Seele aus Holz: „Michael K.“ ist im Schauspiel Düsseldorf angekommen
Es war eine dieser seltsamen Ersatzhandlungen, zu denen die Pandemie uns zwingt. Weil das Ensemble nicht reisen durfte, wurde die Uraufführung von „Leben und Zeit des Michael K.“ zur Eröffnung des Festivals „Theater der Welt“ im Juni im Live-Streaming aus Kapstadt auf die Düsseldorfer Bühne übertragen. Berührend, aber so fern. Umso schöner ist es, dass man, bis neue Corona-Maßnahmen die Kultur womöglich erneut abwürgen, das südafrikanische Baxter Theatre mit der grandiosen Handspring Puppet Company jetzt leibhaftig in Düsseldorf erlebt werden darf.
Leibhaftig? Nun, der Held ist nicht aus Fleisch und Blut. Michael K. kommt als hölzerner Bengel, gerade mal so groß wie ein Kind. Er wird zu Anfang in einem Tuch auf die Bühne getragen und fängt dann an sich zu regen und zu leben bis in die Fingerspitzen – als würden die drei menschlichen Kollegen, die ihn mit tänzerischer Harmonie bewegen, ihre eigene Seele auf die Puppe übertragen. Einer gibt Michael dazu seine Stimme, und sie gehört ganz dem dürren Kerlchen mit dem kantigen Antlitz. Solch eine Kunst hat man hier sehr lange nicht gesehen, vielleicht noch nie.
Den Träumen folgen
Mit großem Ernst und Konzentration erzählt das Ensemble unter der Leitung von Lara Foot die Geschichte eines bitterarmen Sonderlings, der mit einer Lippenspalte geboren wurde und mitten in einem Bürgerkrieg seinen Gärtnerjob aufgibt, um die todkranke Mutter (ebenfalls eine markante Puppe) auf einem Schrottkarren in ihre ländliche Heimat zu bringen. Als sie stirbt, folgt er weiter ihren und seinen Träumen – halb verhungert, in großer Gefahr, zu arglos, doch unbeirrbar und innerlich frei.
Es ist nichts Cooles, spritzig Junges an dieser Produktion. Das einfache Bühnenbild zeigt eine rissige Hausruine, auf der sich, wenn es Sinn macht, in sehr ruhigen, wunderschönen Videos ganze Landschaften auftun. Das Ensemble wechselt Rollen und Sprachstile mühelos, ohne überflüssige Gags, und kehrt in klaren Zitaten immer wieder zurück zu J. M. Coetzees Roman, der dem Drama zugrunde liegt. Man fühlt sich tief bereichert.
Unbedingt ansehen!
„Leben und Zeit des Michael K.“, eine Produktion des Baxter Theatre Centre und der Handspring Puppet Company aus Kapstadt unter Leitung von Lara Foot ist zu Gast im Düsseldorfer Schauspielhaus. Weitere Vorstellungen (englisch, mit deutschen Übertiteln) sind für den 10. und 12. Dezember sowie im Februar geplant – falls Corona es gestattet. www.dhaus.de