Bürgergutachten der Evangelischen Kirche Düsseldorf: „Predigt weniger und handelt mehr“
Es war eines der größten Gutachten, die das Institut für Demokratie- und Partizipationsfoschung der Bergischen Universität Wuppertal erstellt hat: Das von Kirchenkreis der Evangelischen Kirche Düsseldorf beauftrage Bürgergutachten. Ein für Katholiken unvorstellbaren Vorgehen wurde seit rund zwei Jahren in Düsseldorf praktiziert. Zufällig ausgewählte Mitglieder der Evangelischen Kirche und Bürger*innen der Stadtgesellschaft im Alter zwischen 14 und 81 Jahren erarbeiten ihre Sicht auf die Evangelische Kirche und ihre Erwartungen. Superintendent Heinrich Fucks fasste den Auftrag kurz zusammen „Werden wir überhaupt noch gebraucht?“. Die Antwort gab es am Sonntag (31.10.) bei der Präsentation des Gutachten und sie lautete „ja“, aber auch mit dem Hinweis „Predigt weniger und handelt mehr“.
Die rund 200 Teilnehmer*innen waren in verschiedene Gruppen aufgeteilt: Gemeindemitglieder, Jugendliche und Bürger*innen. Die Aufgabenstellung sah eine sehr diverse und vielfältige Zusammensetzung vor, um ein möglichst ausführliches Ergebnis zu erhalten. Fragestellungen waren:
- Welche Grundbedürfnisse haben Menschen in Düsseldorf?
- Wo und wie leben und erleben Menschen Glauben in Düsseldorf?
- Wie kann die Evangelische Kirche den Bedürfnissen der Menschen in Düsseldorf begegnen?
Coronabedingt konnte das Projekt erst verspätet starten und die Teilnehmer*innen kamen anfangs nur in Videokonferenzen zusammen. Doch mit viel Engagement entstand in zehn Veranstaltungen, die jeweils über vier Tage gingen, das Bürgergutachten, das von vielen mit Spannung erwartet wurde. So fanden sich zur Präsentation neben dem Führungskreis der Kirche und den Teilnehmer*innen auch zahlreiche Vertreter*innen der Politik ein. Oberbürgermeister Dr. Stephan Keller war explizit eingeladen worden, da ihm das Gutachten als Empfehlung für zukünftiges handeln angedient wurde.
Als Schwerpunkte empfahl das Gutachten, dass die Evangelische Kirche mehr politische und soziale Verantwortung übernehmen soll und ihren Werteansatz „Kirche als Fürsprecher“ stärker vertreten sollte. Außerdem sollen Begegnungsorte und -räume für alle Menschen zur Verfügung gestellt werden. Auch Themen wie Klimawandel, Stadtentwicklung und Infrastruktur sollten von der Evangelischen Kirche aufgegriffen und mit Leben gefüllt werden.
Die Teilnehmer*innen wünschten sich eine Betreuung von Jugendlichen in Sprache, Projekten und Aktion sowie Seelsorge in allen Lebensphasen. Bestehende Angebote sollten ausgebaut werden, dabei eine persönliche Ansprache und Willkommenskultur gelebt und eine Verknüpfung der Religionen erreicht werden. Mitmenschlichkeit und Fürsorge sei eine wichtige Aufgabe der Evangelischen Kirche, aber sie müsse sich auch klar positionieren, ihre Stimme laut erheben und entsprechend Handeln. Als Leitlinien sind im Gutachten Inklusion, Diversität, Integration, Weltoffenheit und Antidiskriminierung formuliert. Im Bildungsbereich erwarten die Menschen mehr Engagement und eine Vorreiterrolle. Kommuniziert werden sollten die Aktivitäten durch eine bessere Öffentlichkeitsarbeit
Das Ziel der Klimaneutralität bis zum Jahr 2035 sehen die Macher des Gutachtens als Gesellschaftspolitische Aufgabe und damit auch als Verantwortung der Kirche.Die Bewahrung der Schöpfung durch vorbildhafte Beiträge zum Klimaschutz und zur Biodiversität wurde den Verantwortlichen ebenso ins Pflichtenheft geschrieben, wie die Rückkehr zur echten Gemeinnützigkeit. Die Kirche solle eine authentische Wertegemeinschaft sein, ohne zu missionieren, dabei seien Transparenz und Glaubwürdigkeit wichtige Faktoren. Im öffentlichen lokalen Raum solle man sich selbstbewusste zeigen, offen, digital und nahbar. Zusammengefasst eine „Kirche für alle“ – tolerant, vorurteilsfrei und barrierefrei. „Predigt weniger und handelt mehr“ steht in der Zusammenfassung.
Superintendent Heinrich Fucks freute sich über das Ergebnis des Gutachtens, obwohl er bei einigen Punkten Herausforderungen sieht, das Angebot zu vergrößern, obwohl der Kirchenkreis mit deutlich weniger Ressourcen auskommen muss. Bestätigt sieht er sich im seinem Engagement in der Vergangenheit, bei dem die Evangelische Kirche sich offensiv an Demonstrationen zum Thema Wohnen, Menschenrechte, Antisemitismus und Rettungsaktionen für Geflüchtete beteiligt hat. Am 20. November werden der Kreissynode, dem Auftraggeber des Gutachtens, die Ergebnisse vorgestellt. Hier wird dann diskutiert werden, welche Schlüsse man daraus zieht und Maßnahmen formulieren.
Wer das Gutachten im Detail lesen möchte, kann es hier einsehen.