Düsseldorf spekuliert: Der beinahe tödliche Hype um die alte Papierfabrik Hermes
Die wichtigste Nachricht kam am Dienstag (22.3.) von der Feuerwehr: Der am Vortag in der alten Papierfabrik Hermes in Düsseldorf Hamm zehn Meter tief abgestürzte Junge sei außer Lebensgefahr, hieß es. Während der 15-Jährige mit dem Tod rang, wuschen Stadtverwaltung und Investor ihre Hände in Unschuld. Man tue nun wirklich alles, um das Grundstück zu sichern, versicherten alle auf Nachfrage von report-D.
Eine Ahnung wird – beinahe – Wahrheit
Dies ist ein doppelt zynischer Satz. Denn erstens musste die Düsseldorfer Feuerwehr in der Vorwoche an jedem Tag einen Brandeinsatz zu der seit 2008 verwaisten Fabrik fahren. An jedem Tag. Daran änderten weder ein Bauzaun, noch Schilder mit der Aufschrift „Betreten verboten – Lebensgefahr“, 166 vor Fenster und Türen gehängte Stahlplatten oder ein Sicherheitsdienst etwas. Und zweitens hatte nur wenige Wochen vor dem lebensbedrohlichen Absturz des Jungen der Düsseldorfer Feuerwehrsprecher Heinz Engels einem Journalisten gesagt: „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es dort Tote gibt.“ Beinahe wäre diese Ahnung am Montag zur Wahrheit geworden.
Partylocation und Drehort
Von der Polizei hieß es auf Anfrage: „Wir kommentieren das nicht.“ Dass da in der Industriebrache – Neusprech: „Lost Place“, bis vor kurzem ein beliebtes Geocaching-Ziel – oftmals hunderte von Leuten Partys feiern, hippe Musikvideos preiswert gedreht wurden und selbst kreuzbrave Düsseldorfer Tageszeitungen noch Mitte vergangenen Jahres pseudo-romantische Bilderstrecken online stellten – steigerte den Hermes-Hype nur noch. Wer in sein wollte, musste drinn sein.
Seit 2012 gab es 47 Brandeinsätze in der ehemaligen Papierfabrik Hermes. Jeder einzelne Alarm machte den Feuerwehrleuten ein mulmiges Gefühl. Denn anders als am Schreibtisch hockende Stadtsprecher und Investoren müssen sich Feuerwehrleute zentimeterweise durch verqualmte Gänge tasten. Immer in dem Bewusstsein, dass der nächste Schritt der letzte sein könnte. Denn das Loch im Betonboden, durch das der Junge stürzte, ist – natürlich nicht – die einzige Todesfalle. Und der ganze Einsatz für eine Ruine, ein Spekulationsobjekt.
Keine Anzeige erstattet
Der Kölner Grundstücksinhaber Markus Mertens gab sich am Dienstag im Gespräch mit report-D großzügig: Er werde natürlich auf eine Anzeige gegen den Jungen verzichten: „Wichtig ist, dass er rasch wieder gesund wird.“ Zugleich bedauerte Mertens, dass ein Erhalt des Gebäudes aufgrund der zahlreichen Brände nun leider nicht mehr möglich sei. Zu gerne hätte er das Gebäude von 1910 ja restauriert, angeblich sogar unter Erhalt der Graffitis. Aber nun, nach all den Schäden durch Feuer und Löschwasser, rieten sämtliche Experten zum Anriss. Der werde gerade vorbereitet. Abriss spätestens zum Jahresende, so Mertens. Entstehen soll an der Stelle ein modernes Bürogebäude mit Lagerhallen.
"Eins der vielen Tore stand offen"
Zur alten Papierfabrik hieß es 2014 im Internet, bevor die aktuellen Sicherungsmaßnahmen installiert wurden: „Auf das Gelaende zu kommen ist kein Problem eins der vielen Tore stand offen und auch viele Türen so wie die Tür der Verwaltung sind nicht verschlossen. Bei unserer Begehung trafen wir viele Menschen an. Sprayer, Radfahrer bis hin zu neugierigen. Die Anlagen sind Abgebaut, es lassen sich lediglich noch die Betonsockel erkennen. Überall werden Wände zu den Leinwänden der Sprayer. Auch wenn Grafits von uns nicht gerne gesehen sind, befinden sich in diesem Objekt viele Kunstwerke, die nett anzusehen sind. Das für mich am Interessanteste war das Dach. Es erinnerte mich an Lokation wie man sie sonst nur aus Filmen kennt und zudem ermöglichte die Dächer eine Tollen Ausblick über Düsseldorf.“
aktualisiert 23.3., 12:45 Uhr