Düsseldorf: Vorsicht Kriminalstatistik – weniger Straftaten im Jahr 2016
Beleidigen, grabschen, vergewaltigen: „Übergriffe gegen Frauen haben sich 2016 nahezu verdoppelt“. So lautet die billige, schnelle Schlagzeile aus der Kriminalstatistik 2016 der Düsseldorfer Polizei. Von 271 angezeigten Straftaten schnellte die Zahl empor zu 527 Anzeigen. Und weil das Kino im Kopf sofort Silvesternacht-Szenen abspielt, über Täter an dieser Stelle aber noch gar nichts gesagt wurde, wird eines klar: So eine Polizeistatistik führt sehr schnell in die Irre.
Jede der 527 Frauen hat etwas erlitten, was nicht wieder zu heilen ist. Diese 527 Verbrechen stehen einer Gesamtzahl von 77.929 (Vorjahr 84.260) Strafdelikten in Düsseldorf gegenüber. Den Betroffenen ist solch ein Größenverhältnis völlig egal. Ob ihr jemand ein Schimpfwort hinterherrief, ein Unbekannter eine Frau antanzte und sich an ihr rieb oder – die Definition von Vergewaltigung – mit einem Körperteil in eine Körperöffnung eindrang: Es kostet eine Menge Überwindung, zu einer Wache zu gehen und das Unaussprechliche zu erzählen.
Frauen zeigen konsequenter an
Da hat die Silvesternacht zwischen Schlossturm und Kö ein Umdenken bewirkt. Es gibt nun mehr Frauen als früher, die das Erlittene zu Protokoll geben. Sie erfüllen eine Forderung der Beraterinnen im Düsseldorfer Frauenbüro, bei denen sich frau bisher ausweinte, aber dann keine Konsequenzen zogen.
Denn die meisten Täter sind Bekannte oder Verwandte. Etwa ein Drittel des Anstiegs geht unmittelbar auf die Silvesternacht zurück; von 118 gemeldeten Sexualdelikten sortiert die Polizei 101 unter Vergewaltigung und sexuelle Nötigung ein. Und auch die weiteren Anzeigen erfolgten nach Meinung der Polizei, weil die öffentliche Diskussion über die Silvester-Vorfälle das Bewusstsein geschärft habe.
Es sind kleine Dinge, die helfen
So schwierig ist das mit einer scheinbar harmlosen Kriminalstatistik. Die Gesamtzahl der angezeigten Straftaten liegt bei 77.929 und bedeutet einen Rückgang gegenüber dem Vorjahr (84.260) um 7,51 Prozent. Die Aufklärungsquote liegt bei 45,97 Prozent.
Polizeipräsident Norbert Wesseler
Zu niedrig“, kritisiert Polizeipräsident Norbert Wesseler. Wenigstens 50 Prozent sollten es schon sein, meint er. Und liefert damit als Realist Munition für alle Statistik-Extremisten, denen alles unter 100 Prozent ein Gräuel ist.
Diese 100 Prozent gelten für alle Morde (1) und Mordversuche (5). Die Zahl der Wohnungseinbrüche ist um 23 Prozent auf 2.391 aktenkundige Fälle gesunken. Zuletzt gab es 2008 so wenige Einbrüche. Allerdings hat die Polizei auch mehr als 77.000 Arbeitsstunden und viele Ressourcen eingesetzt, um diese Zahl zu erreichen. Falls die Anstrengungen nun nachlassen, kann Wesseler nicht versprechen, dass es bei solch niedrigen Werten bleibt. Der NRW-Innenminister hatte den Einbruchsdiebstahl und die Taschendiebe zu Schwerpunktthemen erklärt. Damit die Fortschritte nicht sofort wieder verloren gehen, soll auch das kommende Jahr diesen beiden Schwerpunktthemen gewidmet sein.