Düsseldorf: NS-Regime-Unterstützer oder aktiv im Kolonialismus – Zwölf Namensgeber für Straßen fielen bei der Prüfung durch
Rund 3.500 Straßen, Wege und Plätze gibt es in Düsseldorf, aber nicht alle sind nach Personen benannt, die nach der heutigen Auffassung einen Vorbildcharakter darstellen. Deshalb beschloss der Rat im März 2018 die Straßennamen durch einen wissenschaftlichen Beirat überprüfen zu lassen. Am Donnerstag (23.1.) wurden dem Kulturausschuss auf 300 Seiten die Ergebnisse der Überprüfung vorgestellt. Die Empfehlung: 12 Straßen sollen umbenannt werden, über 25 weitere kann diskutiert werden, bei allen anderen Namen bestehe kein Handlungsbedarf.
Porschestraße
Ferdinand Porsche ist vielen Menschen als Automobilkonstrukteur und Unternehmer der attraktiven Nobelmarke bekannt. In Flingern-Nord ist eine Straße nach ihm benannt. Doch Porsche gehörte zu den 99 Personen, die dem wissenschaftlichen Beirat bei der Überprüfung der Namensgeber für Straßen auffiel. Für 79 Personen wurden Gutachten erstellt, akribisch in Archiven in ganz Deutschland geforscht und Dokumente gelesen. Danach erschien die Person Ferdinand Porsche nicht mehr schillernd, sondern verabscheuungswürdig. Denn der Unternehmer hatte es nicht nur verstanden mit dem NS-Regime Geschäfte zu machen und selber zum SS-Oberführer befördert zu werden, er zeigte sich auch skrupellos in der Ausbeutung von Zwangsarbeitern für seine Produktion. In einer firmeneigenen „Ausländerkinder-Pflegestätte“ kamen mehr als 300 Kleinkinder ums Leben, da er die unzureichende Versorgung duldete. Bei der Entnazifizierung konnte er einen Freispruch für sich erreichen, von einer Reflexion seiner Handlungen ist nichts überliefert. Der Beirat kam nach der Recherche zu dem Schluss, dass er Menschenrechte und -würde missachtet hat und keine Vorbildfunktion ausübte – Voraussetzungen dafür Namenspate für eine Düsseldorfer Straße zu sein.
Der Abschlussbericht umfasst 300 Seiten
Weitere Vorschläge zur Umbenennung
Antisemitismus, herausragende Stellungen im 3. Reich, Unterstützung des NS-Regimes oder Nähe zum Rechtsextremismus stellte der Beirat bei fünf weiteren Namensgebern für Straßen fest:
Pfitznerstraße in Benrath: Hans Erich Pfitzner (1869-1949), deutscher Komponist, Dirigent und Autor
Münchhausenweg in Rath: Börries Freiherr von Münchhausen (1874-1945), deutscher Lyriker; Senator der Deutschen Akademie der Dichtung
Wilhelm-Schmidtbonn-Straße in Garath: Wilhelm Schmidt(bonn) (1876-1952), deutscher Schriftsteller und Dramatiker
Heinz-Ingenstau-Straße in Stockum: Heinz Ingenstau (1910-1971), deutscher Jurist; Stadtdirektor von Düsseldorf
Hans-Christoph-Seebohm-Straße in Hellerhof: Hans-Christoph Seebohm (1903-1967), deutscher Politiker und Ingenieur; Bundesminister für Verkehr und Vizekanzler der BRD
Bemerkenswert ist, dass Seebohm erst im Jahr 1980 auf Vorschlag der CDU zum Nemansgeber für eine Straße wurde und Ingenstau sogar erst im Jahr 2004. Zu diesem Zeitpunkt wurde ihre Leistungen offenbar noch anders beurteilt.
Kolonialisten
Doch es waren nicht nur Personen, die auf ihre Stellung während der Nazi-Zeit untersucht wurden. Es ging um insgesamt 645 Namensgeber für Straßen, die nach 1870 verstorben sind. Darunter einige, die sich als aggressive Kolonialisten hervorgetan haben. So gibt es in Urdenbach ein Viertel, mit dem die Nationalsozialisten „verdiente Männer der deutschen Kolonialgeschichte“ geehrt haben. Sechs Herren fielen bei der Recherche des Beirats auf und die Umbenennung der Straße wird empfohlen:
Petersstraße: Dr. Carl Peters (1856-1918), deutscher Kolonialpolitiker und Afrikaforscher
Lüderitzstraße: Franz Adolf Eduard von Lüderitz (1834-1886), deutscher Kaufmann; Kolonialist
Woermannstraße: Adolph Woermann (1847-1911), deutscher Kaufmann und Großreeder; Kolonialist
Leutweinstraße: Theodor Leutwein (1849-1921), deutscher Kolonialpolitiker; Kommandeur der Kaiserlichen Schutztruppe und Gouverneur von Deutsch-Südwestafrika.
Sowie die
Schlieffenstraße in Mörsenbroich: Alfred Graf von Schlieffen (1833-1913), preußischer Generalfeldmarschall
und die
Wissmannstraße in Unterbilk: Hermann von Wissmann (1853-1905), deutscher Offizier, Kolonialbeamter und Afrikaforscher; Reichskommissar.
Historische Karten und Unterlagen wurden im Archiven in ganz Deutschland geprüft
Rat entscheidet über Umbenennung
Wie mit den jeweiligen Straßen- und Platznamen weiter umgegangen wird und ob es tatsächlich zu Umbenennungen kommt, kann am Ende nur der Stadtrat beschließen.
Die komplette Untersuchung des wissenschaftlichen Beirats mit den 79 Gutachten ist online auf den Seiten des Stadtarchivs und der Mahn- und Gedenkstätte als pdf zu lesen: https://www.duesseldorf.de/stadtarchiv/aktuell/ausstellung1.html
Die Arbeit des wissenschaftlichen Beirats
Das Ziel der Überprüfung der Straßennamen war, die Straßenbezeichnungen zu identifizieren, die mit den Grundsätzen einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft unvereinbar sind. Dabei wurden die untersuchten Person immer in ihrem historischen Kontext gesehen und die Lebensleistung in Relation zu den Berührungspunkten gesehen. Einfluss hatte, ob die Namensgeber zu Lebzeiten eine Art Reflexion haben erkennen lassen, bzw. sich nach der NS-Zeit aktiv am Aufbau einer neuen Demokratie beteiligten.
Die Namen wurden in Kategorien eingeteilt: A – schwer belastet/nicht haltbar; B – diskussionswürdig, teilweise belastet, ein Abwägungsprozess ist notwendig und C – unbelastet. Über die tatsächlichen Umbenennungen muss am Ende der Stadtrat entscheiden. Der Beirat schlägt außerdem vor, allen 25 in die Kategorie B eingeordneten Straßennamen mit gut sichtbaren erklärenden Tafeln/Schildern zu versehen.
(v.l.) Dr. Benedikt Mauer und Dr. Bastian Fleermann hatten den Vorsitz im wissenschaftlichen Beirat
Dem wissenschaftlichen Beirat gehörten an: Vorsitzende – Dr. Bastian Fleermann, Leiter der Mahn- und Gedenkstätte, sowie Dr. Benedikt Mauer, Leiter des Stadtarchivs; Mitglieder – Prof. Dr. Volker Ackermann, Heinrich-Heine-Universität/Vorsitzender Düsseldorfer Geschichtsverein, Dr. Peter Henkel, Mahn- und Gedenkstätte, seit 1. November 2018 Projektgruppe "Haus der Landesgeschichte NRW", Sigrid Kleinbongartz, stellvertretende Leiterin des Stadtmuseums, Dr. Julia Lederle-Wintgens, stellvertretende Leiterin des Stadtarchivs, Rajiv Strauß (Referent im Büro des Oberbürgermeisters für den Bereich Kultur) sowie je ein beratendes Mitglied aus jeder Ratsfraktion (ohne Stimmrecht).