Düsseldorf will Streetworker gegen die steigende Armut im Alter einsetzen
In Düsseldorf leben rund 9.000 Seniorinnen und Senioren an der Armutsgrenze – Tendenz steigend. Zu den finanziellen Einschränkungen kommt die soziale Isolation. Obwohl es in Düsseldorf ein gut funktionierendes Hilfesystem gibt, sollen neue, zukunftsfähige Handlungsstrategien entwickelt werden. Das war Thema eines Fachtages im Düsseldorfer Rathaus.
In vier Workshops zu den Themen "Einsamkeit", "Teilhabe und Vergünstigungen", "Verschämte Armut" und "Wohnen" beschäftigten sich die rund 270 Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit den Problemen älterer Menschen in Düsseldorf. Sie erarbeiteten eine Reihe von Vorschlägen:
Ärzte und Apotheker mobilisieren
Thema Einsamkeit | Es sollten mehr wohnortnahe Teilhabemöglichkeiten geschaffen und die Hilfen ausgebaut werden, zum Beispiel durch Streetworker für Seniorinnen und Senioren. Es wird angeregt, eine Seniorenhotline mit einer einprägsamen Nummer einzurichten. Durch Kampagnen sollten auch andere Dienstleister wie Ärzte oder Apotheker für das Thema sensibilisiert werden.
Vergünstigungen für Investoren
Thema Teilhabe und Vergünstigungen | Alle Angebote sollten in einer Publikation zusammengefasst werden, um sie bekannt zu machen. Sofern Firmen bereits Vergünstigungen gewähren, etwa über die Familienkarte oder Ehrenamtskarte, sollten sie auf das zusätzliche Klientel des "Düsselpasses" angesprochen werden. Notwendig sind eine bessere Beratung und mehr Hausbesuche. Schlüsselpersonen sollten als Multiplikatoren fungieren. Zudem solle das Sozialticket preiswerter werden. Der Mobilitätsanteil im Regelsatz der Sozialhilfe könnte als Obergrenze dienen.
Tabus knacken
Thema Verschämte Armut | Ein offener Umgang mit dem Themakönnte Tabus knacken. Ämter sollen verständlich und in "Einfacher Sprache" kommunizieren. Denn Formulare bilden oft eine große Hürde, vor allem für ältere Menschen.
Wohnungstausch erleichtern
Thema Wohnen | Der Wohnungstausch sollte erleichtert und das Umzugsmanagement müsste dazu ausgebaut werden. Um mehr bezahlbaren Wohnraum zu bekommen/zu erhalten ist Wohnraum besser vor Zweckentfremdung und Mietsteigerungen zu schützen. Investoren brauchten mehr Anreize, aber auch Verpflichtungen. Die Begleitung und Beratung sind auszubauen. Es müssen mehr barrierefreie und rollstuhlgerechte Wohnungen geschaffen werden.
Der Leiter des Amtes für Soziales, Roland Buschhausen, sagte zum Abschluss. "Der Fachtag hat uns noch einmal bewusst gemacht, dass zwar die Bundespolitik vieles regeln kann, aber wir vor Ort unseren Teil beitragen und unsere Chancen gemeinsam mit allen Akteuren nutzen müssen. Die Ergebnisse des Fachtages sind dafür ein guter Ansatz."
Begrüßte die Teilnehmer im Düsseldorfer Ratssaal:Oberbürgermeister Thomas Geisel.
Rund 270 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Politik, Verwaltung, Wohlfahrtsverbänden, Seniorenrat, Integrationsrat, Gesundheitswesen, Kirchen, Wohnungswirtschaft, Sozialverbänden, Gewerkschaften, Initiativen und Organisationen und aus dem Beirat zur Förderung der Belange von Menschen mit Behinderung sowie dem Jobcenter diskutierten dabei über neue Strategien. Auch von Armut Betroffene kommen zu Wort. Mit Professor Dr. Stefan Sell von der Hochschule Koblenz wurde für die Fachtagung ein Sozialwissenschaftler und Armutsforscher gewonnen. Der Seniorenrat hat als Interessenvertretung der älteren Generation die Durchführung des Fachtages angeregt. Der Fachtag wurde vom Amt für Soziales in Kooperation mit der liga wohlfahrt düsseldorf, dem Seniorenrat, dem Gesundheitsamt und dem Amt für Wohnungswesen der Landeshauptstadt Düsseldorf organisiert.
Steigende Altersarmut in Düsseldorf
Ende 2017 lebten in Düsseldorf rund 121.000 Personen ab 65 Jahre und älter. Davon waren 35.433 der Gruppe der Hochbetagten, also ab 80 Jahre, zuzuordnen. 69.419 Personen, also mehr als die Hälfte, waren weiblich. 105.324 Personen hatten die deutsche Staatsbürgerschaft, 15.319 Personen hatten eine ausländische Nationalität. Der Anteil der Altersgruppe ab 65 Jahre und älter an den Einpersonenhaushalten liegt mit rund 46.700 Haushalten bei 24,3 Prozent und kann zugleich als Indiz für eine Einsamkeit im Alter gewertet werden.
Düsseldorf wächst
Demografisch wird Düsseldorf auch in Zukunft weiter wachsen. Für das Jahr 2025 wird die Bevölkerungszahl auf 654.800 und für das Jahr 2030 auf 659.200 Personen prognostiziert. Weiter steigen wird dabei auch die Zahl der Altersgruppe ab 65 Jahren und älter. 2025 liegt diese Zahl bei 124.300 und 2030 bei 131.900 Personen. Während 2025 insgesamt 83.200 Personen zwischen 65 und 80 Jahren alt und 41.100 Personen über 80 Jahre alt sein werden, steigt die Zahl 2030 bei der Gruppe zwischen 65 und 80 Jahren auf 91.800 Personen. Bei der Gruppe ab 80 Jahre wird ein Rückgang um 1.000 Personen prognostiziert.
Grundsicherung als Indikator
Als Indikator für die Zahl der Armen im Alter gilt der Leistungsbezug von Grundsicherungsleistungen nach dem Zwölften Sozialgesetzbuch. Bei der Altersgruppe ab 65 Jahren verzeichnet Düsseldorf seit Jahren steigende Bezugszahlen. Die Zahl der Menschen ab 65 Jahren und älter im Leistungsbezug stieg von 6.719 Personen im Jahre 2010 auf 9.190 Personen im Jahr 2017. Demnach bezogen 7,6 Prozent aller 65-jährigen und Älteren eine Grundsicherung im Alter. 7.696 Menschen über 55 Jahre erhalten Grundsicherung für Arbeitsuchende (Stand: November 2017). Es ist davon auszugehen, dass diese Menschen die zukünftigen Bezieher von Grundsicherung im Alter sein werden.
Fotos: Stadt Düsseldorf, Ingo Lammert