Drahtseilakt: Elias Sime im Kunstpalast Düsseldorf
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Er sammelt Dinge vom Schuttabladeplatz der Zeit: alte Computer, Fernseher, Telefone, andere ausgediente Geräte. Für unser europäisches Öko-Gewissen ist das Elektroschrott, ein Umweltproblem. Für den Äthiopier Elias Sime sind es Schätze. Materialien für seine einzigartige Kunst. „It‘s no garbage“, betont seine Partnerin Meskerem Assegued, kein Abfall! Aus geflochtenen Kabeln, zersägten Leiterplatten, zahllosen Einzelteilen, die ihre Funktion verloren haben, schafft Sime wunderschöne, teils monumentale Reliefs und Objekte. Erst beim näheren Hinsehen offenbaren sie die Geheimnisse ihrer Entstehung. „Echo“ heißt Simes farbenglühende Ausstellung im Düsseldorfer Kunstpalast, seine erste Solo-Schau im deutschsprachigen Raum. Eine Entdeckung.
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Ein Team: der äthiopische Künstler Elias Sime, seine Kunst-Partnerin Meskerem Assegued und die Düsseldorfer Kuratorin Felicity Korn. (links). Foto: bikö
Elias Sime hat nichts gegen moderne Technologie. Sie kann Fragen beantworten, sie verbindet die Menschen in aller Welt. Er weiß das zu schätzen. Was ihn beunruhigt, ist der verbreitete Verzicht auf persönliche Begegnungen, Berührungen. Selbst Blumen schicke man heutzutage als digitales Bild. Gegen dieses Gefühl der Entfremdung baute er Zoma, ein verzweigtes Kultur- und Bildungszentrum in seiner Heimatstadt Addis Abeba. Die Häuser, darunter Ateliers, eine Galerie und eine Schule, umgeben von Gärten, wurden in traditioneller Lehmbauweise konstruiert, mit Erde und Stroh, spontan geformt und verziert. Wie es die Menschen schon vor Jahrtausenden taten, lange bevor die erste Glühbirne erfunden wurde.
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Besuch in Addis Abeba: Ein Film zeigt das Kulturzentrum Zoma, das Elias Sime aufgebaut hat. Foto: bikö
Affen und Frösche
Ein Film führt das Publikum durch die lauschige Anlage. Einiges von der Sinnlichkeit des fernen Ortes hat auch die Ausstellung mit farbigen Wänden und einem mit Zoma-Fototapeten ausgestatteten Studio, in dem jeder selbst kreativ werden kann. Aus Lehm und Stroh geformt sind die witzigen „Monkeys, Frogs and Televisions“, Äffchen, Frösche und Fernseher, die weiter vorn an einem Durchgang die Wacht halten. 2005 hat Sime die kleinen Skulpturen gemacht. Der studierte Grafiker kann vermutlich aus allem Kunst zaubern. Sogar aus Knöpfen, wie einige Frühwerke beweisen. Eine „Traumwelt“ nähte er 2001 mit „Buttons“ und Baumwollfäden auf Leinwand. Selbst Sticken ist für ihn ein malerischer Vorgang, wie ein blühendes „Unkraut“ beweist, während ein Relief aus Knöpfen, Schlössern und Schlüsseln humorvoll für Verwirrung sorgt („Confused“, 2003).
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Bestickend: Detail aus der Arbeit „Unkraut“ von Elias Sime (2003/4). Foto: bikö
Obwohl Sime selbst am liebsten in seiner Heimat bleibt und kaum englisch spricht, wurde die Welt, vermutlich dank seiner gewandten Mitstreiterin Meskerem Assegued, auf ihn aufmerksam. Schon 2009 hatte er eine erste Einzelausstellung in den USA, im Santa Monica Museum of Art. Zur gleichen Zeit entdeckte er die technologischen Teile als Material für seine Reliefs. Da nichts gefärbt wird, braucht er manchmal Jahre des Zerlegens und Sortierens, um die richtigen Details für eine seiner Ideen zu finden. Zur Not kauft er auch mal einen neuen roten Draht. Die Teile der zerlegten Geräte werden auf Bretter geklebt, aus denen wiederum die großen Arbeiten entstehen.
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Raumeinnehmend sind die „Concave Triangles“ aus der Serie Tightrope. Foto: bikö
Echo der Anderen
Ein wahrer Drahtseilakt, weshalb Sime eine seit 2009 fortgesetzte Serie „Tightrope“ nennt (Drahtseil). Es geht um die Verbindungen, aber auch um die alltägliche Balance-Übung des Künstlers. Sime arbeitet im Team, er hat nichts gegen das Gemeinschaftswerk. Die Gefäße aus der Installation „Bareness“ (Blöße) ließ er von äthiopischen Keramikerinnen anfertigen. Gerne lässt er sich von den Anderen inspirieren und schätzt den Widerhall. Auf zerschnittenen Platinen-Stücken aus Computern montierten sie gemeinsam Megaphone. Das gab der Schau den Titel: „Echo?!“
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„Evolution“ heißt die monumentale Arbeit aus gewickelten Drähten, die Elias Sime 2017 geschaffen hat. Foto: bikö
Wie Mosaikteile nutzten Sime und sein Team spiralenförmig gewickelte Drähte, um den Gedanken der „Evolution“ zu zeigen. In der Mitte schweben zwei amphibienhafte Wesen. „Hinter dem Prozessor“ entdeckte der Künstler die grünen rätselhaften Elemente einer vier Meter langen abstrakten Komposition. Dabei ist die Zusammensetzung keineswegs wahllos, sondern folgt einer Vorzeichnung des Mannes, der die Dinge verwandeln kann. Hier sieht man tanzende Figuren, dort Wellen oder Landschaften.
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Die Wellen und Figuren des Objekts „Dichotomy“ schuf Elias Sime 2023/24. Foto: bikö
Teile der Welt
Erst ganz aus der Nähe erkennt man bei der Arbeit „Noiseless“ (geräuschlos), dass die plastischen Inseln im Meer aus blauen Kabeln aus zahllosen einzelnen Tasten bestehen. Buchstaben, Zahlen, Zeichen, tausendmal gedrückt, abgenutzt und nun zum Bild geworden. Manchmal lässt Sime seine Objekte auch den Raum einnehmen. Gewölbte Dreiecke, die an eine geteilte Weltkugel erinnern, sind gespickt mit Platinen, Kabeln – und mit alten Uhren, die irgendwann für immer stehen geblieben sind und uns ganz seltsam berühren.
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Ausschnitt: Mosaik aus blauen Kabeln und Tastatur-Teilen. „Noiseless“ entstand 2019 in der Serie „Tightrope“ („Drahtseil“). Foto: bikö
Was, wann und wo?
„Elias Sime: Echo“ bis 1. Juni 2025 im Kunstpalast Düsseldorf, Ehrenhof 4-5. Kuratorin: Felicity Korn. Geöffnet Di. bis So. 11 bis 18 Uhr, Do bis 21 Uhr. Ein Studio in der Ausstellung lädt zum kreativen Arbeiten mit Drähten und anderen Materialien ein. Der prächtige Katalog mit vielen Detailaufnahmen im Querformat kostet 29,80 Euro. Informationen und Tickets: www.kunstpalast.de
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Jede(r) darf hier mal ein Künstler sein: Ein Studio in der Ausstellung lädt zum Kreativstündchen ein. Foto: bikö