Düsseldorf Kommentar: Immunität gegen Verschwörungs-Erzähler
Eine Demokratie muss es aushalten, wenn Menschen anderer Meinung sind. Auch wenn das komplette Idioten sind und abstruseste Verschwörungserzählungen verbreiten wie Tröpfcheninfektionen. Von „Theorien“ will ich hier ganz bewusst nicht sprechen. Der Begriff ist dem wissenschaftlichen Raum vorbehalten. Damit sollten Corona-Maßnahmen-Gegner, Impfgegner, 5G-Telefonsender-Gegner, Bill Gates-Gegner, Merkel-Gegner nun wirklich nicht geadelt werden.
Punkt eins: Die Corona-Maßnahmen-Gegner sind in der Minderheit. Das ist zunächst einmal ein Punkt für sie. Denn das Argument „Wir sind mehr, also haben wir recht“, ist eine Dummheit, kein Freibrief. Aber der einfache Fahrschein für die Düsseldorfer Rheinbahn zeigt: In der Straßenbahn tragen alle Fahrgäste Masken, alle sitzen auf Abstand. Desinfiziert wird an den Endhaltestellen.
Die Maske
Ich persönlich finde eine Maske ganz furchtbar. Ich bekomme darunter schlecht Luft, meine Brille beschlägt – aber derzeit gebietet es schlicht die Höflichkeit gegenüber meinem Gesprächspartner, meinem Mitreisenden, dem Gegenüber im Parkhausaufzug, dass ich Mund und Nase bedecke.
Es ist eine Minderheit, die für sich das Recht beansprucht, andere nach Belieben anstecken zu dürfen – und das „Verteidigung der Grundrechte“ nennt. Möglicherweise tragen sie dadurch erst zu einer wirklichen Einschränkung der Grundrechte bei, wir werden sehen. Eine aktuelle Forsa-Umfrage zeigt, dass zwei von drei Befragten die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie durch die Bundes-, Landes- und Stadtregierungen richtig finden. Mehr noch: Das weltweite Feedback für den Umgang Deutschlands mit dem Coronavirus ist positiv. Es gibt ein, zwei Länder, die es besser gemacht haben – Taiwan beispielsweise. Da, wo Populisten an der Macht sind – in den USA und in Großbritannien – wünschen sich viele ein Krisenmanagement wie in Deutschland.
Die Fehler
Das heißt nicht, dass da auf oberster Staatsebene keine Fehler passiert sind. Diese wurden aber von Gerichten korrigiert. Schönen Gruß, an alle, die hysterisch von einer „Merkel-Diktatur“ schwadronieren. Sie dürfen auch morgen und übermorgen laut krakeelen, eben weil das hier keine Diktatur ist. Der rechts-nationale Mob hierzulande ist so hinter den Corona-Rebellen her, weil ihm eines seiner zentralen Argumente seit der Flüchtlingskrise 2015 abhandengekommen ist: Deutschland ist keine GmbH, kein Debattierclub, sondern handlungsfähig. Wenn es darauf ankommt.
Der Milliardär
Punkt zwei: Bill Gates ist ein mehrfach verurteilter Milliardär. Dabei ging es vor 18 Jahren um Microsofts Machtmissbrauch. Um die widerrechtliche Ausnutzung einer Monopolstellung, wofür der Mann eine Strafe in dreistelliger Dollar-Millionen-Höhe zahlen musste. Das ist kein Grund, ihn heute mit falschen Zahlen und falschen Anschuldigungen und Verdächtigungen zu belegen. Er ist mit seinen Milliarden-Zahlungen an die Weltgesundheitsorganisation WHO zu einem der größten, nicht-staatlichen Unterstützer geworden. Daraus wird die Erzählung gemacht, er wolle die Weltbevölkerung auf 500 Millionen Menschen reduzieren und mit Mikrochips impfen. Da heute bereits jeder über sein Handy und mit jedem Klick in soziale Medien alles über sich preisgibt, stellt sich die Frage, warum Gates diese Anstrengung eigentlich unternehmen sollte. Der Politikredakteur der Frankfurter Allgemeinen Sonntagzeitung, Morton Freidel, hat in einem lesenswerten Beitrag die Top-Mythen dieser Tage auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüft. Wegen des großen Interesses hat die FAZ dieses Stück hinter der Bezahlschranke geschoben. (https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/wie-verschwoerungstheoretiker-im-netz-ihren-wahn-verbreiten-16773096.html)
Ganz persönlich
Punkt 3: Tatsächlich wurden die Grundrechte gravierend eingeschränkt, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Erst als dies gelungen war und die Auflagen gelockert wurden, wuchs der Protest an – mit der Forderung: Die Auflagen müssten weg! Stellvertretend für die Zuspät-Gekommenen dieser Tage steht der Düsseldorfer OB-Kandidat der AfD, der sich vor den Schlossturm stellte mit einem Schild: „Corona-Shutdown beenden“, als die ersten Lockerungen längst in Kraft waren. Jeder darf sich der Realität verweigern, aber das sollte seine ganz persönliche Angelegenheit bleiben.
Wie weiter?
Corona-Maßnahmen-Gegner sollen weiterhin in Düsseldorf demonstrieren. Sie haben keinen Anspruch darauf, dass man ihren Unsinn ernst nimmt. 80 Prozent der Deutschen wären laut Umfragen bereit, sich gegen Corona impfen zu lassen. Sie haben im Netz jederzeit die Möglichkeit, die Aussagen aus Hass- und Verblödungsvideos mit ein paar Klicks zu überprüfen – und sich eine eigene Meinung zu bilden. Das macht wirklich immun – gegen Verschwörungs-Erzähler.
Foto: Infozentrale