Düsseldorf: Lilli Marx Raum als Erinnerungsort im Bürgerhaus Benrath eröffnet
Drei Jahre nachdem eine Straße nach Lilli Marx benannt worden war, gab es am Montag (27.1.) gleich in der Nachbarschaft, im Bürgerhaus Benrath, die feierliche Eröffnung des Lilli Marx Raums. Das Datum war nicht zufällig gewählt, sonder fiel auf den Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz und dem 104. Geburtstag der Jüdin Lilli Marx.
Wer Lilli Marx war wurde den zahlreichen Gästen in der vollen Aula zuerst mit einer WDR-Dokumentation näher gebracht. Wie sich die junge Lilli gefühlt haben muss, als Ausgrenzung und Anfeindung von Juden immer stärker wurden, präsentierte die Klasse 8c des Annette-von-Droste-Hülshoff-Gymnasiums sehr einprägsam. Damit begeisterten sie nicht nur Rita Süssmuth, die Schirmherrin des Abends. Auch Bürgermeister Josef Hinkel, Sylvia Löhrmann, Antisemitismus-Beauftragte des Landes NRW, Manuela Nitsche, Präsidentin von Soroptimist International Deutschland, Bert Römgens, Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf und Jugendamtsleiter Stephan Glaremin lobten die Auseinandersetzung der Schüler mit der Person Lilli Marx.
Prof. Dr. Rita Süssmuth war bereits zur Straßeneinweihung nach Benrath gekommen. Sie hob hervor, dass Lilli Marx ein Beispiel dafür sei, dass Versöhnung möglich sei. Den Schüler*innen rief sie zu, sie sollten sich nicht einreden lassen, sie seien schwach. Gemeinsam sei man stark und wenn man sich gegenseitig helfe, schenke das Vertrauen. Mit dem Raum habe man etwas aufgebaut, das Zukunft habe.
Sylvia Löhrmann erinnerte an Roman Herzog, der 1995 den 27. Januar als Gedenktag festlegte. Dabei ging es nicht nur um Antisemitismus, sondern um unsere Demokratie und die Erinnerungskultur. Wichtig sei nicht nur das Wissen über die Geschichte, sondern die Auseinandersetzung an konkreten Beispielen, wie an Lilli Marx. In ihrem Theaterstück hätten die Schüler*innen selber erfahren, was Ausgrenzung sei.
Die Präsidentin von Soroptimist International Deutschland, Manuela Nitsche, betonte Lilli Marx Rolle als Mitgründerin des ersten Soroptimisten Clubs in Düsseldorf und ihren unermüdlichen Einsatz für Gleichberechtigung von Frauen und Mädchen sowie für Menschenrechte.
Für Bert Römgens, den Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf, war die Feierstunde in Benrath ein Lichtblick am Gedenktag der Befreiung des KZ Auschwitz. Lilli Marx ist für die Jüdische Gemeinde Düsseldorf eine bedeutende Person. Sie und ihr Mann Karl haben den Vorläufer der Jüdischen Allgemeinen Zeitung gegründet und damit entscheidend zur Entwicklung des jüdischen Lebens beigetragen. Bis zu ihrem Tod setzte sie sich für die Menschen ein und suchte den konstruktiven Dialog.
Allerdings ging Römges auch auf die Welle des Antisemitismus seit dem 7. Oktober 2023. Der Hamas Terror werde sogar bei Demonstrationen an der Heinrich-Heine-Universität verherrlicht und die Stadtgesellschaft habe nur zugeschaut. Wie schon in Yad Vashem vermittelt wird, soll man sich an die Vergangenheit erinnern, um die Zukunft zu gestalten. Dem stehe entgegen, dass Elon Musk bei einer AfD-Veranstaltung äußerte, es gebe “zu viel Fokus auf vergangene Schuld”. Römgens appellierte an alle Anwesenden die Werte Lilli Marx gemeinsam und respektvoll zu leben und in die Gesellschaft zu tragen sowie am 23. Februar demokratisch zu wählen.
Wolfgang D. Sauer, Leiter des Heimatarchivs Benrath, hielt den Festvortrag, in dem er die wichtigen Stationen im Leben von Lilli Marx beschrieb. Er endete mit den Worten „allen Reden müssen nun Taten folgen. „Nie wieder“ reicht nicht. Jeder muss sich dem Antisemitismus entgegenstellen“. „Demokratie sei eine Lebenseinstellung und findet nicht nur am Wahltag statt. Der Erinnerungsort soll helfen den Blick zu schärfen“. Viele Informationen zu Lilli Marx fanden die Gäste auch bei der Besichtigung des Raums wieder, der jedoch nur einen Ausschnitt abbildet. Er soll ein Impulsraum werden und als Mittler zwischen gestern, heute und morgen dienen. Die Finanzierung des Raums, der als außerschulischer Lernort allen Schulen angeboten wird, wurde neben der Zuwendung der Landschaftsversammlung Rheinland auch von Prof. Günther Uecker unterstützt, der zwei Grafiken dafür stiftete.
Die Feierstunde endete mit einer sehr einprägsamen Lesung von Schauspieler Roland Jankowsky, der musikalisch von Rainer Berger begleitet wurde. In mehreren Abschnitten las er aus Hédi Fried – „Fragen, die mir zum Holocaust gestellt werden“ und vermittelte damit den Übergang vom Leben einer jüdischen Familie über Ghetto, Arbeitslager, Konzentrationslager, Befreiung und der Zeit danach.
Wer war Lilli Marx
Geboren wurde Lilli Marx am 27. Januar 1921 in Berlin. Die Nationalsozialisten verfolgten die jüdische Familie, aber Lilli Marx gelang 1939 die Ausreise nach England. Das schafften ihre Eltern nicht mehr, sie kamen im Konzentrationslager um. In England lernte sie Karl Marx kennen, mit dem sie 1946 nach Deutschland zurückkehrte und ihn in Düsseldorf heiratete. Gemeinsam setzten sie sich für den Wiederaufbau des jüdischen Lebens in Düsseldorf ein. Sie wurden zu „Brückenbauern für Freundschaft und Aussöhnung“, betonte Wolfgang D. Sauer, Leiter des Benrather Heimatarchivs, bei seinen Ausführungen zum Leben von Lilli Marx. Ab 1946 brachte Lilli Marx mit ihrem Mann die “Allgemeine Jüdische Wochenzeitung” heraus, die zur öffentlichen Stimme der Juden in Deutschland wurde. Die Redaktionsräume waren in dem Haus an der Friedhofstraße, in dem auch das Benrather Tageblatt der Rheinischen Post lange erstellt wurde. 1966 starb Karl Marx. Lilli Marx war weiter aktiv in der Jüdischen Gemeinde und engagierte sich für die Frauengemeinschaft dort. Sie heiratete 1970 den Schriftsteller und Wittwer Alexander Czerski, der zwei Töchter hatte. Bis zu dessen Tod 1986 lebten sie abwechseln in Israel und Deutschland. Nach 1986 war sie im Vorstand der Christlich Jüdischen Gesellschaft. Ihren Lebensabend verlebte Marx im Jüdischen Seniorenheim Nelly-Sachs-Haus in Düsseldorf, bis sie am 5. April 2004 starb. Lilli Marx setzte sich zeitlebens für jüdische Frauen und die Gleichberechtigung ein.