Düsseldorf im Zeichen der Weißen Rose gegen die AfD: Rund 750 Bürger zeigen Haltung, AfD schließt Presse vom Parteitag aus
Maximilian Schmitz und Philipp-Manuel Niemann stehen vor dem Schultor. Ein älterer Mann, der sich Heinz nennt, vertritt die AfD aus sicherer Position hinter der Barriere. Die beiden ehemaligen Geschwister-Scholl-Gymnasiasten haben ihm den Scholl-Appell gereicht. „Wir alle tragen Verantwortung für ein friedliches, tolerantes Zusammenleben und für eine bessere Zukunft“, steht da. Das wolle er auch, versichert Heinz. Doch es gebe zu wenige Arbeitsplätze und die nähmen nun die Flüchtlinge den Deutschen auch noch weg. Und überhaupt: „Wenn die jetzt hier auch noch eigene Kinder machen…“
Politiker und Organisatoren des Protestes gegen Hetzer von der AfD im Geschwister-Scholl-Gymnasium
Es ist einer der wenigen direkten Dialoge an diesem Sonntagvormittag – zwischen Scholl-Ehemaligen und den Rechtspopulisten von der AfD, die ihren Kreisparteitag in der Schule abhalten. Angeblich sind zwischen 30 und 40 Personen gekommen. Überprüfen können Journalisten diese Angaben von AfD-Funktionären nicht. Denn noch bevor der Parteitag begonnen hat, wird als erstes die Presse ausgeschlossen. Mit großer Selbstverständlichkeit beansprucht die AfD öffentliche Räume für sich, sperrt dann aber die Öffentlichkeit aus.
Yousra El Makrini vom Jugendrat Düsseldorf und ehemalige Schülerin des Scholl-Gymnasium sprach ein Grußwort zu den Gegendemonstranten. Die weiteren RedenerInnen: siehe Kasten unten
Offenbar sollen die anstehenden Wahlerfolge nicht dadurch gefährdet werden, dass jemand der AfD-Basis beim Reden zuhört. Der momentan einzige AfD-Ratsherr in Düsseldorf, Nic-Peter Vogel, gibt ein Beispiel dafür, wie rasch das schief gehen. Er versucht, die Pressezensur so zu erklären: „Es sind überwiegend ältere Menschen gekommen und die müssen sich erst einmal beruhigen, nachdem sie durch den Mob hindurch mussten.“ Kaum ist das gesagt, schiebt er das Wort „Demonstranten“ hinterher. So kann man hinterher schön sagen, man habe das so nie gesagt.
Pardon, der Mann ist unser Oberbürgermeister: Thomas Geisel blieb an einer Polizeisperre hängen
Mit „Mob“ meint Ratsherr Vogel Oberbürgermeister Thomas Geisel, SPD-Parteichef Andreas Rimkus, die Grüne Landesvorsitzende Mona Neubaur, Politiker von FDP und CDU, samt Eltern, Schülern, Düsseldorf stellt sich quer, „Flüchtlinge willkommen in Düsseldorf“, viele Gewerkschaften, beide Konfessionen, Amnesty International, das Türkeizentrum und jede Menge ganz normale Bürger, die ihren Sonntagspaziergang bewusst vorverlegt haben, um mit einer weißen Rose zu zeigen, dass für Rassisten und ihren Hass kein Platz in Düsseldorf ist. Die rund 750 Gegendemonstranten bilden einen breiten Querschnitt der Stadtgesellschaft Düsseldorfs ab.
Christiane, 10, mit dem Text eines Flugblatts der Weißen Rose
Fernsehreporter fragen Kinder und Jugendliche – nach der weißen Rose und den Geschwistern Scholl. „Die wollten das Leben für die Menschen besser machen“, sagt Christiane und reckt ihr knallblaues Plakat mit einem Flugblatttext der Weißen Rose hoch. So einfach lässt sich eine Zehnjährige nicht aufs Glatteis führen. Als ein Reporter der Westdeutschen Zeitung, der vom Ausschluss der Öffentlichkeit noch nichts wusste, auf den Schulhof geht, wird er von einem Mann angeherrscht, diesen sofort zu verlassen. Der da laut wird, trägt keine Ordnerbinde oder sonst ein Kennzeichen. Als der Kollege nicht sofort reagiert, ruft der AfDler laut nach der Polizei.
Warum das Scholl? Da gab es zwei Versionen
Warum die AfD den Kreisparteitag im Geschwister-Scholl-Gymnasium abhält – dazu gibt es zwei Darstellungen. Eine AfDlerin sagt beim Reingehen: „Wir stehen in der Tradition der Geschwister Scholl, denn wir stehen ebenfalls gegen die vorherrschende Meinung.“ Demokratie ist für diese Dame gleichzusetzen mit Faschismus. Wenig später bestreitet ein anderer, der sich selbst als AfD-Pressesprecher bezeichnet: Diesen Hintergedanken habe es nicht gegeben. Nach Ende der Verasntaltung informierte die AfD Düsseldorf darüber, dass der Kreisparteitag Knut Weßelmann zu ihrem neuen Sprecher und Nic-Peter Vogel zu seinem Stellvertreter gewählt habe.
Unbekannte hatten in der Nacht zu Sonntag 32 Schlösser des Geschwister-Scholl-Gymnasiums unbraucbar gemacht
Parallel zum Demoeinsatz sicherte die Kriminalpolizei Spuren im Geschwister-Scholl-Gymnasium. Unbekannten hatten in der Nacht zu Sonntag 32 Schlösser unbrauchbar gemacht und die Türen des Haupteingangs mit Betonplatten blockiert. Die Afdler mussten durch einen Nebeneingang zu ihrer Versammlung. Schuldirektor Hans-Hermann Schrader bezifferte den Schaden mit 20.000 bis 30.000 Euro, nach ersten Schätzungen. Sechs Teilnehmer einer Sitzblockade vor dem Schuleingang wurden von der Polizei nach Feststellung der Personalien entfernt. Nach Angaben eines Polizeisprechers werden Anzeigen wegen Nötigung gefertigt.
Die vielen hundert weißen Rosen vor dem Schultor wurden am Sonntagabend ins Gebäude getragen – zu einer Ausstellung über den friedlichen Widerstand gegen Faschisten.
"Wir schweigen nicht" – Redner der Gegendemo
– Oberbürgermeister Thomas Geisel bedauerte erneut, dass die Stadt den AfD-Parteitag im Scholl-Gymnasium erlauben musste; sagte aber auch, dass die Auseinandersetzung mit der AfD inhaltlich geführt werden müsse und nicht über die Veranstaltungsverordnung.
– Bürgermeisterin Klaudia Zepuntke machte deutlich, dass Hetzer und Rassisten keinen Platz in Düsseldorf haben – ob sie nun von Dügida kommen oder der AfD
– Superintendentin Henrike Tetz von der evangelischen Kirche überbrachte den Scholl-Schülern die Grüße des Düsseldorfer Appells und lobte ihren Einsatz
– Yousra El Makrini vom Jugendrat Düsseldorf bekannte sich zur Schule und dem besonderen Geist auf dem Geschwister-Scholl-Gymnasium
– Rechtsanswältin Gülsen Celibi, Scholl-Ehemalige, erinnerte sich an eine Diskussion über Rechtsradikale zu ihrer Schulzeit. "Ich war eine der wenigen, die sagte man müsse wachsam sein". Eine Woche später, am 29. Mai 1993, zündeten Rechtsextreme ein Haus in Solingen an. Fünf Menschen starben, 17 erlitten zum Teil schwere Verletzungen.
– Cornelia Seger überbrachte die Solidarität des Bundes der Katholischen Jugend, BDKJ.
– Collin Hauke wendete sich im Namen der Schülervertretung gegen jede Form der Ausländerfeindlichkeit
aktualisiert 17:25 Uhr