Düsseldorf: Maria 2.0 und die Forderung nach Veränderung in der katholischen Kirche
Zwölf „Jüngerinnen“ luden am Sonntagmittag (2.5.) auf dem Marktplatz vor dem Düsseldorfer Rathaus zum „Tische des Herrn“. Die Aktion im Rahmen der Kundgebung der Düsseldorfer Gruppe von Maria 2.0 startete symbolisch um fünf vor zwölf Uhr. Denn bereits im dritten Jahr engagieren sich die Frauen für Veränderungen in der katholischen Kirche. Ihre sieben Thesen, in denen sie ihre Forderungen formuliert haben, überreichten sie an Stadtdechant Frank Heidkamp. Der Geistliche diskutierte fast eine Stunde mit den Teilnehmer*innen der Aktion.
Auf dem Markplatz demonstrierten die Aktivist*innen von Maria 2.0 aus Düsseldorf
In verschiedenen Städten Deutschlands gibt es in dieser Woche Aktionen von Maria 2.0.. „Siehe, ich mache alles neu“ ist das Motto der Aktivist*innen im Rheinland. Bereits am 21. Februar hatten sie an rund 50 Kirchentüren in Düsseldorf und Haan Plakate ihrer sieben Thesen gehangen, in denen sie die Forderungen an Veränderungen in der katholischen Kirche formuliert haben. Auf dem Marktplatz kam es zu zahlreichen Gesprächen mit Passanten. Intensive Diskussionen wurden mit Stadtdechant Frank Heidkamp geführt, der auf Einladung der Frauen gekommen war.
“Jüngerinnen laden ein zum Tisch des Herrn“ ist eine Aktion der Gemeinde Rheinbogen, die am Sonntag viele Blicke auf sich zog
Den Wunsch nach Veränderung könne er nachvollziehen, betonte der Geistliche. Doch „es geht nicht so schnell“, versuchte er zu vermitteln. In Bezug auf die Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs eines Düsseldorfer Pfarrers gab Heidkamp zu: „Wir geben als Kirche ein absolut miserables Bild ab“.
Aber er appellierte weiter das Gespräch zu suchen und die Ideen von Maria 2.0 in die Gemeinden zu tragen. Auch in der Vollversammlung des Katholikenrats der Stadt seien die Thesen bereits Inhalt gewesen. Die Standpunkte zu einzelnen Forderungen fänden durchaus Zustimmung, erklärte Heidkamp. Aber eben nicht zu allen. Sein Ansatz ist, nicht zu versuchen gegen Mauern zu rennen. Sondern zu sehen, wo es bereits kleine Lücken gibt, die es dann gelte zu vergrößern.
Angelika Erkelenz übergab die sieben Thesen und einige Statements dazu an den Stadtdechanten Frank Heidkamp
Das wollten die Frauen auf dem Marktplatz nicht geltend lassen und forderten, die Kirche müsse sich nach außen positionieren. Auch ein Erzbistum Köln dürfe die Forderung nach Veränderung nicht aussitzen. Vom Stadtdechanten und den Düsseldorfer Geistlichen wünschten sich die Teilnehmer*innen mehr Mut, ihre Meinungen offensiv zu vertreten und die Aktion Maria 2.0 zu unterstützen. „In 30 Jahren stehen die Geistlichen alleine da, dann gibt es keine Kirche mehr“, befürchten die Aktivist*innen. „Jetzt müssen Zeichen gesetzt werden, damit die nächste Generation die Veränderungen wahrnehmen kann“, wurde gefordert. Viel Kritik gab es an denen, die auf „den Stühlen der Macht“ sitzen und dort ein schlechtes Bild der Kirche vermittelten. Die falle auf die Gläubigen zurück, die sich schon heute dafür rechtfertigen müssen, katholisch zu sein und sich für Fortschritt in der Kirche zu engagieren.
Heidkamp betonte, er sehe das Problem. Er wolle nicht vertrösten, aber nur durch wertschätzende Gespräche könne etwas bewegt werden. Dafür müssten verschiedene Wege gewählt werden. Als Stadtdechant sei er den Düsseldorfer Pfarrern gegenüber nicht weisungsbefugt, sondern lediglich ihr Sprecher. Sein großer Wunsch sei, dass er es noch erleben dürfe, dass Frauen sich in der Kirche wohl und respektiert fühlen, erklärte er. Zwischendurch gab es immer wieder Applaus für den Geistlichen und seine Offenheit, sich der Diskussion zu stellen.
Natürlich wurde auch über den neuen Fall des beurlaubten Pfarrers in Düsseldorf diskutiert
Aber der Ärger und die Ungeduld vieler wurde in dem Vergleich mit Corona deutlich. Ein Herr führte aus, es sähe einen Virus wie Corona auch in der katholischen Kirche. Ein dringendes Handeln sei erforderlich, aber da die Kirchenführung nicht aktiv wird, greife die Unzufriedenheit immer weiter um sich. Die steigende Zahl der Kirchenaustritte, der fehlende Nachwuchs und der Schwund der aktiven Christen sei ein deutliches Zeichen, dass das System Kirche nicht mehr zeitgemäß ist.
Die Aktionen von Maria 2.0. werden deutschlandweit noch bis Mitte Mai statt. Die Aktivist*innen wollen ihre Kampagne fortsetzen und möglichst viele Menschen erreichen.
In verschiedenen Düsseldorfer Stadtteilen wird in den Gemeinden für maria 2.0 geworben
Die Thesen von Maria 2.0.
Thesen 2.0 – An alle Menschen, die guten Willens sind
1. Heute haben alle Menschen nach dem Grundgesetz gleiche Rechte – nicht so in der katholischen Kirche. Mannsein begründet Sonderrechte. Unsere Kirche ist eine gerechte Kirche, in der alle Menschen die gleiche Würde und die gleichen Rechte haben und damit Zugang zu allen Ämtern.
2. Klerikalismus ist eines der Grundprobleme der katholischen Kirche und fördert den Machtmissbrauch mit all seinen menschenunwürdigen Facetten. Unsere Kirche ist partizipativ. Alle haben gemeinsam Verantwortung am Sendungsauftrag, Macht wird geteilt.
3. Schon viel zu lange gilt die katholische Kirche ein Tatort sexueller Gewalt. Kirchliche Machthaber halten Informationen zu solchen Gewaltverbrechen unter Verschluss und stehlen sich aus der Verantwortung. Unsere Kirche ist glaubwürdig, geprägt durch respektvollen Umgang und Transparenz. Taten sexualisierter Gewalt werden umfassend aufgeklärt und Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen. Die Ursachen werden konsequent bekämpft.
4. Die im Katechismus gelehrte Sexualmoral ist lebensfremd und diskriminierend. Sie orientiert sich nicht am christlichen Menschenbild und wird von der Mehrheit der Gläubigen nicht mehr ernst genommen. Unsere Kirche ist bunt. Sie zeigt eine wertschätzende Haltung und Anerkennung gegenüber selbstbestimmter, achtsamer Sexualität und Partnerschaft.
5. Die Zölibatsverpflichtung hindert Menschen daran, ihrer Berufung zu folgen. Wer diese Pflicht nicht durchhalten kann, wird dazu verleitet, Scheinfassaden aufzubauen, und wird in existentielle Krisen gestürzt. Unserer Kirche ist lebensnah; in ihr ist die zölibatäre Lebensform keine Voraussetzung für die Ausübung eines Weiheamtes.
6. Prunk, dubiose Finanztransaktionen und persönliche Bereicherung kirchlicher Entscheidungsträger haben das Vertrauen in die Kirche tiefgreifend erschüttert und schwinden lassen. Unsere Kirche wirtschaftet verantwortungsvoll und nachhaltig. Sie verwaltet das ihr anvertraute Vermögen nach christlichen Prinzipien.
7. Alles in allem hat die Kirche ihre Glaubwürdigkeit verspielt. Sie hat nicht mehr den Mut und die Kraft, christliche Werte in den heutigen Kontext einzubringen. Unsere Kirche ist relevant für Menschen, Gesellschaft und Umwelt. Unser Auftrag ist die Botschaft Jesu Christi. Wir handeln danach und stellen uns dem gesellschaftlichen Diskurs.