Rundgang mal anders: Düsseldorfs Kunstakademie im K21
Wie, Sie waren nicht beim Rundgang in der Akademie? Wohl keine Lust? Hier kommt die gute Nachricht für alle, die den hippen Parcours durch die Klassen am Eiskellerberg insgeheim immer zu chaotisch fanden und vielleicht sogar ein bisschen enervierend. Die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen will alle Jahre wieder ausgesuchte Arbeiten der Absolventen im musealen Rahmen ausstellen. Architekturprofessor Karl-Heinz Petzinka, der elegante und eloquente neue Rektor, pflegt segensreiche Verbindungen zur Außenwelt. Er hat den Plan mit Kunstsammlungs-Direktorin Susanne Gaensheimer ausgeheckt. Zusammen präsentieren sie im K21 nun zum ersten Mal die „Absolvent_innen“ (so wird das politisch korrekt geschrieben) des Vorjahres 2018.
Machen sich stark für die junge Kunst (von links): Akademie-Rektor Karl-Heinz Petzinka, Kunstsammlungschefin Susanne Gaensheimer und die Kuratorinnen Linda Walther und Agnieszka Skolimowska neben Pressesprecher Gerd Korinthenberg.
Den Titel „Planet 58.“ muss man nicht verstehen, der ist Kunst, geht auf ein Teilnehmerwerk zurück und soll „den Gedanken an das Unentdeckte, Unerforschte transportieren“. So formulieren es die Kuratorinnen Agnieszka Skolimowska und Linda Walther, wissenschaftliche Volontärinnen des Hauses, und nicht nur ihre Namen sind dem Publikum (noch) unbekannt.
Die Königin und andere Schönheiten
Die 60 Künstler/innen, die 2018 ihr Studium abgeschlossen haben, wollen erst noch berühmt werden – wobei manche schon ganz gut im Geschäft sind wie die 1980 in Mönchengladbach geborene Malerin Meral Alma, deren bildhübsche, monumental-dekorative „Königin“ gewiss viele Liebhaber findet. Auch Leonie Schillings rotbezopfte „Lilith“ im Papageienrahmen, von weißen Schleifen umrankt, trifft den Geschmack eines breiteren Publikums.
Kontraste: Daniel Nehring konstruierte die stählerne Radskulptur, Meral Almahat die „Königin“ gemalt.
Das Gefühl für Kitsch hat sich offenbar verschoben in der aktuellen Kunst, was vielleicht auch mit der Globalisierung der Kundschaft zu tun hat. Im Orient oder in Fernost sieht man die Dinge anders, und deshalb trägt die Chinesin Hanhan Yuan ohne Weiteres ein Glitzerkleid, während sie performativ durch eine zierliche Karten-Installation schreitet, zum Klang geheimnisvoller Wörter wie „Umschlag“ oder „sunrise orange“. Ihr Kollege Domingo Chaves liegt derweil im Bademantel am Boden und hält die Kunst hoch – in Form eines silbrigen Turmobjekts, das in seiner Abwesenheit als Skulptur dient. Daneben schlängelt sich imponierend ein fettes Schlauchobjekt von Fridolin Schoch.
Der Kaiserteich spielt mit
Das Künstlerduo Aurel Dahlgrün und Tomas Kleiner (Mitte) beschäftigt sich mit den „floating circles“ des Kaiserteichs draußen vor den runden Fenstern.
Aurel Dahlgrün und Tomas Kleiner, beide um die 30, sind junge Meister einer neuen Konzeptkunst. Sie beschäftigen sich in ihrer „ortspezifischen“ Installation „floating circles“ mit dem Kaiserteich, der an das Ständehaus grenzt und dessen bräunliches Gewässer an die runden Fenster im Tiefgeschoss plätschert. Bei beherzten Tauchgängen haben die Künstler dort alte Flaschen und rostiges Zeug geborgen. Sie haben Zeichnungen und einen Film gemacht sowie eine Unterwasserkamera installiert. Einige Enten und Schwäne spielen auch mit – überraschend und geradezu poetisch.
Lauter neue Kunst: Blick in den Saal mit einem überlappenden Bild von Lotte Maiwald (links).
Aber die Jungs können sich noch so viel Mühe geben, Stahlräder schlagen (Daniel Nehring) und Videos mit Hasen am Konferenztisch laufen lassen (Fabian Heitzhausen). Die Frauen haben derzeit Oberwasser, zumindest in diesem Kulturinstitut. Sie zeigen disziplinierte Malerei mit surrealem Kick wie die „Mohnkapsel“ von Pia Krajewski, das fast barocke Blumenstillleben von Steffi Prohaska-Stollenwerk (eine Herausforderung für das Gedächtnis der Kunstfans) oder die kopflosen Fußballspieler mit dem Titel „No. 25“ von einer Malerin mit dem neutralen Künstlernamen Isar. Und: Die Frauen kassieren die Preise.
Eine Kirche für die Kunst
Ein Kunstgebäude aus Holz und alten Kirchenfenstern baute Dorothee Clara Brings („KAL-EL“) und bekam dafür das Stipendium der Provinzial.
Ein Stipendium der Provinzial Rheinland in Höhe von 12 000 Euro geht an die erst 23-jährige Dorothee Clara Brings aus Neuss für ihre imposante Installation „KAL-EL“. Aus alten, zum Teil zerborstenen Kirchenfenstern, die sie in einer Scheune fand, hat die junge Bildhauerin mit Holzleisten ein von hinten beleuchtetes Kunstgebäude errichtet, das in der Tat eine eigene sakrale Ausstrahlung hat.
Hinsinken erlaubt: Die Installation „Dear and Dearest“ mit Luftmatratzen, Musik und Video hat der Künstlerin Jieun Lim (nicht im Bild) den Preis der Engel-Stiftung eingebracht.
Über den Absolventenpreis des erfolgreichen Düsseldorfer Immobilienberaters und Mäzens Peter Michael Engel darf sich die Koreanerin Jieun Lim freuen. Sie lädt die Besucher ein, sich auf einem dunkelblauen Luftmatratzenlager zu entspannen, Chopins Nocturno zu hören, in einem Buch zu blättern und ein Video anzuschauen, auf der unter anderem ein Mädchen seinen Hals zeigt. Erotische Verlockung? Mitnichten. Unter dem maliziösen Titel „Dear and Dearest“ (lieb und am liebsten) beschäftigt sich Jieun Lim mit fiesen Parasiten und Exzemen.
Mit neuer Bedeutung aufgeladen
Objekte, Videos, Diskussionen: Die Schau der Akademie-Absolventen im K21 ist äußerst inspirierend.
Ja, das geht unter die Haut. Aber nicht so sehr, dass die Freude an dieser jungen und frischen Ausstellung verdorben wäre. Tatsächlich ist es erstaunlich, wie sich Werke, die im Gewimmel und in der Beliebigkeit eines Rundgangs untergingen, nun, in den weißen Sälen des Museums, mit neuer Bedeutung aufladen. Das gilt sogar für den mit Laken behangenen Wäscheständer, den Nicolas Schützinger so andächtig gemalt hat, als sei es ein Altar. Hier sieht alles viel besser aus. Und verpassen kann man auch (fast) nichts. Denn alle Absolventen der Akademie werden ab sofort ins K21 eingeladen. Die Ehre ist zugleich eine Riesenchance.
Wie, wann und wo?
„Planet 58. Absolvent_innen der Kunstakademie Düsseldorf“: bis 31. März in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, K21, Düsseldorf, Ständehausstr. 1. Di.-Fr. von 10 bis 18 Uhr, Sa./So. 11 bis 18 Uhr. Eintritt: regulär 12 Euro. Eintritt frei am KPMG-Kunstabend jeden ersten Mittwoch im Monat von 18 bis 22 Uhr. www.kunstsammlung.de