Düsseldorf: Migrantenorganisationen diskutieren mit OB-Kandidaten
Gibt es in Düsseldorf strukturellen Rassismus? Warum gibt es getrennte Wahlbüros für Kommunalwahl und Integrationsratswahl? Werden Migranten zu wenig in Kommunalpolitik oder bei Stellenvergaben berücksichtigt? Diese und anderen Fragen stellten sich die Kandidaten für das Oberbürgermeisteramt in Düsseldorf Thomas Geisel (SPD), Dr. Stephan Keller (CDU), Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) und Stefan Engstfeld (Grüne) am Montagabend (31.8.) in den Räumen des Landesverbands und der Düsseldorfer Stelle der „Netzwerke von Migrantenorganisationen“ (LV-NeMO NRW und NDMO)
Elina Chernova ist vom Verbund Netzwerk Düsseldorfer Migrantenorganisation und eine der Einladerinnen des Abends
Über 40 Prozent der Düsseldorfer*innen haben eine Migrationsgeschichte, fast ein Viertel der Bevölkerung hat einen ausländischen Pass. Damit zählt Düsseldorf zu den Städten mit dem höchsten Migrant*innen-Anteil bundesweit. Viele Migranten und Migrantinnen sind wahlberechtigt, tauchen aber kaum auf Kandidatenlisten auf oder werden mit ihren Interessen im Wahlkampf thematisiert. Deshalb hat der Verbund der Migrantenorganisation die OB-Kandidaten der SPD, CDU, FDP und Grünen zur Diskussionsrunde „Migration, Integration, Teilhabe – Themen im Wahlkampf?“ eingeladen, die von Peter Rueben moderiert wurde.
Moderator Peter Rueben verstand es die verschiedenen Standpunkte herauszuarbeiten
Finanzielle Förderung von Migrantenvereinen
Viele in Migrantenvereinen aktive Ehrenamtler fühlen sich in ihrem Engagement durchaus anerkannt. Doch eine finanzielle Förderung der Vereine bliebe oft aus. Während Engstfeld und Strack-Zimmermann darauf verwiesen im Einzelfall prüfen zu wollen, argumentierte Geisel mit dem Haus der Kulturen. Dies sei eine Plattform für alle Initiativen. Auf die Nachfrage von Moderator Rueben, dass die CDU das Haus der Kulturen am Standort des Jungen Schauspielhauses nicht befürworte, bestätigte Keller, dass er einen zentralen Standort für sinnvoller halte.
Thomas Geisel erhält viele rassistische Mails und auch Stephan Keller kennt Anfeindungen gegen seinen Familie
Struktureller Rassismus
Große Einigkeit gab es bei allen vier OB-Kandidaten im Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung. Doch schon beim Hinweis eines Veranstaltungsbesuchers, auf den täglichen strukturellen Rassismus in Düsseldorfer Ämtern, waren verschiedene Einstellungen erkennbar . Während Stephan Keller in Frage stellte, ob es sich wirklich um einen „strukturellen“ Rassismus handele, berichtete Marie-Agnes Strack-Zimmermann von persönlichen Gesprächen, die den Eindruck von Rassismus bei Verwaltungsmitarbeitern durchaus bestätigten. Stefan Engstfeld sprach sich für einen anderen Betreuungsschlüssel bei den Mitarbeitenden, beispielsweise im Ausländeramt, aus, so dass stressfreier gearbeitet werden könne. Seine klare Forderung: Rassismus muss unterbunden werden. Thomas Geisel berichte von Beschwerdemails an ihn, in denen Situationen geschildert werden, die nicht akzeptabel seien. Durch das neue Amt für Migration und Integration sei ein Kurswechsel eingeleitet, aber es sei „ein dickes Brett, das da gebohrt werden müsse“, betonte der Amtsinhaber. Das Bewusstsein in der Gesellschaft müsse sich ändern, dass Deutschland ein Einwanderungsland sei. Für Düsseldorf sei Einwanderung schon immer ein Gewinn gewesen, führte er weiter aus.
Quotierungen für Migranten
Die Forderung Ämter in Parteien, in Bezirksvertretungen oder im Rat quotiert an Migranten zu vergeben, wurde von den OB-Kandidaten nicht geteilt. Entscheidend sei der Wunsch nach politischen Engagement und dabei sei die Herkunft nicht wichtig, war die Meinung der vier. In allen Parteien seien Migranten aktiv, auch wenn man ihnen das nicht immer ansehe, da sie zum Teil schon in zweiter oder dritter Generation in Deutschland seien. Wer ein politisches Amt anstrebe, könne dies in allen Parteien erreichen, versicherten die Kandidaten.
Stefan Engstfeld und Marie-Agnes Strack-Zimmermann waren sich einig, dass man gegen strukturellen Rassismus vorgehen muss
Die Fragestellung leitete über zu den Integrationsratswahlen, die zeitgleich zu den Kommunalwahlen stattfinden. Wer mindestens 16 Jahre alt ist, seinen Hauptwohnsitz in Düsseldorf hat, die Deutsche Staatsbürgerschaft erhalten hat oder die deutsche Volkszugehörigkeit besitzt darf den Integrationsrat wählen, 177.765 Wahlberechtigte gibt es in Düsseldorf. Allerdings stellte sich im Laufe der Diskussion heraus, dass nicht alle Wahlbüros auch für die Stimmabgabe der Integrationsratswahl ausgewiesen sind. So müssen einige Wahlberechtigte in zwei verschiedene Wahlbüros. Hintergrund ist die mit deutlich geringere Zahl an Wahlberechtigten, so dass eine Ableitung der abgegebenen Stimme in einigen Wahlbüros möglich wäre und damit das Wahlgeheimnis nicht gewahrt werden könne.
Der Wunsch der Migranten auf mehr Rechte des Integrationsrates, ähnlich dem Anhörungsrecht der Wohlfahrtsverbände, wurde von Stefan Engstfeld begrüßt. Er würde auch Nicht-EU-Bürger als Sachkundige Bürger im Rat zulassen. Thomas Geisel betonte, dass die Stimme des Integrationsrates auch heute schon gehört werde. Er beschrieb es als Ziel, dass die politischen Gremien ein Spiegelbild der Gesellschaft sein sollten und daher gehörten Migranten selbstverständlich dazu. Stephan Keller sieht das Land NRW in der Pflicht, die Kompetenzen des Integrationsrates zu regeln. Die Frage des allgemeinen Wahlrechts sieht er allerdings an die Staatsbürgerschaft gekoppelt und nicht an die Dauer des Aufenthalts in Deutschland. Darauf konterte Marie-Agnes Strack-Zimmermann, dass die CDU die doppelte Staatsbürgerschaft verhindere und damit immer noch nicht akzeptiert habe, dass Deutschland ein Einwanderungsland sei.
Gruppenbild mit OB-Kandidaten und Einladern nach der Diskussionsrunde