Hygienealarm auf der Kaiserswerther Frühchen-Station: Klinik in Erklärungsnot
Zwei Neugeborene sind gestorben. Das Florence-Nightingale-Krankenhaus behauptet: Nicht an den Killer-Keimen – das hatte andere Ursachen! Fünf Frühchen befinden sich immer noch in stationärer Behandlung, sechs Kinder konnten nach Hause entlassen werden. Sie alle wurden von einem Darmkeim angegriffen, gegen den nur zwei Antibiotika überhaupt helfen. Und die Station nimmt unverdrossen weiter Kinder auf…
Bis zuletzt versuchte die Klinikleitung alles, um die Hygienemängel unter der Decke zu halten. Dabei gab es schon Anfang März erste Krankheitsfälle mit Vankomycin-resistenten-Enterokokken (VRE), wie die Klinik in ihrer eigenen Pressemitteilung zugibt. Der Leitende Oberarzt, Dr. Martin Berghäuser, wird zitiert: „Insgesamt waren seit dem 5. März 13 Frühgeborene betroffen.“
Anfangs hielten Ärzte und Pfleger alles unter der Decke
Doch anstatt für Transparenz zu sorgen und vor allem Eltern zu informieren, die danach ihre Neugeborenen in die Klinik brachten, blieb zunächst alles unter den Ärzten und Pflegern. „Wir haben drei Kohorten gebildet, um eine weitere Ausbreitung der Keime zu unterbinden“, beschrieb Katharina Bauch, stellvertretende Pressesprecherin der Klinik, das Vorgehen gegenüber report-D.
Trennung in drei Gruppen
In der ersten Gruppe waren die beiden tatsächlich infizierten Frühchen. Sie wurden nach Angaben der Sprecherin Bauch räumlich von den anderen getrennt. Mehr noch: Laut Aussage von Bauch kümmerte ein eigener, fester Stamm von Pflegern und Ärzten um diese beiden Kinder.
In der zweiten Gruppe waren die Frühchen, die von VRE „lediglich besiedelt“ waren. Das bedeutet: Keime waren auf der Haut nachweisbar, aber es gab keine Krankheitssymptome. Auch sie wurden nach Angaben der Sprecherin in eigene Räume verlegt. Auch sie hätten eigene Ärzte und eigene Pfleger bekommen.
In der dritten Gruppe seien alle übrigen Frühchen gewesen. Nur als zwischenzeitlich das Personal knapp wurde, habe es einen vorübergehenden Aufnahmestopp gegeben.
Empörte Eltern machen Druck auf die Klinikverantwortlichen
Und erst als Journalisten von empörten Eltern auf den Vorfall hingewiesen wurden und anfingen zu recherchieren, trommelte die Klinikleitung am Dienstag (7.4.) eiligst zu einer Pressekonferenz. Dort trat zur Entlastung Dr. Klaus Göbels auf, der Leiter des Düsseldorfer Gesundheitsamtes. Vollmundig bescheinigte er der Kaiserswerther Klinik: „Der Keim wurde uns rechtzeitig gemeldet. Die Klinik hat vorbildlich reagiert.“
Leider hat sich dies noch nicht bis in alle Winkel des Düsseldorfer Gesundheitsamtes herumgesprochen. Denn auf Nachfrage von report-D erklärte am Dienstagnahmittag die Stadt: Dem Gesundheitsamt sei das Keim-Problem offiziell erst am 1. April 2015 gemeldet worden. Unklar blieb zunächst, ob Klinik und Stadt Düsseldorf den Auflagen des Infektionsschutzgesetzes gefolgt sind. Demnach hätte die Verseuchung der Kaiserswerther Frühchenstation den Landesbehörden gemeldet werden müssen, da es eingestandenermaßen mindestens zwei Infektionen gegeben hat.
Informationen lediglich für unmittelbar betroffene Eltern
Wie wurden die Eltern informiert? Dazu sagte die stellvertretende Krankenhaussprecherin Katharina Bauch: „Es wurden die Eltern in persönlichen Gesprächen informiert, deren Kinder von VRE betroffen waren.“ Also nur jene 13 Mütter und Väter. Gab es Informationen an Eltern, deren Neugeborene neu aufgenommen wurden? Dies verneinte Sprecherin Bauch gegenüber report-D.
Keine Keim-Tests von Ärzten und Pflegepersonal
Der bislang letzte Test bei allen Kindern auf der Kinderintensiv-Station am Florence-Nightingale-Krankenhaus habe ergeben, dass sich die VRE-Keime dort nicht weiter ausgebreitet hätten. Laut Sprecherin Bauch aber wurden Ärzte und Pflegepersonal keinem solchen Test unterzogen. Verwunderlich. VRE kann durch einfachen Kontakt der Hand mit einer Türklinke übertragen werden.
Hintergrund: VRE
Es geht bei den Kaiserswerther Hygienemängeln um Vancomycin-resistente-Enterokokken (VRE). Enterokokken gehören zur menschlichen Darmflora. Gegen eine gefährliche Unterart von ihnen ist das Antibiotikum „Vancomycin“ machtlos. Es wirkt schlicht nicht, die Bakterien können sich immer weiter vermehren. Das bedeutet: Kinder, geschwächte Personen und alte Menschen sind nach kurzer Zeit in Lebensgefahr. Lediglich für hochinfektiöse Fälle vorgehaltene Reserve-Antibiotika helfen gegen VRE. Es sind aber momentan die letzten Waffen der Menschen gegen immer resistenter werdende Keime. Durch jede Verwendung werden diese Waffen von Mal zu Mal stumpfer.