Cao Fei im K21 Düsseldorf: Chinas junge Kunst will spielen
Yes, wir haben verstanden. Susanne Gaensheimer, regierende Chefin der Kunstsammlung NRW, ist ein Global Player der Kuratorenszene. Sie will und wird dem hiesigen Kulturbürger immer wieder außereuropäische Gegenwartskunst vorführen, auch wenn er zuckt, der westliche Geschmack. Nach Akram Zaataris arabischer Rätselflut und den Konzepten des indischen Raqs Media Collective präsentiert sie im K21 nun, was auch in New York und Paris als cool gilt: die Videos und Installationen der Chinesin Cao Fei. 1978 in der Millionen-Stadt Guangzhou geboren, erlebte die Tochter eines staatlich anerkannten Bildhauers das chinesische Wirtschaftswunder und die von Geschäftsinteressen geleitete Öffnung des Systems. Erfolgreich macht sie nun ihr eigenes Business mit dem, was der Katalog „Die Kunst der überschwänglichen Mehrdeutigkeit“ nennt.
Langweilig ist das nicht. Ein buntes, flimmerndes Arrangement erwartet den Besucher im Souterrain des Ständehauses. Erklärungen kann man sich aufs Smartphone laden. Die Meta-Ebene ist jedoch trotz der üblichen Bemühungen westlicher Profi-Interpreten gar nicht so relevant für Cao Fei. Die 40-Jährige trägt zwar eine aparte Grautönung im Haar und ist schon lange keine Studentin mehr, lässt sich aber jugendfrisch von Online-Games, Fernsehserien, Firmenaufträgen und Papas Denkmälern inspirieren. Dabei offenbart sie eine Unbefangenheit, die westliches Kunstschaffen blass aussehen lässt. Es ist alles ein großes ungeniertes Spiel, getragen von, so die Düsseldorfer Co-Kuratorin Kathrin Beßen, „grundsätzlicher Liebe zu dem, was sie umgibt“.
Falsche Blumen und Videos: Im „Night Garden“ darf der Besucher auf der Bank Platz nehmen
Marx und Mao im nächtlichen Garten
Dann nehmen wir mal Platz in Cao Feis Welt. Einladend stehen zwei verschnörkelte Parkbänke auf Kunstrasen zwischen Plastikpalmen im Licht lauschiger Laternen. Die auf Zimmerformat geschrumpfte Statue eines chinesischen Führers mit väterlicher Geste prangt auf einem Sockel zwischen Blumenkübeln mit falschen Astern. Es ist fast wie im nächtlichen Park zu Hause bei Cao Fei und heißt denn auch „In the Night Garden“. An der dunklen Wand flimmert derweil, was der moderne Spieltrieb hervorbringt: ein Video mit digitalen Figuren, darunter auch Marx, Mao und ein Bankier namens Lehman als Männeken. Sie tanzen Limbo, kämpfen, diskutieren. Sieht lustig aus.
Noch lustiger ist eine Videoproduktion namens „i.Mirror“, für die Cao Fei sich 2007 ein halbes Jahr lang konsequent in einer fantastischen Stadt auf der Plattform „Second Life“ aufgehalten hat. Natürlich in der Gestalt eines Avatar, einer selbst gestalteten Trickfigur. Nach Art aller sehnsüchtigen Nerds an ihren Bildschirmen schuf die junge Künstlerin für sich selbst eine Idealgestalt: groß, schlank, sexy, superstark. Sie nannte sich China Tracy und fand das wunderbar. Ein blonder Jüngling aus Amerika erschien prompt als Verehrer auf der virtuellen Bildfläche, er erwies sich später als 63-Jähriger Melancholiker. Aber, wie China Tracy zu Recht bemerkt: „In SL we are young forever“, im Second Life bleiben wir für immer jung.
Das kreative Projekt „Utopia Factory“ entstand in einer Glühbirnenfabrik von Osram
Lauter einsame Superhelden
Im eigentlichen Leben klappt das bekanntlich nicht so. Aber es wird ebenso heftig gespielt. 2004 filmte Akademie-Absolventin Cao Fei allerlei comichaft verkleidete „Cosplayers“ in der unwirklichen Kulisse ihrer modernen Heimatstadt. Wir kennen das vom karnevalesken Düsseldorfer Japantag: Im Kostüm geflügelter Superhelden und geharnischter Bösewichte entfliehen junge Leute der unheroischen Realität. Alles Kitsch? Gewiss. Ein asiatischer Minimalismus wie wir ihn in Form des schlichten gelben Geschirrs der alten Kaiser von China (derzeit im Hetjens-Museum) bewundern dürfen, existiert nicht mehr in der schönen neuen Welt des Amüsier- und Konsumrauschs.
Cao Fei bedient sich hier und da nach Herzenslust. Sie zeigt drei brummende Staubsauer-Roboter beim absurden „Rumba“ und Fiberglas-Versionen der dem sozialistischen Realismus verpflichteten Bronzestatuen ihres Vaters Cao Chong’en. In einem Zelt, das einer Kirche ähneln soll, läuft ein Road-Movie von einer Studentenfahrt ins christliche Gebirge. Und in der „Utopia Factory“ tanzen Arbeiter einer Glühbirnenfabrik unvermittelt, als sei ihr Alltag ein Musical. Im Auftrag von Osram produzierte Cao Fei 2006 halbdokumentarische, mit kleinen Amateur-Shows aufgemotzte Videos und baute mit den Arbeitern ein paar nette Gehäuse und Raketen aus Verpackungsmaterial.
Cao Feis Vater Cao Chong’en, ein staatlich anerkannter Bildhauer, hat solche Figuren entworfen. Nachbildung aus Fiberglas
Inspiriert von „The Walking Dead“
Dass nicht alles so easy ist, schwant gelegentlich auch Cao Fei. Einige Arbeiten zeigen daher kritische Ansätze. In einem geheimnisvollen Zimmer mit Entspannungsmusik hängen Bilder, die von einer Crime-Scene stammen könnten. Im 2013 entstandenen Film „Haze and Fog“ (Dunst und Nebel) geistern verbindungslose Menschen durch Cao Feis futuristisch-luxuriöses Wohnquartier, eine junge Frau badet in Bällen mit Melonenmuster. Warum? Egal. Sieht crazy aus und taugt als Plakatmotiv. Ein Jahr später hatte Cao Fei offenbar die schockierenden Puppen-Spiele der britischen Chapman-Brüder gesehen. Ihr Trickfilm „La Town“ zeigt eine aus Eisenbahnmodellbauten und Mini-Figuren konstruierte Stadt, die eine postapokalyptische Düsternis aufweist. Dass einige blutige Gestalten wie Zombies durch die Szene laufen, ist kein Zufall. Neben Alain Resnais’ Kultfilm „Hiroshima Mon Amour“ nennt die Künstlerin ihre Lieblings-US-Gruselserie „The Walking Dead“ als vorbildlich für dieses Oeuvre.
Wer mehr sehen will von der jungen chinesischen Kunst, kann sonntags in die Stoschek-Collection an der Schanzenstraße gehen. Dort hat Cao Fei ganz nebenbei selbst eine Video-Schau ihrer Freunde und Zeitgenossen kuratiert: „New Metallurgists“.
Chinas Völkerschar: Cao Fei spielt auch mit der Ästhetik des sozialistischen Realismus
Was, wann und wo?
„Cao Fei“: Bis 13. Januar 2019 in der Kunstsammlung NRW, K21, Ständehausstr. 1. Di.-Fr. 10 bis 18 Uhr. Sa./So. 11 bis 18 Uhr. Eintritt: 12 Euro. Jeden ersten Mittwoch im Monat bis 22 Uhr geöffnet bei freiem Eintritt ab 18 Uhr. Führungen dienstags 16.30 Uhr und sonntags 15 Uhr. Katalog im Hirmer Verlag: 28 Euro. Die Julia Stoschek Collection an der Schanzenstr. 54 zeigt parallel jeweils sonntags 11 bis 18 Uhr junge chinesische Videokunst: „New Metallurgists“. www.kunstsammlung.de