Düsseldorf dreht bei: 86-Jähriger muss keine 35 Euro Bußgeld für achtminütiges Ausruhen zahlen | Kommentar: Rufschädigung
Die Stadt hat bestätigt, dass ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes ein Bußgeld über 35 Euro gegen einen 86-jährigen, dementen und gehbehinderten Senior ausgesprochen hat. Zugleich teilte sie mit, dass das Verfahren „von Amts wegen“ eingestellt werde. Der Leiter des Ordnungsamtes, Michael Zimmermann, ließ wissen: „Wir bedauern das Vorgehen sehr.“ Das Vergehen des 86-Jährigen: Er hatte sich acht Minuten lang auf dem Sitz einer Bushaltestelle an der Friedrich-Ebert-Straße ausgeruht.
Andere Sitzmöglichkeiten gab es nicht. Also ließ sich der Senior an einer Bushaltestelle nieder. Für den Mitarbeiter des Ordnungsamtes ein Verstoß gegen Paragraph 3 der Düsseldorfer Straßenordnung. Die verbietet in Absatz 2, das Benutzen von Anlagen des ÖPNV „als Ruhe-, Spiel- oder Lagerplatz“. Auch der Genuss von Alkohol und berauschenden Mitteln ist demnach untersagt. Es steht daher zu befürchten, dass der Ordnungsamtsmitarbeiter bis jetzt überhaupt nicht versteht, wieso sein Vorgehen gegen einen alten Mann bundesweit für Empörung sorgt.
"Angemessenheit und Opportunität"
Der Leiter des Düsseldorfer Ordnungsamtes, Michael Zimmermann, hingegen formulierte in Amtsdeutsch so: „Das Verhalten des Seniors hätte unter den Aspekten Angemessenheit und der Opportunität bewertet werden müssen. Bei so einer Entscheidung muss das Lebensalter des Betroffenen, das in diesem Alter natürliche Bedürfnis, eine Ruhepause einzulegen und ‘sich mal setzen’ sowie die im Bahnhofsumfeld fehlenden Sitzgelegenheiten außerhalb der ÖPNV-Anlagen berücksichtigt werden. In der Abwägung dieser Sachverhalte hätte auf eine Ahndung verzichtet werden müssen. Eine angemessene Kommunikation hätte die Situation sicherlich bereits im Entstehen bereinigt.“
Hartes Vorgehen
Soweit die Entschuldigung der Stadt. Von einem Ausreißer allerdings kann niemand sprechen. Obdachlose und die Streetworker von fiftyfifty berichten seit Jahren von einem unangemessen harten Vorgehen von Mitarbeitern des Ordnungsamtes gegen vermeintlich Schwächere.
Dazu der report-D Kommentar.
Kommentar | Rufschädigung
Der Leiter des Ordnungsamtes, Michael Zimmermann, fand klare Worte. Das ist gut. Und auch die einzige Möglichkeit einer Reaktion auf eine Ungeheuerlichkeit, bei der einem der Atem stockt; zumal in der gesegneten Vorweihnachtszeit. Diese Entschuldigung kann aber nur ein erster Schritt sein, dem weitere folgen müssen. Denn was sich der neue Ordnungs- und Rechtsdezernent der Stadt Düsseldorf Christoph Zaum in seiner Ahnungs- und Hilflosigkeit am Montag gegenüber Medien zurecht schwurbelte – Beispiel: dies sei der erste und einzige Fall, in dem derart vorgegangen worden sei – zeigt: Dieser Mann weiß offensichtlich nichts über das Tagesgeschäft seiner Mitarbeiter.
Der Vorfall von der Friedrich-Ebert-Straße steht in einer langen Reihe unangemessenen Vorgehens durch Mitarbeiter des OSD. Da fingert man ungeniert in den Portemonnaies von Obdachlosen, oder konfisziert deren Handys als Sicherheitsleistung. Gerade so als hätten Menschen, die Platte machen, gar keine Rechte. Nicht die Truppe insgesamt, aber offenbar viele Einzelne nehmen ihre Uniform als Freibrief dafür, gegen vermeintlich Schwächere nach Gutdünken vorgehen zu dürfen. Ganz offenbar ist die Auswahl der Mitarbeiter und die Ausbildung zum OSD nicht geeignet, Leute mit Autoritätsproblemen und Sheriffgehabe auszusortieren.
Deshalb muss die Stadt Düsseldorf nun sagen, mit welchen Schulungsmaßnahmen sie ein menschliches Verhalten des OSD sicherstellen will. Und wie sie Personen aus diesem sensiblen Dienst entfernt, die ganz offensichtlich in einer städtischen Uniform nichts zu suchen haben
Mit dieser Aktion, die den Berichten von fiftyfifty folgend, eine von vielen ist, hat eine Amtsperson ohne Maß und Verstand sämtliche millionenteuren Stadtmarketingkonzepte und Grand Depart-Sausen zu Nichte gemacht. Binnen acht Minuten. Gratulation zur gelungenen Rufschädigung. Dirk Neubauer