Stadt Düsseldorf ehrt Rachel Salamander mit dem Heine-Preis 2020
Seit 1972 verleiht die Stadt Düsseldorf den Heine-Preis, der mittlerweile zu den bedeutendsten Literatur- und Persönlichkeitspreisen in Deutschland zählt. Der Preis wird im Sinne Heines an Persönlichkeiten verliehen, die den sozialen und politischen Fortschritt fördern und der Völkerverständigung dienen. Coronabedingt konnte im vergangenen Jahr keine Preisverleihung stattfinden. Deshalb wurde die Preisträgerin 2020, Rachel Salamander, am Sonntag (29.8.) im Rahmen eines Festaktes im Düsseldorfer Schauspielhaus geehrt. Die Laudatio hielt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Oberbürgermeister Stephan Keller nahm die Ehrung vor.
Der Preis und die Jury
Der Preis wird durch eine vom Rat der Landeshauptstadt Düsseldorf eingesetzte Jury vergeben und ist mit 50.000 Euro dotiert. Der Heine-Preis-Jury 2020 gehörten der damalige Oberbürgermeister Thomas Geisel als Vorsitzender, Kulturdezernent Hans-Georg Lohe, die Direktorin des Heinrich-Heine-Institus Dr. Sabine Brenner-Wilczek, die Fraktionsvertreter*innen Georg Blanchard, Cornelia Mohrs, Dr. Susanne Schwabach-Albrecht und Karin Trepke, als entsandte Mitglieder Felix Droste und Prof. Dr. Anja Steinbeck sowie als Fachjuror*innen Dr. Traudl Bünger, Reinhard Gorenflos, Jochen Hieber und Dr. Florian Höllerer an.
Ihre Entscheidung für Rachel Salamander begründete die Jury so: “Der Heine-Preis der Landeshauptstadt Düsseldorf 2020 wird an Rachel Salamander verliehen. Die Literaturwissenschaftlerin und Publizistin hat couragiert maßgeblich zum Wiederaufbau des jüdischen intellektuellen Lebens nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland beigetragen. Als Unternehmerin holte sie mit ihren Literaturhandlungen all die jüdischen Autorinnen und Autoren, deren Bücher einst verbrannt worden waren, in den Kanon deutscher Literatur zurück. In Zeitungen und Zeitschriften diskutiert sie öffentlichkeitswirksam über die Bedeutung von Literatur und setzt sich ganz im Sinne Heinrich Heines für Völkerverständigung und gegen Antisemitismus ein.”
Preisverleihung im Schauspielhaus
In seiner Laudatio im Schauspielhaus führte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier aus: “Rachel Salamander war und ist eine der bedeutendsten Ermöglicherinnen des deutschen Geisteslebens der letzten Jahrzehnte. Ihr erfolgreiches Wirken besteht vor allem darin, dass sie bei allem, was sie tut, nie ihre eigene Person in den Mittelpunkt stellt, sondern immer andere zur Wirkung bringt.”
Rachel Salamander: “Was Heine nicht mehr lebte, literarisierte er. Ein Hauch von Wehmut schwebt auch deswegen über der Prinzessin Sabbat. Ihm, dem die jüdische Lebenswelt abhanden gekommen war, wurde sie zu Literatur: Was sich nicht an Judentum leben lässt, wird im Text lebendig. Viele nach ihm werden so verfahren.”
Rachel Salamander: “Was Heine nicht mehr lebte, literarisierte er. Ein Hauch von Wehmut schwebt auch deswegen über der Prinzessin Sabbat. Ihm, dem die jüdische Lebenswelt abhanden gekommen war, wurde sie zu Literatur: Was sich nicht an Judentum leben lässt, wird im Text lebendig. Viele nach ihm werden so verfahren.”
Vita Rachel Salamander
Rachel Salamander wird am 30. Januar 1949 im bayerischen Deggendorf geboren. Ihre Eltern Rywa und Samuel Salamander lebten damals in einem DP-Camp. Das ist die Bezeichnung für „Displaced Persons“ (Dps), in denen am Ende des Zweiten Weltkriegs Millionen von verschleppten oder deportierten Menschen in Mitteleuropa gesammelt wurden, die sich nach der Befreiung durch die Alliierten außerhalb der Grenzen ihrer Heimatländer wiederfanden. Die Eltern hatten den Holocaust in der Sowjetunion überlebt. Ihre Mutter stirbt bereits als Rachel noch keine fünf Jahre alt ist. Der Vater lebt mit ihr und dem älteren Bruder Borys bis 1956 im letzten “DP-Camp” in Föhrenwald und anschließend in München.
An der Ludwig-Maximilian-Universität München studiert Rachel Salamander Germanistik, Philosophie und Romanistik. Dabei interessiert sie sich bereits früh für deutsch-jüdische Literatur und Geschichte. Sie promoviert in der Fachdisziplin Germanistik.
1982 eröffnet Rachel Salamander eine Fachbuchhandlung für Literatur zum Judentum in der Münchner Maxvorstadt, in der Nähe der Universität. Seit der Zeit des Nationalsozialismus etabliert sie dort erstmals wieder eine Fachbuchhandlung zum Judentum, zu der auch ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm gehört. Das Stammhaus der “Literaturhandlung” ist inzwischen fester Bestandteil des Jüdischen Museums München. Hinzukommen weitere Niederlassungen in anderen deutschen Städten.
Für die „Literarische Welt“ als Literaturbeilage der WELT ist Rachel Salamander von 2001 bis 2021 die Herausgeberin, bis sie 2013/14 zur Literaturredaktion der Frankfurter Allgemeine Zeitung wechselt und dort das neu geschaffene “F.A.Z.-Literaturforum” leitet. Nach dem Tod von Marcel Reich-Ranicki Zudem führt sie die Frankfurter Anthologie in veränderter Form fort.
Seit 2015 ist Rachel Salamander Aufsichtsratsmitglied im Suhrkamp Verlag.
Für ihr Schaffen wurde Rachel Salamander mehrfach ausgezeichnet. So erhielt sie unter anderem 1999 den Kulturellen Ehrenpreis der Stadt München, in den Jahren 2000 und 2009 Bundesverdienstkreuze. 2004 wurde ihr der Bayerische Verdienstorden verliehen, 2013 der Schillerpreis. Seit 2019 ist sie zudem Ehrenbürgerin der Stadt München.
Bisherige Preisträger
Der Preis, den Düsseldorf als Vaterstadt zu Ehren des 1797 geborenen Heinrich Heine gestiftet hat, wurde zum 22. Mal vergeben. Bisherige Heine-Preisträger sind: Carl Zuckmayer (1972), Pierre Bertaux (1975), Sebastian Haffner (1978), Walter Jens (1981), Carl Friedrich von Weizsäcker (1983), Günter Kunert (1985), Marion Gräfin Dönhoff (1988), Max Frisch (1989), Richard von Weizsäcker (1991), Wolf Biermann (1993), Wladyslaw Bartoszewski (1996), Hans Magnus Enzensberger (1998), W.G. Sebald (2000), Elfriede Jelinek (2002), Robert Gernhardt (2004), Amos Oz (2008), Simone Veil (2010), Jürgen Habermas (2012), Alexander Kluge (2014), A. L. Kennedy (2016) und Prof. Dr. Leoluca Orlando (2018).