Düsseldorf: Sammlung Philara feiert die künstlerische Kraft der Frauen
Die Absicht wird nicht so ganz klar. Nur aus einem spröde formulierten und winzig bedruckten Doppelblatt kann man schließen, dass sich die Sammlung Philara mit ihrer Ausstellung „Mirrors and Windows“ dem, so heißt es, „hundertjährigen Jubiläum der Zulassung von Frauen“ an der Akademie Düsseldorf widmet. Ein wichtiges kunsthistorisches Thema, was aber nur als Gedanke über der Präsentation schwebt. Auch über die beteiligten 18 Künstlerinnen, allesamt ehemalige und aktuelle Professorinnen, lernt man wenig. Aber die Schau in Düsseldorfs coolster Kunst-Location ist wieder mal toll.
Während in öffentlichen Institutionen die beteiligten Wissenschaftler*innen jahrelang an dicken Katalogen arbeiten, hat ein privates Haus wie die Sammlung der Familie Bronner schlankere Konzepte. Weniger Worte, weniger Didaktik, mehr pure Kunst. Ein Besuch in der umgebauten Glasfabrik an der Birkenstraße ist immer ein Erlebnis für alle, die Lust haben, sich auf zeitgenössische Ideen einlassen und selbst darüber nachzudenken.
Die Schlüssel zur Macht
Gleich vorne, in der verspiegelten Eingangshalle, hängt ein riesiger Schlüsselbund an einem Industrie-Karabiner von der Decke: ein Objekt der Bildhauerin Ritas McBride, die mit diesem einfachen Symbol über Teilhabe und Macht reflektiert. Wer die Kontrolle über die Schlüssel hat, kann entscheiden, welche Tür offensteht, wer dabei sein darf. Die Amerikanerin selbst hatte es bekanntlich geschafft: Nach Gastprofessuren in München und Paris war sie von 2013 bis 2017 Rektorin der Düsseldorfer Kunstakademie, erst die zweite Frau nach Irmin Kamp, die in den 1980er-Jahren an der Spitze der renommierten Hochschule stand.
An der Wand hängen monumentale Textilcollagen, mit denen die 43-jährige Professorin Yesim Akdeniz ein ironisches „Selfportrait as an Orientalist Carpet“ (Selbstporträt als Orientteppich) geschaffen hat. In der Serie verarbeitet sie Polsterstoffe mit Knöpfen, Fransen, Reißverschlüssen, benutzt also Materialien häuslicher Gemütlichkeit und führt sie ad absurdum. In den Nebenräumen wird die Atmosphäre noch dichter. Malerei-Professorin Sabrina Fritsch (42), die im letzten Jahr als Landsberg-Preisträgerin einen Saal des Kunstpalastes spektakulär verwandelt hatte, schafft hier durch eine konstruktivistisch klare Bemalung von vier Wänden eine einmalige Umgebung für ihre abstrakten Bilder, die das Auge durch feine Unschärfe irritieren.
Schattenspiel im roten Licht
Die Schatten spielen mit in der 2006 entworfenen Lichtinstallation „Metropolis“ von Nan Hoover.
Hinter einem Vorhang öffnet sich ein zweiter Raum als Gesamtkunstwerk: Aus schwarzen Stelen und roter Beleuchtung wurde die Installation „Metropolis“ rekonstruiert. 2006, zwei Jahre vor ihrem Tod, hatte die amerikanische Video- und Lichtkünstlerin Nan Hoover (1931-2008), eine emeritierte Düsseldorfer Akademie-Professorin, dieses magische Werk entworfen. Die Schatten der Besucher spielen mit. Sie huschen wie flüchtige Passanten zwischen den dunklen Blöcken, die an Hochhäuser erinnern.
In den white cubes auf der anderen Seite geht es strenger zu. Aus Transportkisten und Stahlseilen hat die in Berlin lebende und in Düsseldorf lehrende Bildhauerin Franka Hörnschemeyer eine Konstruktion gemacht, die schwere Dinge scheinbar in der Schwebe hält („Transponder 121“). Die Israelin Keren Cytter (43), Professorin für Freie Kunst, kombiniert feine Zeichnungen mit beunruhigenden Videos über einen Streit zwischen Liebenden, der offenbar blutig endet.
Gefühle aus der Vergangenheit
Eine Zimmerecke als Kunstinstallation: „Nos Années 70“ von Dominique Gonzalez-Foerster.
Ganz still kommt die Erzählung der ebenfalls mehrfach begabten Bildhauerei-Professorin Dominique Gonzalez-Foerster (56). Sie zelebrierte „Nos Années 70“ (unsere 70er-Jahre) 1992 mit einer rot bezogenen Matratze vor einer lila Wand. Ein paar private Fotos, ein paar Bücher in der Ecke und ein leicht kitschiger Wandbehang ergänzen das Denkmal für ein vergangenes Lifestyle-Gefühl. Beängstigend sind frühe Ölbilder der heute 83-jährigen Professorin Rissa, bürgerlich Karin Götz, die Ende der 1960er-Jahre ganz dezent ihre Visionen von Gewalt malte: eine Hand, rot von der Flamme einer „Kerze“, eine andere Hand, deren Finger gleich von einem „Messer“ zerschnitten werden könnten.
Manche der beteiligten Frauen sind weltberühmt geworden. Hilla Becher (1931-2007) leitete mit ihrem Mann Bernd die Fotografie-Klasse der späteren Stars. Jede*r kennt auch Katharina Grosse, die nach ihrer Professur in Düsseldorf nun in Berlin und dem Rest der Welt viel Aufsehen erregt durch kraftvolle Farbmalerei, von der man bei Philara ein Beispiel sieht. Oder Rosemarie Trockel, 2016 emeritierte Professorin, die ihre Konzepte stricken ließ. Von ihr stammt ein 1986 entstandenes Objekt aus einem platten Torso-Kleiderbügel und wollenen Pulloverärmel mit blutrotem Bündchen, gewidmet den lieben, vermutlich männlichen Kollegen: „My Dear Colleagues“. Maliziös …
Was, wann, und wo?
Die Sammlung Philara mit der Sonderausstellung „Mirrors and Windows“ (bis 3. Oktober) ist vier Tage in der Woche geöffnet: Do. 14 bis 18 Uhr, Fr. 14 bis 20 Uhr, Sa. und So. 14 bis 18 Uhr. Der Eintritt in das Haus im Hof der Birkenstraße 47a ist frei, Spenden werden begrüßt. Zu empfehlen ist auch ein Besuch des Skulpturengartens auf der Dachterrasse, wo ganz hinten ein Glaspavillon von Dan Graham für spiegelndes Vergnügen sorgt. Stärkung gibt es danach im Bulle Bistro, wo nicht nur der Käsekuchen köstlich schmeckt. www.philara.de
Fotos: Birgit Kölgen