Nüchterne Ansichten: Fotos von August Sander und den Bechers in Düsseldorf-Kaiserswerth
Er hielt nichts von Schönfärberei. Mit sachlichem Blick porträtierte der aus Westfalen stammende Fotograf August Sander (1876-1964) die Menschentypen der 1920-Jahre. Was viele nicht wissen: Sander dokumentierte in einem ähnlichen Stil auch Landschaften und Gebäude. Seine Bilderserien vom Niederrhein passen vortrefflich zum strengen Konzept von Bernd & Hilla Becher, die im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts als Professoren-Paar die Düsseldorfer Fotoschule prägten. Eine feine Ausstellung im Kunstarchiv Kaiserswerth bringt beide Perspektiven zusammen.
Jeder Spaziergänger, der im idyllischen Norden von Düsseldorf von der Kaiserpfalz über den Stiftsplatz bummelt, ist hier schon vorbeigegangen: Im sanftgelb gestrichenen Haus neben der alten Schule, wo die Bechers wohnten und arbeiteten, entstand nach ihrem Tod (er starb 2007, sie 2015) ein stilles Kulturinstitut im Geiste der Fotoschule. An Wochenend-Nachmittagen steht die Tür für das Publikum offen. Ein Ort der Seelenruhe.
Kein Platz für Romantik
Kein Mensch ist zu sehen auf den rund 50 schwarz-weißen Sander-Fotografien, die aus der Sammlung der Kölner Sparkassenstiftung entliehen wurden. Sander, der damals in Köln lebte, hatte vornehmlich für einen 1935 erschienenen Bildband „Am Niederrhein“ allerlei Uferstreifen, Burgen, Ortschaften und Fabriken fotografiert. Er arbeitete nüchtern wie ein Vermessungsingenieur, ohne romantische Gefühle hielt er fest, was er bemerkenswert fand: Blickachsen, Baumreihe, Schornsteine, die Zustände von Schlossfassaden und Kirchtürmen.
Etwas irritierend ist das 1938 unter dramatischem Himmel aufgenommene Band der Autobahnbrücke, die das Neandertal zerschneidet und ein Prestige-Objekt der Nationalsozialisten war. Für Propaganda-Zwecke ließ sich Sander, dessen Sohn Erich als Kommunist verhaftet worden war, sicher nicht einspannen. Aber er versuchte, im Unverfänglichen zu arbeiten, nachdem die Nazis seinen 1929 erschienenen Porträtband „Antlitz der Zeit“ hatten beschlagnahmen und vernichten lassen. Sanders’ Sachlichkeit passte nicht ins pathetische Menschenbild.
Die unbeachteten Formen
Dem Pathos zu misstrauen war auch Jahrzehnte später für das Ehepaar Becher noch eine Selbstverständlichkeit. Einige großformatige Abzüge zeigen Beispiele ihrer bewusst farblosen Werkreihen, die in erster Linie die unbeachteten Bauwerke der Industrie würdigte. Bevor der Düsseldorfer Hafen in den 1990er-Jahren zum schicken Medienstandort und Amüsierviertel werden sollte, fotografierten sie Getreide-Silos, Lastkräne und die durchaus repräsentativen Lager- und Verwaltungsbauten am Rhein. Auch auf diesen Fotos gibt es keinen menschlichen Trubel. Es geht um die gebaute Form, um Abstufungen von Grau. Nichts Betörendes und doch ikonisch: Becher eben.
Nur an Wochenenden geöffnet
„Kulturlandschaft Niederrhein – Düsseldorf Rheinhafen. Fotografien von August Sander und Bernd & Hilla Becher“: bis 29. Mai im Kunstarchiv Düsseldorf-Kaiserswerth, Stiftsplatz (Eingang Stiftsgasse 2). Geöffnet Fr., Sa. und So. von 14 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.