Düsseldorf erinnert an den Beginn der Deportationen im Herbst 1941
In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Einstellung zu den Geschehen während der NS-Zeit und den Deportationen von Menschen gewandelt. Bis in die 70-er Jahre hat sich nicht wirklich jemand dafür interessiert. Doch das Bewusstsein ist seitdem ein anderes und so wird auch in diesem Jahr am 27. Oktober, dem Jahrestag des Beginns der Deportationen, gedacht. Vor 80. Jahren begannen die Deportationen, oft unter der Bezeichnung Evakuierung oder Verschickung getarnt. Die Gestapo ließ im Herbst 1941 in einer ersten “Welle” bis zum Jahreswechsel zehntausende Menschen in Ghettos und Lager im besetzten Polen oder in der Sowjetunion verschleppen. Die ersten drei Transporte, die ihren Ausgangspunkt in Düsseldorf hatten und über den städtischen Schlachthof und den Güterbahnhof im Stadtteil Derendorf abgewickelt wurden, führten in die Ghettos in Łódź, Minsk und Riga. Diese Deportationen fanden im Oktober, November und im Dezember 1941 statt und betrafen 3.002 jüdische Menschen aus dem ganzen Regierungsbezirk Düsseldorf. Weitere Deporationen folgten 1942.
An der Hochschule Düsseldorf (HSD) ist ein Erinnerungsort Alter Schlachthof entstanden. Dort legte Oberbürgermeister Dr. Stephan Keller gemeinsam mit der Präsidentin der HSD, Prof. Dr. Edeltraud Vomberg, dem Präsidiumsbeauftragen des Erinnerungsorts, Dr. Joachim Schröder, dem Mitglied des Vorstands der Jüdischen Gemeinde, Julia Blüm, dem Leiter des Nelly-Sachs-Hauses, Bert Römgens, dem Rabbiner Aharon Vernikovsky sowie dem Leiter der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf, Dr. Bastian Fleermann, am Mittwochmittag einen Kranz nieder.
Oberbürgermeister Dr. Stephan Keller: “Die Landeshauptstadt Düsseldorf und die Hochschule Düsseldorf setzen sich dafür ein, dass wir die Opfer dieser Massenverbrechen nicht vergessen. Der authentische Ort, an dem wir uns hier befinden, aber auch die vielen Berichte und Dokumente zeugen davon, wie der Holocaust inmitten unserer Städte begann. In Zeiten von zunehmendem Antisemitismus ist es mir persönlich ein wichtiges Anliegen, diese Erinnerung auch an unsere Gegenwart anzuknüpfen.”
Vortragsreihe
Vor 80 Jahren, im Oktober 1941, begannen die Deportationen deutscher Jüdinnen und Juden “nach Osten”. Mit einer dreiteiligen Vortragsreihe und einer Serie in den Sozialen Netzwerken wird an die Betroffenen und Opfer, aber auch an die Täter, die Profiteure und Zuschauer erinnert. Die drei Vorträge werden an den Historischen Jahrestagen in der Berger Kirche gehalten. Sie finden in Verbindung mit den diesjährigen “Aktionswochen gegen Antisemitismus” statt und wurden in Zusammenarbeit von der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf, dem Erinnerungsort Alter Schlachthof an der Hochschule Düsseldorf und der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Düsseldorf gestaltet.
Die meisten Menschen, die in Ghettos und Lager im besetzten Polen oder in der Sowjetunion verschleppt wurden, sahen ihre Heimat nie wieder. Sie wurden in den Ghettos eingepfercht und zur Zwangsarbeit herangezogen. Wer nicht mehr arbeitsfähig war, wurde getötet. Ab Frühjahr 1942 begannen die Deportationen von den Ghettos zu den Vernichtungsstätten.
In Vorträgen wird an die drei ersten Transporte 1941 gedacht. Die Veranstaltungen sind öffentlich, aber bereits ausgebucht. Die Inhalte werden zu einem späteren Zeitpunkt auf dem Youtube-Kanal der mahn- und Gedenkstätte zu sehen sein.
Ein Eindruck zu den Inhalten
“Deportiert nach Łódź am 27. Oktober 1941”
Hildegard Jakobs, stellvertretende Leiterin der Mahn- und Gedenkstätte, berichtet über die erste Deportation. Über diesen Transport hat Jakobs zusammen mit Angela Genger ein langjähriges Forschungsprojekt geleitet. Sie sind dabei den Spuren der Deportierten gefolgt und haben Fotografien, Briefe und Dokumente zusammengetragen. An 27. Oktober schildert sie die Vorgeschichte und Ablauf des Transports nach Łódź, die Ankunft und die Eingewöhnung an die Verhältnisse im Ghetto, Unterkunft, Versorgung und Arbeitsalltag. Anhand konkreter biographischer Beispiele, wie beispielsweise des Rabbiner Klein und seiner Frau Lilli, wird der Blick auf die betroffenen Menschen, ihr Leid, ihre Überlebenshoffnungen und ihre individuellen Lebensumstände in der Zwangsgemeinschaft des Ghettos gelenkt. Die stellvertretende Leiterin der Mahn- und Gedenkstätte vermittelt einen Einblick in den Völkermordes an der jüdischen Bevölkerung, der auch in Düsseldorf seinen Ausgang nahm.
“Deportiert nach Minsk: Der Transport vom 10. November 1941 in die weißrussische Hauptstadt”
Der Vortrag von Dr. Bastian Fleermann erläutert die Umstände der zweiten großen Deportation jüdischer Bürgerinnen und Bürger aus dem Regierungsbezirk. Dieser fand am 10. November 1941 statt und betraf 992 Menschen aus den drei Städten Düsseldorf, Essen und Wuppertal. Das 2012 aufgetauchte, recht umfangreiche Verlaufsprotokoll (“Bericht über Judenevakuierung”) eines Düsseldorfer Schutzpolizeioffiziers, der mit seinen Beamten den Transport begleitete und bewachte, ermöglicht als unmittelbare Quelle Einblicke in den Ablauf und die Organisation einer solchen Verschleppung aus Sicht eines beteiligten Täters.
“Verschleppt nach Riga: Die Deportation am 11. Dezember 1941”
Dr. Joachim Schröder, Leiter des Erinnerungsortes Alter Schlachthof, wird in seinem Vortrag über den Verlauf der dritten Massendeportation aus dem Regierungsbezirk Düsseldorf berichten. Sie nahm, wie die ersten beiden Deportationen, am Düsseldorfer Schlachthof ihren Ausgang. Die Gestapo verschleppte 1.007 Jüdinnen und Juden, überwiegend aus dem linksrheinischen Gebiet, in das Ghetto in Riga. Der Transport hat es durch den überlieferten, zynischen Bericht des Polizei-Offiziers Salitter, der ihn mit seinen Beamten überwachte, zu einer gewissen Berühmtheit gebracht. Anhand verschiedener Augenzeugenberichte von Überlebenden wie Hilde Sherman-Zander, Sophie Nathan, Liesel Ginsburg, Irene Dahl, Ilse Rübsteck und anderen wird das Leben und Überleben im Ghetto von Riga anschaulich geschildert.
Social-Media-Aktion
Gemeinsam mit dem Erinnerungsort Alter Schlachthof hat die Mahn- und Gedenkstätte eine Aktion auf ihren Social-Media-Kanälen gestartet: Seit Ende August läuft dort die Serie “Deportiert 1941”. Auf Instagram und Facebook können die User*innen noch bis zum 15. Dezember den Weg von drei Familien (Familie Klein, Familie Herz und Familie Nathan) nachvollziehen, die in die Ghettos Lodz, Minsk und Riga verschleppt wurden. Auf Facebook hier und über Instagram unter “mahn_und_gedenkstaettedus”. Weitere Infos zur “Aktionswoche gegen Antisemitismus” gibt es unter www.aktionswochen-gegen-antisemitismus.de