Krieg in der Ukraine – Mehr als 5000 Menschen protestieren in Düsseldorf gegen Putin
Aktualisierung 27.2. 8.30 Uhr | Am Samstagabend (26.2.), nach der Demo, wurde bekannt, das Deutschland in begrenztem Umfang Waffen an die Ukraine liefert und seine Haltung zuim Ausschluss Russland aus dem internationalen Swift-System geändert hat. | Der Schadowplatz in Düsseldorf – voller Menschen. Viele der mehr als 5000 aufgewühlten Menschen hier und in den Nebenstraßen halten das Handy griffbereit in der einen und das Protest-Plakat gegen den Aggressor Wladimir Putin in der anderen Hand. Sie wollen keine Nachricht aus ihrer Heimat verpassen. Denn viele haben Familie genau dort, wo russisches Militär in diesem Moment auf Menschen schießt, mit Panzern, Flugzeugen und Bodentruppen vorrückt und Raketen abfeuert. Zu der Demo am Samstag (26.2.) sind nicht, wie in den Wochen zuvor, nur wenige Dutzend gekommen. Sondern sehr, sehr viele.
Sie kritisieren Deutschland. Mit dem Kauf von Gas und Öl finanziere Deutschland unmittelbar den russischen Angriff. Und auch jetzt, während Krieg in der Ukraine ist, weigert sich die deutsche Bundesregierung offenbar als letzte Exekutive in Europa, Russland vom internationalen Zahlungssystem Swift abzuschneiden. Das verstehen die Ukrainer, die Belarusen, die Georgier nicht, die seit Jahren vor dem Angreifer aus dem Kreml warnen und nun auf so üble Weise Recht behalten haben. Nun rufen sie mehrfach und laut nach deutschen Waffen für das ukrainische Militär.
Durchhaltevermögen
Organisiert haben die Demo Menschen aus Belarus, die sich zu Beginn bei allen Bürgern der Ukraine entschuldigen: „Wir hätten viel mehr tun müssen, bitte verzeiht uns.“ Viele Monate haben sie an die Unterdrückung und Lukaschenko-Diktatur in Düsseldorf erinnert – in ganz kleinem Kreis. Dass an diesem Samstag tausende gekommen sind, belohnt auch ihr Durchhaltevermögen.
Deutsche Politiker aus dem Bundestag, dem Düsseldorfer Landtag und aus Düsseldorf bemühen sich um Schadenbegrenzung – und um Solidarität mit denen, die um das Leben ihrer Liebsten im Kriegsgebiet bangen. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst, CDU, hatte sich angesagt, erscheint aber nicht. Er wird von seinem Vize, Joachim Stamp, FDP, auf dem Schadowplatz in Düsseldorf vertreten. Stamp spricht von den „ukrainischen Geschwistern“ und ihrem Leiden. Und er schwört die deutschen Verbraucher ein: Es sei pervers, angesichts des Krieges in der Ukraine sich hierzulande über steigende Benzinpreise zu sorgen.
Nun müssten die Ukrainer bestmöglich unterstützt werden. Stamp versichert, die Landesregierung habe alles vorbereitet, um geflüchtete Menschen aus der Ukraine aufzunehmen. Dann wendet er sich an die vielen Russlanddeutschen im Land. Sie sollten nicht den Fehler machen und auf die Propaganda aus Moskau hereinfallen. „Russia Today“ sage nicht die Wahrheit. Zugleich betonte Stamp aber auch, dass man nicht das russische Volk für diesen Angriffskrieg verantwortlich machen könne. „Es ist Wladimir Putin, der Familienväter aus Russland auf Familienväter in der Ukraine schießen lässt.“
Der grünen Bundestagsabgeordneten aus Düsseldorf, Sara Nanni, schlagen einige Pfiffe und Buhrufe entgegen. Sie gelten der grünen Außenministerin, die unter anderem begründet hatte, warum Deutschland zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht das Zahlungssystem Swift als Druckmittel einsetzen will. Nanni appelliert, dass man sich nicht auseinanderdividieren lassen dürfen: „Denn dann hat Putin eines seiner wichtigsten Ziele erreicht.“
Etwas später spricht der grüne Landtagsabgeordnete Stefan Engstfeld und kritisiert mit scharfen Worten die Ampelkoalition in Berlin. Die Position zu Swift sei zynisch. Er verstehe nicht, wie man angesichts des Krieges davon sprechen könne, dass Deutschland ohne Swift seine Öl- und Gasrechnungen nicht mehr bezahlen könne. Mit rauer Stimme sagt Engstfeld ins Mikrofon, dies müsse korrigiert werden.
Und noch ein weiterer Düsseldorfer Politiker, SPD-Chef Oliver Schreiber, setzt sich von einem der einstmals großen in der eigenen Partei ab. Schreiber mangelt den für den aufsichtsrat von Gazprom nominierten Gerhard Schröder, für dessen Kumpanei mit Putin. Er schäme sich dafür. Der SPD-Landtagsabgeordnete Josef Neumann bekommt auf dem Schadowplatz einen Sonderapplaus. Er besuchte regelmäßig die Demonstrationen der Belarussen gegen ihren Machthaber Lukaschenko. Hinter dem Angriff von Putin auf die Ukraine stecke die Furcht vor einem Bazillus. Neumann: „Putin fürchtet die Demokratie – auch und vor allem im eigenen Land.“
In Düsseldorf wehen zwei Banner von Ländern, in deren Geschicke sich Russland massiv eingemischt hat. Dass minutenlang ein Hubschrauber der Polizei über dem Schadowplatz steht, bringt den Krieg akustisch näher. Wie kann eine Polizeieinsatzleitung so etwas anordnen? Rings um den Platz gibt es zahlreiche Balkone und Dachterrassen, von denen aus Polizeibeamte die Großdemo hätten viel besser verfolgen können, anstatt einen knatternden Hubschrauber in niedriger Höhe über der Menschenmenge stehen und die Redebeiträge unhörbar machen zu lassen.
Zudem riegelt Bereitschaftspolizei den Zugang von der Königsallee zum Schadowplatz ab. Wer nur zum Schaufensterbummel durchschlendern will wird gebeten, einen Umweg zu gehen. Wer mit fester Stimme sagt, er wolle zu Breuninger, um zu shoppen – darf passieren. Das sind deutsche Probleme, während im Osten Europa ein Krieg angezettelt wurde.