinigen, er habe „den Taktstock“ verloren. Möglicherweise war es also richtig, den französischen Präsidenten ohne Erdung durch eine Volkspartei auflaufen zu lassen, wer weiß.
Strafgesetzbuch contra Meinungsfreiheit
Dass die offene Gesellschaft mehr Fürsprecher braucht, wie Schmitz forderte, stimmt! Dass die Energiewende zu hastig war – ist ein Argument der alten Energieriesen. Und dass massive Kritik an der deutschen Autoindustrie geübt wird, hat diese vielleicht selbst verschuldet. Unterm Strich gab es noch ein paar Schmuseworte für den im Vorjahr in Grund und Boden gerammten Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel. Zurück bleibt: Die Düsseldorfer Wirtschaft steht konzeptlos da.
Im Stil eines Populisten ging IHK-Chef Andreas Schmitz den Leiter der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch, an. Dessen Behauptung „Düsseldorf sei angesichts der Zustände an der Corneliusstraße keine lebenswerte Stadt“ erfülle „fast“ den Tatbestand der üblen Nachrede gemäß Paragraph 186 Strafgesetzbuch. Meinungsfreiheit? In der IHK offenbar unbekannt!
Nackter Oberam statt alter Herren: "Querbeat" ersetzte beim IHK-Neujahrsempfang Wolf Doldinger and Friends.
Dass der Mangel an Takt und Feinfühligkeit von IHK-Präsident Andreas Schmitz soweit ging, die Lieblingsmusiker seines Vorgänger Ulrich Lehner unter Bandleader Wolf Doldinger nicht nur im Programm, sondern auch in seiner Rede aufs Altenteil zu schicken, zeigt, dass sich die Düsseldorfer Industrie- und Handelskammer unter diesem Präsidenten nicht weiterentwickeln wird.