Düsseldorf Landgericht: Betrügerische Pflegedienste, Ärzte und Patienten richteten Millionenschaden an – hohe Freiheitsstrafen
Dieses Urteil (Az. 10 KLs 5/20) enthält eine Ohrfeige der Richter für Krankenkassen und Kommunen: Wegen betrügerischer Abrechnungen von Pflegedienstleistungen hat die 10. Große Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf hohe Freiheitsstrafen gegen sieben Angeklagte ausgesprochen, ein achter Mann wurde freigesprochen. Das Gericht hat 1,4 Millionen Euro eingezogen. Juristen nennen das die „Taterträge“. Allen Verurteilten hielt die Strafkammer zugute, dass es ihnen leicht gemacht wurde: „Die Pflegeleistungen wurden nicht ausreichend kontrolliert.“
Acht Angeklagte
Vier Angeklagte wurden wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs zu Freiheitsstrafen zwischen fünf Jahren zwei Monaten und zwei Jahren verurteilt. Zwei weiteren Männern legte die Strafkammer Geldwäsche in 293 Fällen zur – sie bekamen Gesamtfreiheitsstrafen von vier Jahren, beziehungsweise drei Jahren und sechs Monaten. Ein weiterer Angeklagter wurde wegen Beihilfe zur Geldwäsche in 17 Fällen zu 18 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Ein Mann verließ den Gerichtssaal mit einem Freispruch.
1,54 Millionen Euro Schaden
Die Männer rechneten zwischen 2021 und 2016 Pflegeleistungen ab, die gar nicht erbracht wurden. 35 Verhandlungstage brauchte das Gericht, um das dazu benutzte Geflecht an Düsseldorfer Firmen zu entwirren. Das Gericht stellte fest, dass die Lotos Pflegedienst GmbH in den Jahren 2012 und 2013 insgesamt 290.872,83 Euro zu Unrecht abrechnete. Die Lottos Gesundpflege GmbH liquidierte von 2014 bis Oktober 2016 insgesamt 424.973,79 Euro. Und die Stern Pflegedienst GmbH rechnete von 2012 bis Oktober 2016 den Betrag von 817.656,60 Euro ab. Der Gesamtschaden betrug 1,54 Millionen Euro.
Ärzte und Patienten machten mit
Eine Erkenntnis: Das Geldkarussell funktionierte nur deshalb so lange so gewinnbringend, weil die Patienten mitmachten und mitkassierten. Die Angeklagten, die die Pflegedienste betrieben, entnahmen gezielt Gelder, um damit gegen Scheinrechnungen, die weitere zwei Angeklagte ausstellten, Schwarzgeld an Patienten, Ärzte, Mitarbeiter und sich selbst auszuzahlen.
Geldwäsche über Mittelsmänner
In der Verhandlung wurde das System dahinter deutlich: Zur Geldwäsche warben zwei Angeklagten mit Hilfe eines weiteren Angeklagten gegen eine Provision von 8 bis 10 Prozent lettische Staatsangehörige an und statteten sie mit Konten aus. Auf diese Konten überwies die Pflegeteam Alef GmbH in der Zeit von Februar 2014 bis Oktober 2015 insgesamt 464.140,46 Euro, die Stern Pflegedienst GmbH in der Zeit von März 2014 bis September 2016 insgesamt 888.956,34 Euro und die Lottos Gesundpflege GmbH in der Zeit von März 2014 bis September 2016 1.478.844,18 Euro. Diese Gelder flossen nach Abzug der Provisionen in bar wieder an die einzelnen Pflegedienste zurück, um Schwarzgelder auszahlen zu können.
Schadenersatzansprüche
Im Rahmen der Strafzumessung hat die Kammer zu Gunsten der Angeklagten berücksichtigt, dass sie alle nicht vorbestraft sind. Die Begehung der Taten sei den Angeklagten erleichtert worden, weil die Pflegeleistungen nicht ausreichend kontrolliert wurden. Die Angeklagten seien den Schadenersatz- und Erstattungsansprüchen der Krankenkassen und Kommunen ausgesetzt. Strafmildernd hat das Gericht auch berücksichtigt, dass sieben der acht Angeklagten Geständnisse bzw. Teilgeständnisse abgelegt haben.
Strafschärfend werteten die Richter die hohe kriminelle Energie der Angeklagten, die in professioneller Vorgehensweise über einen relativ langen Tatzeitraum zum Ausdruck gekommen sei und zu dem hohen Schaden geführt habe.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft und die Angeklagten können gegen das Urteil Revision zum Bundesgerichtshof einlegen.
Zweites Verfahren dieser Art
Das aktuelle Verfahren ist nicht das erste in Düsseldorf. Mit Urteil vom 05.02.2018 (18 Kls 2/17) hatte die 18. große Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf neun Angeklagte wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges bzw. gewerbsmäßiger Geldwäsche zu Gesamtfreiheitsstrafen zwischen sieben Jahren und zwei Jahren wegen betrügerischer Abrechnung von Pflegedienstleistungen verurteilt.