Düsseldorf Altstadt: Die AfD schleppt Kisten und Häme in den Henkel-Saal
Samt Mops zur AfD – und dann das: Meral und Esra Alma begrüßen nach über drei Stunden freundlich die beigen, zum Teil in Stützstrümpfe gezwängten AfD-Kampfopas: „Hallo, wir zahlen Eure Renten!“ Erst sind die Angesprochenen verblüfft, dann lachen sie hysterisch: „Ihr arbeitet doch gar nicht!“ Es braucht exakt acht Studentinnen und Studenten, um die die Corega-Tabs-Gang der AfD aus dem rechten Takt zu bringen. Sie, denen alles zu viel ist – zu viel EU, zu viele Flüchtlinge, zu viel Merkel – stehen am Ende eines langen Kampftages vor Plakaten wie diesem: „Hass stoppen – Vielfalt leben“. Und werden dann auch noch von Musliminnen aktiv angesprochen. Potz tausend!
Abgeriegelt zur Ratinger Straße. Die AfD-Gäste mussten einmal um den Block oder durch einen Hintereingang gehen, um zum Henkel-Saal zu kommen
Schuld daran ist die links versiffte Düsseldorfer Polizei, sagt Martin Schiller aus Münster auf der Bühne, AfD-Landesliste Platz 16 für die kommende Bundestagswahl, ein aalglatter Anzugträger, gelernter Industriefeinmechaniker, der über die bundesdeutsche Botschaft in Prag ´rübergemacht hat, als es die DDR noch gab und nun stramm auf Parteikurs ist. Auf AfD-Kurs, versteht sich. Die Polizei habe es zugelassen, dass sich rund 250 Rechtspopulisten durch den linken Block quälen mussten. „Angeschrien, angespuckt, angerempelt“ – klagt Schiller; scheinheilig. Denn in Wirklichkeit mögen sie es gerade so –die AfD sieht sich schließlich als alleiniger Träger der Wahrheit.
Protest von rund 400 Antifaschisten von Dssq, Pater Wolfgang von der Armenküche und Oliver Ongaro (rechts daneben).
Und da sind die rund 400 Gegendemonstranten von „Düsseldorf stellt sich quer“, Dssq, aus Sicht der verqueren Rechtspopulisten so eine Art Bestätigung – viel Feind, viel Ehr, viel Aufmerksamkeit. Da mag Pater Wolfgang mit klaren Worten mahnen und Thomas Beckmann stoisch sein Cello bearbeiten – „Guck mal, da ist wieder der Geiger“, ruft einer der hochgebildeten AfDler.
Erst mal muss ein alternativer Nachschub her – das Wort „Catering“ verbietet sich bei Fremden-Feinden natürlicherweise. Da sich die AfD in den Henkel-Saal eingeklagt hat, bleibt der Service aus. Blau-Rote Parteifreunde schleppen eigenhändig Getränke-Kästen herbei: Wasser, Limo, Cola, Bier. Auch sowas schafft Identität. Dann läuft die Party.
Versorgung -von eigener Hand: Schlösser musste den Hnekel-Saal stellen, aber nicht den Getränkenachschub.
Sie ist nach Drehbuch inszeniert. Dr. Michael Espendriller, nach eigener Aussage promovierter Mathematiker aus Aachen, macht den Auftakt und feiert sich als Aufdecker des NRW-Wahlbetrugs an der AfD. Er habe den Algorithmus entwickelt, demzufolge die Zählfehler in den Wahllokalen der Landtagswahl kein Zufall waren, sagt er.
Danach kommt erst mal ein Mitglied der AfD-Jungschar und berichtet von einem am Bochumer Hauptbahnhof – natürlich von Linken – zusammengeschlagenen Unterstützer, der nun angeblich um Augenlicht und Hörvermögen bangen muss. Es gehen Hüte rum, in denen Geld gesammelt wird.
(von links oben nach rechts unten): Dr. Michael Espendriller, Joana Cotar, Kay Gottschalk, Dr. Alice Weidel – die AfD Redner.
Dann bedient Joana Cotar, geboren 1973, die fremdenfeindliche Seite der Rechtspopulisten. Sie kennt sich aus, denn die Hessische Bundestagskandidatin ist selbst mit ihrer Familie aus Rumänien eingewandert. Was Frau Cotar selbstverständlich nicht daran hindert, gegen die aktuellen Migranten in übelster Weise zu kübeln. Und natürlich gegen Merkel.
Aber an der Stelle ist bei der AfD ohnehin so eine Art System drin, denn sie sammelt Leute wie Kay Gottschalk aus Hamburg, der sich als „Diplom-Kaufmann und Jurist“ vorstellt und angeblich lange als leitender Angestellter bei Versicherungen tätig war. Vor vielen Jahren hat er es mal mit der SPD versucht, war aber aus seiner Sicht bei den Genossen zu ehrlich und zu hellsichtig – so dass er schon frühzeitig die Flüchtlingsthematik angesprochen und von den undankbaren Sozis genau dafür abgestraft worden war. Heute kann er unter dem Beifall des Saales sagen: „Ich bin gerne Populist und meiner Zeit um Jahre voraus.“ Der Mann propagiert Staatsfonds nach schwedischem Vorbild als Idee, die Schieflage des deutschen Rentensystems gerade zu rücken.
Plakat in der Düsseldorfer Altstadt
Und dann kommt Dr. Alice Weidel, angekündigt als Starrednerin des Abends. Und hält einen volkswirtschaftlichen Vortrag über Währungspolitik, EU-Versagen und den deutschen Ausstieg aus dem Euro. Etliche gehen auf Toilette oder verlassen den Saal ganz. Es sieht beinahe so aus, dass sie lieber noch ein bisher länger gegen den Bundestag, die Justiz und Europa gehämt und gehetzt hätten. Was Weidlich vorträgt, ist schwerer Stoff. Am Ende bekommt sie artigen Beifall.
Dann geht es wieder raus in die Düsseldorfer Altstadt. Und direkt vor die lachenden Gesichter der acht Studentinnen und Studenten mit Transparenten wie diesem: „Hass stoppen, Vielfalt leben!“