Beim „gärigen Haufen“: Mit dem Düsseldorfer Termin schwenkt die AfD ins Lager der Ultra-Rechten im EU-Parlament
Um 17.30 Uhr wird es für die Düsseldorfer Messe vollends peinlich: Gut 400 Kehlen skandieren begeistert im wohltemperierten Messe Congress Centrum „Merkel muss weg!“ Breit grient Herr Strache, der seinen Vornamen Hans-Christian mit „HC“ abkürzt, über sein weißes Einstecktuch hinweg. So macht man das, lächelt der Alpen-Führer der österreichischen FPÖ: „Ich hätt nix dagegen – und die nächste deutsche Bundeskanzlerin ist Frauke Petry.“
AfD-Chefin Frauke Petry beim Vortrag in Düsseldorf
Die Angesprochene lächelt eher gequält. Denn während auf der Bühne gegen den Euro, gegen die Altparteien und das System, gegen die Europäische Union, gegen den Islam und die Flüchtlinge gewettert wird, tippt Petry eifrig in ihr I-Phone, neustes Modell. Innerparteilich kämpft sie gerade um ihren Vorsitz. Da bleibt kaum Zeit, um das „Küss die Hand“ des HC Raubautz aus Wien zu genießen, dem die deutsche Polizei bei früheren Ausflügen nordwärts bereits eine Schreckschusspistole aus dem Sakko zog.
Etwas gemäßigtere EU-Gegner entziehen der AfD das Vertrauen
Nach den Äußerungen, an der Grenze müsse notfalls auch auf Frauen und Kinder geschossen werden, haben auch die „Europäischen Konservativen und Reformer“, EKR, der AfD das Vertrauen aufgekündigt. Sie dienten gerade noch als Deckmäntelchen, um die erstaunlich unsensiblen Manager der Düsseldorf Messe und Congress unter der Leitung von Hilmar Guckert zu täuschen. Nun wollen nicht einmal die eingefleischten EU-Gegner unter Leitung der Britischen Konservativen etwas mit dem Düsseldorfer Termin zu tun haben. „Ich heiße sie willkommen zu einer gemeinsamen Veranstaltung von FPÖ und AfD“, begrüßte Sven Tritschler, der die NRW-Jugendorganisation der AfD leitet.
Düsseldorfer Schulterschluss mit Strache, Le Pen, Wilders
Geleitet von FPÖ-Chef Strache führten Frauke Petry und ihre Lebensgefährte, NRW-AfD-Chef Michael Pretzell die AfD in Düsseldorf in das Lager der rechteextremen Fraktion im Europaparlament „Europa der Nationen und der Freiheiten“. Seit den Europawahlen im Mai 2014 arbeitetet der französische Front National von Marine Le Pen , die niederländische Partei für die Freiheit (PVV) des Rechtspopulisten Geert Wilders, die Lega Nord aus Italien, die FPÖ aus Österreich und der Vlaams Belang aus Belgien im Europaparlament eng zusammen.
"Gefährliche Qualität des europäischen Rechtsextremismus"
„Von dieser Fraktion der Rechtsextremen halten wir uns fern“, sagt die Düsseldorfer Europaabgeordnete Petra Kammerevert, SPD, im Gespräch mit report-D. Mit denen rede kaum jemand. Der grüne EU-Abgeordnete Jan Philipp Albrecht warnt vor „Europa der Nationen und der Freiheiten“: In einem Interview mit „Euractiv“ sprach er von einer „Professionalisierung“ und einer „neuen und gefährlichen Qualität des europäischen Rechtsextremismus“. Er forderte die großen Parteien auf, sich gegen die menschenverachtenden Inhalte zu stellen und eigene Konzepte zu entwickeln.
"Erschlaffte Altparteien"
In Düsseldorf spricht Frauke Petry von den „erschlafften Altparteien“; es sei Zeit für eine neue Kraft. Mit Zitaten von Konrad Adenauer stellt sie das gesamte System der EU in Frage. Der Euro sei gescheitert, Europa entmündige die Nationalstaaten. Auch eine starke Wirtschaftsunion sei nicht notwendig: „Wir wollen ohnehin nicht mit den USA oder mit China mithalten.“ Ein großer Teil der Rede besteht darin, sich und die AfD den Märtyrerstatus zu geben – als die einzige politische Kraft in Deutschland, die den Menschen die Wahrheit sage. Am Ende ihres Vortrags widerspricht sie entschieden ihrem Parteifreund Alexander Gauland, der der AfD jegliche Regierungsfähigkeit abgesprochen hat („Die AfD ist ein gäriger Haufen!“): „Man könne sehr wohl regieren.“
Am 13. März sind Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt.
FPÖ-Mann Harald Vilimsky (rechts) macht noch schnell ein Selfie, Frauke Petry ließ sich auf der Düsseldorfer Bühne feiern