Düsseldorf: Minister Stamp diskutiert über Werteverfall – nicht nur im Rheinbad
Vor Block 20 im Umlauf der Merkur-Spielarena werden an Fortuna-Spieltagen Bier und Würstchen verkauft. Am Donnerstagabend standen dort Stühle und zahlreiche Pressevertreter waren gekommen, um die Diskussion von Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration in NRW, seiner Staatssekretärin Serap Güler, Oberbürgermeister Thomas Geisel und rund 100 Besuchern zu verfolgen. Unter der Überschrift #IchDuWirNRW lädt der Minister an verschiedenen Orten dazu ein, über Werte zu diskutieren. Anlass für den Termin in Düsseldorf war die mehrfache Räumung des Rheinbades, die deutschlandweit für Schlagzeilen sorgte. Ein Ortstermin im Schwimmbad war nicht möglich, da es dort wegen des benachbarten Flughafens einfach zu laut sei, erklärte Moderatorin Asli Sevindim.
Statt im Rheinbad war der Veranstaltungsort die Arena
Minister Stamp beschrieb den allgemeinen Werteverfall, den er in seiner täglichen Arbeit erlebt. Denn kamen früher Hassbriefe anonym, scheuen sich die Absender heute nicht mehr, ihren vollen Namen zu nennen. Eine Erfahrung die auch Oberbürgermeister Thomas Geisel schon gemacht hat. Es fehlt allgemein an Respekt – gegenüber Politikern, Rettungskräften, Polizei, aber auch dem Schwimmbadpersonal.
Wladimir Chetverik hatte im Rheinbad Dienst, als es zur Räumung kam und beschrieb, wie er bei seiner täglichen Arbeit Anfeindungen und Respektlosigkeiten ertragen muss. Seine KollegInnen und er haben Schulungen in Deeskalation, aber wenn sie es mit Gruppen von Störenfrieden zu tun haben, fällt es schwer, die richtigen Maßnahmen zu treffen. Denn ein Hausverbot macht bei vielen Jugendlichen keinen Eindruck, sie klettern dann einfach über den Zaun oder werden beim Eingang nicht richtig kontrolliert und schon sind sie erneut im Bad. Dabei muss das Hauptaugenmerk der Badangestellten auf dem Schwimmbetrieb liegen und das im Wasser niemand zu Schaden kommt.
Wie der Arbeitstag von Wladimir Chetverik – inklusive Anfeindungen – aussieht, können sich viele nicht vorstellen
Schilderungen, bei denen Oberbürgermeister Thomas Geisel zweifelnd schaute. „Mit robusten Auftreten müsste man für Ordnung sorgen können“, erklärte er und dass die getroffenen Maßnahmen nun den Badegästen einen friedlichen Besuch der Bäder sicherten. Offenbar gibt es aber trotz der Ausweiskontrolle keine Handhabe, Personen mit Hausverbot zu identifizieren und vom Schwimmbadbesuch auszuschließen. Wie auch, da den Mitarbeitern nur Namenslisten vorliegen und bei mehreren Tausend Besuchern an einem heißen Tag kein vollständiger Abgleich möglich ist?
Viele Besucher diskutierten mit
Doch der Abend wurde nicht zur reinen Aufarbeitung der Vorfälle – wie vielleicht einige Besucher erhofft hatten, sondern zu einer Diskussion darüber, welche Werte uns wichtig sind. Dabei hatten die Besucher ausführlich die Gelegenheit, sich zu Wort zu melden und eine rege Diskussion entstand.
Anfeindungen mit positiver GRundeinstellung begegnen war hier das Thema
So schilderte Selim Salman, der seit sieben Jahren in Deutschland als Softwareentwickler mit Arbeitserlaubnis (Blue Card) ist, wie sehr ihn die Vorurteile der Menschen belasten. Eine Besucherin wollte dies nicht so im Raum stehen lassen und betonte die Vielzahl der offenen Menschen. Sie empfahl allen eine positive Grundeinstellung, die beim Gegenüber auch wieder positives bewirke.
„Wir müssen miteinander reden und nicht übereinander“, so Minister Stamp und damit verhindern, dass die Gesellschaft sich in Parallelwelten aufspaltet. Dem pflichtete Serap Güler bei, denn egal ob eine Frau mit Minirock oder mit Kopftuch bekleidet sei, beides müsse ihr zugestanden werden.
Die Vermittlung von Werten sei eine wichtige Aufgabe in den Familien, die den Kindern als Vorbild dienten. Wenn Eltern dies nicht leisten könnten, müssten sie dabei unterstützt werden. Wichtig sei bei den Werten neben der Vermittlung, die Konsequenz, die bei Fehlverhalten zwingend sei. Wer lerne, dass sein Handeln keine Konsequenz nach sich ziehe, teste immer weiter aus.
Asli Sevindim mit Samy Charchira
Sozialpädagoge Samy Charchira gab zu bedenken, dass die Jugendlichen heute ganz andern vernetzt seien. So sind spontane Gruppierungen möglich, die zu gemeinsamen Grenzüberschreitungen führen können. Das sei eine andere Ausprägung als früher, aber bedeute keine grundsätzliche Krise, denn ein Konsens über Grundwerte sei bei den meisten Jugendlichen vorhanden.