Voller Hoffnung voraus: Schauspiel Düsseldorf plant die nächste Saison
Nichts kann fest versprochen werden. In der Pandemie haben wir uns alle an die Ungewissheit gewöhnt. Aber man darf ja mal, wie Generalintendant Wilfried Schulz formuliert, „so tun, als ob alles normal wäre“. Nach einer langen Zeit des nervösen Stillstands präsentiert das Düsseldorfer Schauspielhaus jetzt ein improvisiertes Festival namens „Theater der Welt“ und dazu einen echten Plan für die Saison 2021/22. Was da kommt, ist auf jeden Fall anstrengend, denn das Theater soll ja nicht mehr fein für Bildungsbürger sein, sondern „multiperspektivisch werden“ und „die Auseinandersetzung über gesellschaftliche und politische Themen suchen“.
Nun könnte man einwenden, dass die Bühnenkunst sich schon seit dem alten Euripides mit Politik und Gesellschaft auseinandergesetzt hat, genug Diskurs gibt’s auch bei Shakespeare, Schiller und erst recht in der kritischen Literatur des 20. Jahrhunderts. Aber irgendwie gilt das nicht mehr. Man muss hinausgehen und die Betroffenen mitspielen lassen wie bei der kanadisch-deutschen Produktion „Ist mein Mikro an?“, wo 18 in Düsseldorf lebende Jugendliche dem Publikum ihre Wut über den Klimawandel und die Versäumnisse der älteren Generation entgegenhalten. „Sehr fordernd“, bemerkt Schulz.
Beim „Stadt:Kollektiv“ kann jede*r mitspielen
Das Stück, das beim Theater der Welt schon Premiere hat, wird im September als Programm der Bürgerbühne, die jetzt „Stadt:Kollektiv“ heißt, weitergeführt. „Überall“ soll dieses neue Projekttheater unter Leitung der Dramaturgin Birgit Lengers und des Regisseurs Bassam Ghazi demnächst in der Stadt präsent sein. „Radikal sozial“ ist der Titel des Programms, und das bedeutet: „Das Stadt:Kollektiv verhandelt in seiner Arbeit postmigrantische, postkoloniale, intersektionale und diskriminierungskritische Perspektiven.“ Weniger verkopft wird dann hoffentlich gespielt – in „Theaterbanden“ oder „Stadt:Clubs“, die Titel tragen wie „Gewerkschaft der Liebe“, „The Gender-Games“ und „Wir werden älter, wir bleiben jung“.
Der Gründgens-Platz, variabel zu gestalten, soll auch in Zukunft Freiluft-Bühne fürs Schauspielhaus und Gastproduktionen sein. Falls das Wetter mitspielt …
Zum Glück gibt es auch einen Plan für jene Old-school-Fraktion, die in einem hochsubventionierten Kulturbetrieb einfach nur Profi-Theater sehen und verstehen möchte. Sie darf sich auf zwei in Ehren ergraute Evergreens der Moderne freuen: „Orpheus steigt herab“ von Tennessee Williams im Großen Haus (Premiere: 9. September) und „Die Physiker“ von Friedrich Dürrenmatt im Kleinen Haus (15. September). Um den Jahreswechsel sind sogar drei Spitzenklassiker in Aussicht: Shakespeares „Macbeth“, Lessings „Minna von Barnhelm“ und Schillers „Maria Stuart“.
Auch eine Verschwörung wird simuliert
Judith Bohle wird die Maria spielen, erfährt man auf Anfrage. Grundsätzlich betreibt das dramaturgisch orientierte Leitungsteam des Düsseldorfer Schauspielhauses ja keinen Star-Kult. Die Regie wird umso höher geschätzt. Stefan Bachmann, Intendant am Schauspiel Köln, soll die Uraufführung des neuen Stücks von Rainald Goetz inszenieren: „Reich des Todes“ (23. September) ist eine düstere Bilanz über den Niedergang der Zivilisation im 21. Jahrhundert. Dazu irgendwie passend will Felix Krakau bei einem Open-Air-Rundgang vom Theater zum Grabbeplatz seinen „Reality Check – eine Verschwörungssimulation“ präsentieren, hoffentlich mit einem gewissen Humor.
Ergänzt werden die wenigen neuen Produktionen mit fertigen Inszenierungen, die kurz vor oder nach der Premiere in der Pandemie steckengeblieben sind: die musikalische „Alice“ im Wunderland, Hebbels „Nibelungen“ mit feministischem Nachspiel von Lea Ruckpaul, Falladas „Kleiner Mann, was nun“, Fassbinders „Bittere Tränen der Petra von Kant“. Auf dem Plan steht auch Bewährtes von Brecht („Leben des Galilei“) und Kafka („Bericht für eine Akademie“). Für das nächste Jahr 2022 gibt es ein paar prickelnde Aussichten: die von Bonn Park gezauberte Weltraumoper „Star Travel“, ein „Dorian“ nach Oscar Wilde von Magier Robert Wilson sowie Virginia Woolfs frühes Gendermärchen „Orlando“ in der Vision von André Kaczmarczyk.
Der neue, sandig wirkende Boden knirscht noch unter den Schuhsohlen: im Durchgang am Schauspielhaus.
Das Virtuelle wird wieder wirklich
Prinzipiell will Schulz haushalten und „fürderhin weniger produzieren“. Ganz im Sinne der Nachhaltigkeit zeigt auch das Junge Schauspiel an der Münsterstraße die gestreamten Produktionen Anne-Frank-Stück „Liebe Kitty“ (nach Anne Frank) und „Christmas Carol“ (nach Charles Dickens) noch einmal in Wirklichkeit. Der künstlerische Stefan Fischer-Fels, der seinen Vertrag um fünf Jahre verlängert hat, bietet im Herbst außerdem mobile Spiele „auf Einladung an vielen Orten der Stadt“: Theodor Storms guten alten „Schimmelreiter“ und den „Mann, der eine Blume sein wollte“, ein Stück mit Regenbogenseele für Leute ab vier Jahren.
Aber so lange müssen Kinder nicht mehr aufs Theater warten. Schon kurz nach den Sommerferien, ab 13. August, gibt es für sie eine Show auf dem Gründgens-Platz. „Der überaus starke Willibald“ ist der Held einer symbolisch wertvollen Mäusegeschichte, deren Premiere für März 2020 geplant war. Dann kam der Lockdown. Aus die Maus. Nun ist Willibald wieder da. Auch die Erwachsenen sollen nicht darben. Für sie gibt es ab 1. September eine Wiederaufnahme des Platz-Hits „Das Rheingold“. Wenn die Inzidenz es gestattet, feiern dann alle ein großes Open-Air-Theaterfest am 4. September von 15 bis 18 Uhr. Infos und Vorverkauf im Kassen-Pavillon auf dem Gründgens-Platz und unter www.dhaus.de