Ein neues Bild von Afrika: Walther Collection im K21
Endlich hat er mal wieder funktioniert, der amerikanische Traum: Als erfolgreicher Investment-Banker an der Wallstreet ist der Schwabe Artur Walther reich geworden. Reich genug, um in mittleren Jahren nur noch für seine Leidenschaft zu leben, das Sammeln von Fotokunst. In seinem Heimatort Burlafingen, einem Stadtteil von Neu-Ulm, eröffnete er 2010 ein schickes Museum ohne Massenpublikum, nur für angemeldete Besucher. Auch in New York leistet sich Walther einen „Space“. Mit vollen Händen bestückt der 73-jährige Mäzen in diesem Frühjahr eine grandiose Ausstellung um afrikanische Fotografie im Düsseldorfer K21: „Dialoge im Wandel“.
Okay, der Titel ist Trockenfutter. Wie man hört, sollte die Schau eigentlich verlockend „Look at Me“ (Guck mich an!) heißen. Aber das kuratorische Team hatte damit Probleme, weil das Anstarren im Leben von dunkelhäutigen Menschen zu oft als Belästigung empfunden wird. Die politische Korrektheit kann gelegentlich zu einer gewissen Verkrampfung führen. Aber das ändert nichts an der Kraft und Qualität dieses Schatzes von über 500 Bildern, die zudem äußerst reizvoll gehängt und präsentiert werden. Unbedingt zu empfehlen!
Bild der Gesellschaft
Was wir sehen, sind strenge Serien und ästhetische Klarheit. Eine Ordnung, die man in der europäischen Kunst oft vermisst, obwohl man sie zu schätzen weiß. Die Nähe der Konzepte wird an ein paar Beispielen vorgeführt. So hängen August Sanders ikonische Porträts von Typen aus der Weimarer Zeit – Pfarrer und Kunstgelehrter, Briefträger und Polizist – in einem kleinen Raum mit den sorgsam inszenierten Porträts, die Seydou Keïta in den 1950er-Jahren, zum Ende der französischen Kolonialherrschaft, von Bürgern der Hauptstadt Bamakos gemacht hat. Sie sitzen da in malerischen Gewändern vor ornamentalen Stoffen. Von Keïta fotografiert zu werden, bedeutete „Bamakois“ zu sein, schön und kosmopolitisch. Es ergibt sich ein Bild der Gesellschaft, ganz wie bei Sander.
Der südafrikanische Konzeptkünstler Santu Mofokeng (1956-2020) benutzte noch frühere Studioaufnahmen unbekannter Fotografen für eine Dia-Show, die er mit Texten ergänzte: „The Black Photo Album / Look at Me“. Man sieht ernsthafte und feingemachte Leute, die noch den Kolonialherrschaften ähnlich sein wollten. Manche konnten identifiziert werden: Margaret Monkoe zum Beispiel, geboren 1827, gestorben 1931, mit ihren Enkeln Shomang, Thula und Paul. Andere bleiben ein Rätsel, „Who were these people?“ fragt der Künstler.
Das strenge Konzept
Das fragt man sich oft, die Bilder erzeugen Neugier, eine Lust auf leibhaftige Begegnung. Wer sind die Männer und/oder Frauen, die uns ansehen auf den Porträts von Zanele Muholi, die/der sich non-binär beschreibt, keinem Geschlecht angehören möchte? Muholi bezeichnet sich als „visuelle*n Aktivist*in“, ihre Kunst huldigt der queeren schwarzen Szene. Jodi Biebers Serie „Real Beauty (Wahre Schönheit)“ hingegen zeigt eindeutig üppige Frauen, die selbstbewusst in Dessous posieren – wie es ihnen gefällt. Der Wille des Fotografen war entscheidend bei den schwarz-weißen „Rückenansichten“ von Malick Sidibé. Gleich daneben hängt eine Serie von Hinterköpfen mit kunstvoll geflochtenen „Hairstyles“, die J.D. Okhai Ojeikere (1930-2014) im Nigeria der 1970er-Jahre gesammelt hat.
Etwa zur gleichen Zeit begann das Düsseldorfer Fotografenpaar Bernd und Hilla Becher mit ähnlicher Systematik, alte Industriebauten abzubilden. Die Becherschen „Wassertürme“ passen verblüffend gut zu den afrikanischen „Hairstyles“. Ebenfalls faszinierend ist eine Abfolge von Anzug-Herren mit Hemd und Krawatte, denen Edson Chagas aus Angola 2014 traditionelle holzgeschnitzte Masken verpasst hat. Herrlich irritierend!
Spiel der Identitäten
Das gilt auch für die „African Spirits“, die afrikanischen Geister des Samuel Fosso, 1962 in Kamerun geboren. Er präsentiert Afro-Amerikaner wie den Boxer Muhammad Ali, den Menschenrechtler Martin Luther King und die Black-Power-Heldin Angela Davis sowie andere Berühmtheiten. Oder was? Auf den zweiten Blick erkennt man: Es ist alles ein einziger Mann: Fosso, der Künstler selbst, in treffsicheren Verkleidungen. Ein Spiel um Identität.
Aber es geht nicht nur um das direkte Bild des Menschen in dieser spannenden Ausstellung. Es geht auch um das Land, geprägt von Dramen und Dürren, Fremdherrschaft und atemberaubender Schönheit. Die südafrikanische Fotografin Jo Ractliffe (61) spürte zwischen Eukalyptusbäumen und verlassenen Maisackern in Angola stille Stätten des Grauens auf: Schlachtfelder, Mienenfelder, Massengräber. „Die Länder am Ende der Welt“ heißt ihre Serie. Ihr Kollege Sabelo Mlangeni (42) untersucht hingegen die verschatteten Strukturen der sozial belasteten Metropole Johannesburg: Wie ein melancholischer Reporter durchstreift er die „Big City“. Eine Ausstellung wie eine Entdeckungsreise.
Was, wann und wo?
„Dialoge im Wandel – Fotografien aus The Walther Collection“: bis 25. September im K21, Düsseldorf, Ständehausstr. 1. Geöffnet D.-Fr. 10 bis 18 Uhr, Sa./So. 11 bis 18 Uhr. Eintritt; 12 Euro. Jeden 1. Mittwoch KPMG-Kunstabend 16 bis 22 Uhr, Eintritt frei. www.kunstsammlung.de