Von wegen bloß Nägel – Günther Uecker zieht seine ganz eigenen Kreise in den Sand | Zur Nacht der Museen anschauen!
Geduld! Der Krawall muss warten. Der Museums-Mitarbeiter erklärt uns, warum. Die Besucherführung, die just die surrende Sandmühle verließ und nun unter dem „Brief an Peking“ steht, hat Vorrang, denn wenn das Terrororchester einmal loslegt, versteht man sein eigenes Wort nicht mehr.
Zehn Minuten später wird klar, was er meint. 23 dicke rote Knöpfe gilt es per Fußdruck zu bedienen, jedes setzt ein anderes Gerät auf der Installationsfläche in Bewegung. Eine ohrenbetäubende Gameshow. Die Trommel einer alten Waschmaschine wummert. Ein Messer flippt in seinem Käfig aus. Ein Radio aus den 50ern dudelt, ein Hammer macht sich hämmernd selbstständig. Ein Stein tut es ihm nach und springt krachend übers Holz. Ein Wecker bimmelt gnadenlos. Aus einer Kiste quellen die Geräusche des Krieges. Nun, denkt man, soll ja ein netter Mensch sein, der Günther Uecker – in seiner direkten Nachbarschaft möchte man aber dann doch nicht leben.
Lärm? Bei einem wie Uecker wirkt das kleinkariert
Das ist natürlich kleinkariert. Im Medienhafen, wo sich das Atelier des 1930 in Mecklenburg geborenen Wahl-Düsseldorfers und ehemaligen Otto-Pankok-Studenten befindet, hat ja zumindest offiziell noch niemand die Flucht ergriffen. Aber vermutlich ist er auch ruhiger geworden, dieser Bild-Hauer und Kunst-Erfinder, Tüftler und Techniker, Einmischer und Weltverbesserer, dem die Kunstsammlung NRW nun endlich eine größere Werkschau widmet.
„Uecker“ heißt sie, und wer sie bisher nicht gesehen hat, sollte das dringend nachholen, ein Tipp für die Nacht der Museen. Es habe Uecker gefreut, dass eine Ausstellung mal sämtliche Arbeiten vereint, die heute über Sammler und Museen verstreut sind, erzählt man uns im Innern. Und so lehrt der Rundgang: Günther Uecker ist der Mann mit den Nagelbildern. Aber er ist noch viel mehr.
Terrororchester und Sandmühle
Rund 60 Werke sind zu sehen, thematisch auf zwei Säle verteilt. Der erste präsentiert große Installationen; darunter das Terrororchester, das zwischen den 60er und 80er Jahren entstand und knapp 30 kreischende, dröhnende, heulende, jaulende, Ohren malträtierende, Nerven strapazierende Klangobjekte vereint. Oder die Sandmühle (1970), die mit Akribie und verhältnismäßig geringem Lärmaufwand meditative Kreise in eine Sandfläche zieht. Aber da sind auch die eindeutig politischen Arbeiten, die raumgreifenden „Verletzungen – Verbindungen“ etwa, die aus Blättern mit Worten der Gewalt in vielen Sprachen bestehen. Daneben die langen Leinenbahnen, der „Brief an Peking“. Hier verewigte Uecker 1994 die Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen – derart verdichtet, dass man sie kaum entziffern kann.
Wie ein Wind im Kornfeld
Nebenan, im Klee-Saal, der pralle Uecker. Hier zeigt man die berühmten Nagelbilder, die der legendäre Düsseldorfer Galerist Alfred Schmela, der frühe Förderer, Kritikern in etwa so erklärte: „Ihr versteht das nicht. Das ist der Wind, der durch ein Kornfeld weht.“ In der Mitte geht es anhand von Künstlerbüchern, Dokumenta-Katalogen, Manifesten und anderem Schriftgut quer durch die Uecker-Vita. Vorbei am Zero-Manifest, das er mit Heinz Mack und Otto Piene verfasste, deren Gruppe er 1961, drei Jahre nach der Gründung, beitrat. Zero versetzte die Kunst in Bewegung, lehrte sie das Sausen, Summen, Blitzen und Fliegen. Wie zum Beweis lässt man sich unterwegs zwischen zwei Objekten mit Licht beschießen und versinkt schließlich in altem Filmmaterial. Einmal treibt der jugendliche Uecker geduldig Nägel ins Holz, mal quer, mal krumm, mal grade, auf dass sie sich zu jenen seltsam schwingenden Landschaften vereinen. Auf einem anderen eilt er nackt über einen Strand – verheddert sich in einem Haufen Tau. Einen Moment später fällt der Blick auf das Meer, den Himmel, den Horizont, Bilder von stiller Schönheit. Auch das ist Günther Uecker – Freak und Poet.
Hingehen. Jetzt!
Bis 10. Mai, Die-Fr 10-18 Uhr, Sa/So 11-18 Uhr. Kunstsammlung NRW, Grabbeplatz. Eintritt 12 Euro, ermäßigt 10 Euro, Katalog 34 Euro. Infos auf www.kunstsammlung.de
Zur Nacht der Museen, am Samstag, 18. April, ist die Uecker-Ausstellung bis 2 Uhr geöffnet. Experten laden zu Gesprächen vor den Werken ein. Alle Infos hierzu: www.nacht-der-museen.de, Info-Hotline 0211 8999555, Ticket-Hotline 0211 237001237. Karten für die Nacht der Museen kosten 14 Euro (ab 19 Uhr erhältlich in allen Museen).
Foto: Ingrid von Kruse