Düsseldorf: Auftakt im Strafprozess gegen den als Wehrhahn Attentäter angeklagten Ralf S.
Solange Fotografen im Gerichtssaal waren – und Kameraleute, solange versteckte sich der heute 51-Jährige im hellgrauen Pullover hinter einem Aktenordner. Auf dessen Rücken hatte er demonstrativ ein „V“ gemacht – wie „Victory“, Sieg. Seit Donnerstag (25.1.) sitzt Ralf S. auf der Anklagebank des Düsseldorfer Landgerichts. Die Staatsanwaltschaft hat ihn wegen zwölffachen, versuchten Mordes angeklagt. Der Mann soll am 27. Juli 2000 am Düsseldorfer S-Bahnhof Wehrhahn eine Rohrbombe gezündet und zehn Menschen zum Teil schwer verletzt haben. Ein ungeborenes Baby wurde im Leib seiner Mutter getötet. S. bestritt zum Prozessauftakt, dass er der Täter ist.
Prozessbeobachter berichten, dass sich der Angeklagte lässig gab. Er kaute ein Kaugummi. Und fixierte Oberstaatsanwalt Ralf Herrenbrück, der die Anklage verlas. Danach hatte die Polizei den als rechtsradikal eingestuften Ex-Soldaten S. bereits kurz nach der verheerenden Explosion vom Wehrhahn unter Verdacht. S. betrieb damals einen Militaria-Handel, genau gegenüber vom Anschlagsort. Exakt um 15.03 Uhr an jenem 27. Juli 2000 zündete die Bombe, genau in dem Moment, als Sprachschüler jüdischen Glaubens aus Russland den S-Bahnhof nutzten.
Frendenhass als Tatmotiv
Das Motiv laut Anklage: Fremdenhass. Der Angeklagte habe „sein“ Viertel säubern wollen. Als Richter Rainer Drees den Angeklagten fragte, ob er die Tat begangen habe, verneinte der. S. sprach von Verdrehungen und böswilligen Unterstellungen.
Der Schilderung der Staatsanwaltschaft zufolge hat er sich selbst auf die Anklagebank gequasselt. Wegen einer nicht bezahlten Geldstrafe saß S. 2014 im Gefängnis und prahlte mit seiner Bomben-Tat. Ein Mithäftling sagte gegenüber der Polizei aus. Die Ermittlungen wurden erneut aufgenommen. Auch zwei einstige Entlastungszeuginnen widerriefen ihre ursprünglich gemachten Aussagen. Sie seien ursprünglich von S. eingeschüchtert worden, sagten sie.
Umgang mit Bomben
Der Anwalt des Angeklagten sagte gegenüber der ARD, sein Mandant habe nie eine Ausbildung als Bombenexperte bei der Bundeswehr erhalten – so wie ominös durch die Akten geistere. Die Anklage stützt sich auf den damaligen Bundeswehr-Vorgesetzten des Angeklagten. Dieser Vorgesetzte hat das Gegenteil zur Bombenausbildung ausgesagt.
Das Düsseldorfer Landgericht wird einen langen und mühevollen Indizienprozess führen müssen. Dazu sind vorerst 37 Verhandlungstage angesetzt, bis Mitte Juli dieses Jahres. Zum Auftakt protestierten Menschen vor dem Gerichtsgebäude gegen Antisemitismus. Fünf der damals verletzten Menschen sind Nebenkläger im Verfahren.
Welche Rolle spielte der NRW-Verfassungsschutz?
Unklar ist noch, ob die Verwicklung des NRW-Verfassungsschutzes in dem Verfahren eine Rolle spielen wird. André M., ein V-Mann des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes mit dem Decknamen „Apollo“, hatte schon früh den Angeklagten Ralf S. in einer kriminalpolizeilichen Vernehmung als rechtsextrem bezeichnet. Das bestätigte 2017 der Ankläger Oberstaatsanwalt Ralf Herrenbrück gegenüber report-d. Vor rund 17 Jahren habe aber kein strafrechtlicher Ermittler von der geheimen Tätigkeit des André M. gewusst: „Erst viele Jahre später hat man uns offen gelegt, dass der V-Mann beim Verfassungsschutz war“, so sagte Herrenbrück.