Düsseldorf Wehrhahnattentat Urteil: Angeklagter Ralf S. freigesprochen
Mit einem Freispruch für den Angeklagten Ralf S., 52, ist am Dienstagmorgen (31.7.) kurz nach 9.30 Uhr der Düsseldorfer Prozess zum Wehrhahn-Attentat im Juli 2000 zu Ende gegangen. Dem Landgericht reichte die Indizienkette nicht aus, auf die der Düsseldorfer Staatsanwalt Ralf Herrenbrück sein Plädoyer aufgebaut hatte. Herrenbrück hatte eine lebenslange Haftstrafe wegen zwölffachen versuchten Mordes gefordert.
Nachdem mehrere Zeugen ihre Aussagen vor Gericht relativiert oder nicht wiederholt hatten, war Ralf S. bereits am 17. Mai aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Der Vorsitzende Richter Rainer Drees hatte bereits zuvor mehrfach erkennen lassen, dass ihn die von der Staatsanwaltschaft und den vier Nebenklägervertretern vorgetragene Indizienkette nicht überzeuge. Drees hielt den Mann auf der Angeklagebank, kurz gesagt, für einen Schwätzer, der mit dem von ihm angeblich begangenen Bombenanschlag nur geprahlt habe. Auf diese Sicht der Dinge hatten die Anwälte von S. ihre Verteidigung aufgebaut.
Indizienkette
Der Düsseldorfer Staatsanwalt Ralf Herrenbrück hingegen legte auch in seinem Schlussplädoyer noch einmal dar, dass die monatelange Beweiserhebung eine aus seiner Sicht lückenlose Indizienkette gegen S. aufgezeigt habe. Demnach hat Ralf S. am 27. Juli 2000 an der S-Bahnhaltestelle Düsseldorf-Wehrhahn eine Bombe in einer Plastiktüte an einen Zaun gehängt und gezündet. Zehn Menschen aus einer zwölfköpfigen Gruppe überwiegend jüdischer Sprachschüler aus Osteuropa wurden durch die Detonation und umherfliegende Splitter verletzt. Die Notärzte sprachen im Jahr 2000 von mehreren lebensgefährlich Verletzten. Das ungeborene Baby einer schwangeren Frau wurde durch Splitter im Mutterbauch getötet. Als Motiv benannte Herrenbrück „tief verwurzelte Ausländerfeindlichkeit“.
"Justizfehler"
Für den Anwalt der Nebenklage, Juri Rogner, ist das Urteil „der schwerste Justizfehler in der Geschichte Düsseldorf“. Unmittelbar nach seiner Freilassung soll S. mehreren Presseberichten zufolge Morddrohungen gegen Staatsanwalt Herrenbrück ausgestoßen haben. Der Vorsitzende Richter Drees brauchte elf Tage, um Herrenbrück überhaupt davon zu verständigen, dass der Strafkammer entsprechende Hinweise vorlagen. Währenddessen soll S. im Internet seine Geschichte Magazinen und TV-Sendern gegen eine hohe Geldsumme angeboten haben.
Empörung
Die Düsseldorfer Antifaschistenzeigten sich empört über das Urteil. Sie kündigten in einer Erklärung an, S. und die Düsseldorfer Neonazi-Szene „weiterhin im Auge zu behalten“. Kai Rudolph, Sprecher antifaschistischer Gruppen aus Düsseldorf: „Der Freispruch ist für uns ein Skandal. Wir sind weiterhin von der Täterschaft von Ralf S. überzeugt. Das Gericht legte Zeug*innenaussagen und Indizien zu einseitig zu Gunsten von Ralf S. aus. Die Indizien die vorgetragen wurden waren unserer Ansicht nach erdrückend. Wie viele andere Prozessbeobachter*innen sind auch wir der Meinung, dass der Wehrhahn-Anschlag ohne S. nicht möglich gewesen ist.“ Gefordert sei weiterhin die vollständige Aufklärung des „Wehrhahn“-Komplexes. Etliche Fragen blieben, trotz des Prozessendes, weiterhin offen, besonders die ungeklärte Rolle des NRW-Verfassungsschutzes in diesem Fall.