Düsseldorf Christopher Street Day: 500 Menschen zeigen Flagge in allen Regenbogenfarben
Stolz und bunt und laut haben rund 500 TeilnehmerInnen am Sonntag (28.6.) den Christopher Street Day, CSD, in Düsseldorf gefeiert. Es gab eine Fahrraddemo und eine Demo zu Fuß – vom Schadowplatz zum Burgplatz. In allen Farben des Regenbogens zeigten LSBTIQ (lesbisch, schwul, bi, trans*, inter und queer) Menschen Flagge. Das ist mehr als nur Folklore für ein paar Stunden. Denn auch im vergleichsweise toleranten Düsseldorf machen Menschen nicht einfach so ein Coming Out. Sie müssen anschließend gegen Vorurteile kämpfen, häufig den Arbeitsplatz wechseln, Spott und Demütigungen ertragen und erleben es, dass sich Freunde und Familie abwenden.
OB und OB-Kandidaten beim CSD 2020: (v.l.) Stephan Keller (CDU), OB Thomas Geisel (SPD), CSD Organisator Kalle Wahle, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) und Stefan Engstfeld (Grüne)
Bereits auf dem Schadowplatz zeigte sich, dass der 17. Düsseldorfs CSD im Zeichen der Kommunalwahl steht. Oberbürgermeister Thomas Geisel verwies darauf, dass sich knapp ein Drittel Polens inzwischen zur "LGBT-freien Zone" erklärt hat. Über 100 Städte und Gemeinden im Nachbarland zeigen sich offen homo-, trans*- und interfeindlich. Viele europäische Städte – auch Düsseldorf unterzeichneten den vom europäische Dachverband Council of European Municipalities and Regions (CEMR) formulierten offenen Brief an die kommunalen Mandatsträgerinnen und -träger in Polen. Darin machen sie auf die brenzlige Situation der polnischen LSBTIQ+ Community aufmerksam. Geisel: „Am heutigen Sonntag wird in Polen gewählt – auch deshalb ist es wichtig, in Düsseldorf ein Zeichen zu setzen.“
Intoleranz wächst nicht nur in Polen: Auch in Düsseldorf gehen Rechtspopulisten auf Stimmenfang
Die FDP-Kandidatin Marie Agnes Strack-Zimmermann griff eine Bemerkung des CDU-OB-Kandidaten Stephan Keller auf, der versprach, anders als frühere CDU-Oberbürgermeister werde er nach seiner Wahl die Regenbogenflagge am Rathaus hissen lassen. „Wichtiger als dieses Zeichen ist es, dass Toleranz und Respekt bis in den Alltag hineinanreichen. Was sagt die Familie? Was sagen die Kollegen, wenn sich jemand zu seiner sexuellen Orientierung bekennt.“ Hier sieht Strack Zimmermann die Düsseldorfer in der Pflicht, dem Anspruch der Stadt im Alltag gerecht zu werden. Der grüne OB-Kandidat Stefan Engstfeld wünschte allen TeilnehmerInnen ein gutes Gelingen.
Respekt und Toleranz müssen im Düsseldorfer Alltag immer wieder eingefordert werden.
Die Düsseldorfer CSD-Organisatoren hatten wegen der Corona-Pandemie auf viele ursprünglich geplante Aktionen verzichten müssen. Vom 6. bis 9. August war, parallel zu den Eurogames, auf dem Johannes-Rau-Platz ein buntes Straßenfest mit Musik und Liveacts vorgesehen. Außerdem sollte es eine wesentlich größere Demo geben. Kalle Wahle und Betti Tielker vom CSD-TEam zeigten sich hocherfreut, dass die Community sich von den vielen Absagen nicht frustrieren ließ, sondern mit einem „Jetzt erst recht“ durch die Straßen zog. Mit Mund-Nase-Schutz und um Abstand bemüht.
Lebensfreude inklusive
Sonderausstellung zum Paragraph 175
Ab Dienstag, 30. Juni, startet die Wanderausstellung "Im Namen des Volkes!? §175 StGB im Wandel der Zeit". Die Ausstellung ist zweigeteilt: Ab Dienstag zeigt die Mahn- und Gedenkstätte den historischen Teil: die Zeit vor und während des Nationalsozialismus sowie die Jahre der Befreiung durch die Alliierten. Der zweite und ergänzende Teil "1949 bis in die Gegenwart" ist ab dem 14. Juli im Foyer des Rathauses zu sehen.
Im Jahr 1969 wurden die Paragraphen 175 und 175a laut Strafgesetzbuch erstmals liberalisiert und erst 1994 als Folge der deutschen Wiedervereinigung endgültig aufgehoben. Das Centrum Schwule Geschichte (Köln) schlägt mit seiner Ausstellung "Im Namen des Volkes!? §175 StGB im Wandel der Zeit" einen Bogen quer durch die Geschichte antihomosexueller Gesetzgebung auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland.
Die Ausstellung blickt auf das Gebiet des heutigen Nordrhein-Westfalens. Düsseldorf war während der Nazi-Zeit eine "Hochburg" der Schwulenverfolgung. In kaum einer anderen Stadt wurden so viele Männer auf Grundlage des Paragraphen 175 verhaftet wie hier. Sie wurden in Lager deportiert, mussten Zwangsarbeit verrichten und schließlich ermordet. Die Überlebenden hatten nach 1945 keine Chance auf Wiedergutmachung, da der Paragraph 175 immer noch Bestand hatte. Der Kurator der Ausstellung, Marcus Velke, erzählt nicht nur die Biographien der verfolgten Männern nach dem sogenannten "Schwulenparagraphen", sondern beleuchtet auch die Auswirkung auf die Lebensgeschichten von Lesben und Trans*, die ebenfalls ausgeschlossen und Opfer von Verfolgung, Diskriminierung und Gewalt wurden.
Die Ausstellung des Centrums Schwule Geschichte wird in Kooperation mit dem Düsseldorfer Gleichstellungsbüro und der Mahn- und Gedenkstätte gezeigt.
Diversity in Düsseldorf
Die Landeshauptstadt Düsseldorf fördert eine Vielzahl an Angeboten der LSBTIQ+ Community wie das Jugendzentrum PULS, das Bildungs- und Aufklärungsprojekt SCHLAU, die Fachstellen Regenbogenfamilien, Altern unterm Regenbogen sowie die Trans*beratung und Angebote der Aidshilfe und der Frauenberatungsstelle. Zum ersten Mal erschien jetzt der Rainbow City Guides Düsseldorf von Düsseldorf Queer. Weitere Informationen hierzu unter www.duesseldorf-queer.de
Hintergrund: Stonewall-Aufstände
Die sogenannten Stonewall-Aufstände waren eine Serie von gewalttätigen Konflikten zwischen Homo- sowie Transsexuellen und Polizeibeamten in New York City. Die ersten gewalttätigen Auseinandersetzungen fanden in der Nacht zum Samstag, den 28. Juni 1969 statt, als Polizeibeamte eine Razzia im Stonewall Inn durchführten, einer Bar mit homo- und transsexuellem Zielpublikum in der Christopher Street. Da sich dort erstmals eine große Gruppe von Homosexuellen der Verhaftung widersetzte, wird das Ereignis von der als Wendepunkt in ihrem Kampf für Gleichbehandlung und Anerkennung angesehen. An dieses Ereignis wird jedes Jahr weltweit mit dem Christopher Street Day erinnert.
Hintergrund: Paragraph 175
Bereits im Deutschen Kaiserreich waren sexuelle Handlungen unter Männern nach §175 des Strafgesetzbuches verboten. Während des Nationalsozialismus wurden Homosexuelle zu "Volksschädlingen" erklärt und verfolgt. Die Gerichte in Düsseldorf verhängten durchschnittlich fünf bis sechs Monate Gefängnis für Verstöße gegen den §175. In Gefängnissen und Strafgefangenenlagern wurden homosexuelle Häftlinge nach Möglichkeit in Einzelhaft genommen und besonders gefürchteten Arbeitskommandos zugeteilt. Unabhängig von einem Gerichtsurteil verfügte die Gestapo über die Möglichkeit, Menschen in Konzentrationslager einzuliefern. In Düsseldorf wurden solche KZ-Einweisungen als "Korrektur" gerichtlicher Urteile vorgenommen, also etwa nach Entlassung aus der Untersuchungshaft, nach einem Freispruch im Gerichtsverfahren oder unmittelbar nach der Strafverbüßung. Der Kriminalpolizei war es zudem möglich, im Rahmen einer "Vorbeugenden Verbrechensbekämpfung" Homosexuelle als "Sittenstrolche" oder "Triebverbrecher" in "Vorbeugehaft" zu nehmen. Diese wurde ebenfalls in Konzentrationslagern vollstreckt.
(Quelle der Hintergrundinfos: Diversity Beauftragten Jana Hansjürgen und Valentina Meisner, Stadt Düsseldorf)