Kommentar: Obdachlose gehören zu Düsseldorf – aber niemand will sie vor der eigenen Tür
Um den Worringerplatz ist eine Diskussion entbrannt, die ein generelles Problem der Stadt aufzeigt. Obdachlose Menschen und Drogenabhänge suchen Orte, an denen sie sich treffen können, ihre Sozialkontakte pflegen und auch für Sozialarbeiter erreichbar sind. Diese Orte werden in Düsseldorf immer weniger, da die „Menschen mit Lebensmittelpunkt Straße“ (wie sie im Sprachgebrauch der Stadtverwaltung heißen) für viele nicht ins Stadtbild passen. Anwohner beschweren sich, Geschäftsleute klagen darüber, dass ihre Kunden abgeschreckt werden, und dann hinterlassen sie auch noch Unrat und sind laut.
Treffpunkte für Obdachlose verschwinden immer mehr
Durch die Umgestaltung des Zentrums zu einer attraktiven Stadt für Touristen, Wirtschaftsvertreter und die Düsseldorfer*innen, passten an vielen Orten die Obdachlosen nicht mehr ins Konzept. Am Bertha-von-Suttner-Platz störten sie, der Immermannhof wurde umgebaut, das KAP1 bietet keinen Platz für die, der Bahnhofsvorplatz wird überplant und auch der Heinrich-Heine-Platz wird bald eine neue Optik erhalten. Viele zogen sich auf den Worringer Platz zurück, einer der wenigen Orte mit Sitzgelegenheiten, der zentral gelegen als Treffpunkt diente. Die Düsseldorfer Drogenhilfe ist gleich um die Ecke, wo es auch einen Drogenkonsumraum gibt.
Der Betreiber der Pizzeria auf dem Worringerplatz kennt die Lage seit 2005. Damals fing er mit einem mobilen Imbisswagen an, bevor er 2014 sein gläsernes Restaurant eröffnete. In der Presse lobte er bei der Eröffnung noch „Wir sind Nachbarn und kommen alle gut miteinander aus“. Diese Einstellung hat sich grundlegend geändert. Im August 2020 erhielt er die Genehmigung, den Bereich rund um sein Lokal mit einem Zaun abzutrennen. Dieser wurde im Juni 2021 errichtet. Dadurch fielen sämtliche Sitzgelegenheiten entlang des Worringer Platzes weg, die bei der Umgestaltung des Platzes im Jahr 2005 als grüne Lichtbänke aus Glasbausteinen installiert worden waren. Sie dienten den Obdachlosen als Aufenthalt und Treffpunkt. Streetworker von axept! und fiftyfifty berichten, dass sie schon in vielen Situation Konflikte zwischen Geschäftsleuten und Obdachlosen durch Gespräche klären konnten. In diesem Fall war aber keine Einigung möglich, der Gastronom beharrt auf seine Genehmigung und setzt sein Hausrecht durch.
Der Zaun wurde Inhalt einer Anfrage am 1. Juli 2021 im Rat, da auch das Gremium, das sich mit der Weiterentwicklung der Worringer Platzes für alle Bürger*innen beschäftigt, vom Zaunbau überrascht wurde. Die Verwaltung hatte die Genehmigung offenbar erteilt, ohne mit den politischen Gremien Rücksprache zu halten. Seitdem sind die Fronten verhärtet. Die Streetworker von fiftyfifty und axept! machten am Donnerstagmittag (12.8.) mit einer Aktion auf den Missstand aufmerksam. Sie stellten Palettenbänke an den Zaun, um neue Sitzmöglichkeiten zu schaffen.
Die Situation eskalierte, da der Betreiber des Lokals nicht nur ungefragt alle Anwesenden filmte, später auch noch handgreiflich wurde. Die Polizei rücke an und die Obdachlosen erhielten Platzverweise für 12 Stunden – damit ist das Problem aber nicht gelöst. Bürgermeister Josef Hinkel versuchte sich am Mittag als Schlichter und bot an, die Beteiligten zu einem Runden Tisch einzuladen um die Lage zu klaren. Gegenüber Ddorf-aktuell machte Hinkel aber auch deutlich, dass er den Lokalbetreiber im Recht sieht, denn die Genehmigung sei ja erteilt worden.
Stadtverwaltung, Politiker und Streetworker müssen sich dringend an einen Tisch setzten und dabei klären, wem die Flächen in Düsseldorf gehören. Haben die Obdachlosen kein Recht auf Aufenthalt im öffentlichen Raum? Beziehungsweise sind ihre Rechte geringer als die eines Gastronomen, der aktuell noch nicht einmal Nutzungsgebühr für einen Platz bezahlt, der vorher für die Allgemeinheit war? Die Versuche der Stadt, attraktive Flächen zu schaffen, gehen an den Ärmsten der Gesellschaft vorbei, die keine Lobby haben. Diese Menschen darf man nicht wie eine Plage behandeln und sie überall verscheuchen.