Düsseldorf: Erfolge durch Housing First – 24 Obdachlose in eigenen Wohnungen
In Düsseldorf leben geschätzt rund 400 Menschen dauerhaft auf der Straße. Einige haben sich dafür entschieden und wollen auch nicht in einer der Notschlafstellen der Stadt übernachten. Doch rund ein Drittel würde sofort in eine Mietwohnung ziehen, wenn sie denn die Möglichkeit dazu hätten. Da der Wohnungsmarkt in Düsseldorf so angespannt ist, haben Obdachlose keine Chance an eine Mitwohnung zu kommen – zu viele Menschen mit einem besseren Ansehen suchen ebenfalls.
Housing First
Der Verein fiftyfifty, der Obdachlose auf der Straße unterstützt und betreut, setzt auf das Projekt „Housing First“, um Obdachlose langfristig von der Straße zu holen. Das Prinzip ist eigentlich einfach: Zuerst ein Zuhause für die Menschen finden, danach die individuellen Probleme angehen und so den ehemals Obdachlosen die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben geben. Durch großzügige Spenden aus der Kunstszene konnte der Verein über 40 Wohnungen finanzieren und sie an Obdachlose vermitteln. Doch der Bedarf ist wesentlich größer. Deshalb wurde im Herbst 2021 der Verein „Housing First Düsseldorf“ gegründet. Ziel ist es, Wohnungsbesitzer zu motivieren an Obdachlose zu vermieten oder Investoren zu gewinnen, die eine Wohnung kaufen und diese dann jemanden von der Straße gegen Mietzahlung zur Verfügung stellen. Dabei kümmert sich der Verein um die komplette Abwicklung. Nach erfolgreichem Einzug werden die Bewohner von Wohlfahrtsverbänden betreut.
Idee überzeugt
Dass diese Idee überzeugt, zeigt das Engagement von Carl S.. Der pensionierte Unternehmer ist seit vielen Jahren als Vorstand bei Aktion Deutschland Hilft aktiv und setzt sich weltweit für Menschen in Not ein. Über Michael Busch, Chef von Thalia Bücher und Mitgründer des Vereins „Housing First Düsseldorf“, erfuhr er von den vielen Obdachlosen, die auf eine Wohnung warten. Carl S. erklärte sich bereit eine Wohnung zu kaufen. Die Abwicklung übernahm komplett der Verein und als eine passende Immobilie gefunden war, unterschrieb er den Vertrag. Alena Hansen und Lukas Bäumer vom Team des Vereins haben seit Herbst 2021 Kontakt zu zahlreichen Menschen gesucht, die auf der Straße leben, aber eigentlich eine eigene Wohnung haben möchten. Dabei wird genau erfasst, wie groß der Bedarf ist, wo sie aktuell leben und wie lange sie bereits auf der Straße sind.
Chance für Alex
So kam Alena Hansen mit Alex N. ins Gespräch, der seit über 20 Jahren auf der Straße lebt. Doch bevor er auf die Warteliste aufgenommen werden konnte, mussten zuerst wichtige Themen geregelt werden. Gemeinsam beantragten sie einen Personalausweis für Alex, damit konnten Sozialleitungen und Krankenversicherung geklärt werden. Ein Voraussetzung, denn nur so ist sichergestellt, dass die Kosten für die Miete übernommen werden. Es dauerte mehrere Monate, bis Alex die gute Botschaft erfuhr: Es gibt eine Wohnung für ihn. Das Apartment, das Carl S. gekauft hatte, sollte seine neue Heimat werden. Mit eigenem Mietvertrag.
Aufgeregt, fassungslos und voller Freude zog er Ende Mai ein. In der ersten Nacht fand er kaum Schlaf, so aufgewühlt war er. Der 51-Jährige hatte den ersten Schritt in sein neues Leben gewagt und will nun weitermachen: einen Arbeitsplatz suchen und die Hände vom Alkohol lassen. Damit ihm dies gelingt wird er weiter durch Sozialarbeiter betreut. Denn selbstverständlich lösen sich die Probleme, die die Menschen auf die Straße gebracht haben, nicht in Luft auf, nur weil sie nun eine eigene Wohnung haben. Alex weiß, dass man nie vergessen darf, wo man herkommt und betont: „Wenn du die Straße vergisst, landest du wieder auf der Straße. Die Straße vergisst dich nie!“
Bereits 24 Menschen in Wohnungen vermittelt
Beispiele wie das von Alex gibt es mittlerweile zahlreiche. Beim Start des Vereins „Housing First Düsseldorf“ hatte man sich vorgenommen im ersten Jahr Wohnraum für zwanzig Menschen zu finden. Nach rund neun Monaten konnten bereits 24 Menschen von der Straße geholt werden. Vier weitere Einzüge stehen im Sommer an. Doch es gibt auch fast 20 Interessenten auf der Warteliste.
Stadt finanziert zwei Stellen bis September 2022
Die Stadt Düsseldorf finanziert zwei Mitarbeiter*innen, die sich um den Kontakt zu potentiellen Vermietern kümmern, die Abwicklung der Bewerberauswahl, die vertragliche Gestaltung und bei Erfolg den Einzug regeln. Dies war möglich, da die Verantwortlichen das Konzept überzeugte, das von fiftyfifty, Michael Busch, dem Notar Armin Hauschild, dem Geschäftsführer der Düsseldorfer Drogenhilfe Michael Harbaum und der Professorin an der Hochschule Düsseldorf Dr. Anne van Rießen gemeinsam erarbeitet worden war. Allerdings gilt die Finanzierungszusage für die zwei Stellen nur bis September 2022 – ob eine Weiterführung des erfolgreichen Projekts möglich ist, hängt von der Verlängerung der Finanzierung durch die Stadt ab.
Such nach Vermietern und Investoren
Viele Wohnungen in Düsseldorf sind in Privatbesitz, daher sollen im Rahmen des Projekts neben Wohnungsbaugesellschaften diese Immobilienbesitzer motiviert werden, sich mit Hilfe des neuen Vereins für die Bekämpfung der Obdachlosigkeit in Düsseldorf zu engagieren. Negativzinsen von den Banken und günstige Finanzierungszinsen machen das Projekt auch für Menschen attraktiv, die Geld anlegen möchten und dabei Gutes tun wollen. Es sind keine hochpreisige Mieteinnahmen zu erwarten, aber ersten Erfahrungen zeigen, dass eine Rendite möglich sit. Es gibt auch die Möglichkeit einen Probewohnvertrag mit der Stadt Düsseldorf abzuschließen, die dann als Mieter auftritt und die Wohnung an Obdachlose vermittelt. Für die Vermieter bleibt zu Zusicherung, dass sich Sozialarbeiter um die Mieter kümmern und bei Problemen als Ansprechpartner zur Verfügung stehen.
Weitere Infos über den Verein finden sie hier