Zerbrechlicher Schatz: Glas im Kunstpalast Düsseldorf
Glas? Das liebt jeder. Darin schimmert der Wein, dadurch scheint das Licht. Es schützt unsere Häuser und schenkt uns zugleich den Durchblick. Es ist durchsichtig wie die Luft und kann doch jede Farbe annehmen und sie strahlen lassen. Glas im Museum? Klingt eher langweilig. Pokale, Schalen, Vasen, Objekte in Vitrinen. Hinter Sicherheitsglas. Anfassen verboten, natürlich. Eine kuratorische Aufgabe, die im Düsseldorfer Kunstpalast auf ziemlich leuchtende Art gelöst wurde. Die Glassammlung ist neu eröffnet – mit der Sonderschau „Mythos Murano“.
Es muss immer mal wieder gesagt werden: Der Düsseldorfer Kunstpalast verfügt, so Direktor Felix Krämer, über „eine der bedeutendsten Glassammlungen der Welt“. 13.000 Objekte, basierend auf den Stiftungen des Architekten, Jugendstil-Sammlers und Mäzens Helmut Hentrich (1905-2001), der dem Museum nicht nur 3000 exquisite Sammlerstücke stiftete, sondern am Ende auch sein Vermögen vererbte, was fortlaufend weitere Erwerbungen ermöglicht. Und es gibt immer wieder neue Gönner, hunderte haben das Museum bereits beschenkt.
Schön und gefährlich
Von der Hamburger Apothekerin Frauke Thole zum Beispiel stammt eine Sammlung markanter Glasskulpturen des tschechischen Bildhauers Jan Fišar (1933-2010), dem ein kleiner Extra-Raum gewidmet ist. Der Titel ist ein Zitat von Fišar: „Glas ist schön und gefährlich“ – nicht nur, weil man sich an Scherben bös verletzen kann, sondern auch, weil der Zauber des Materials schnell zum Kitsch verführt. Ein großes Thema auf der venezianischen Glasbläser-Insel Murano, wo zahllose Geschäfte bunte Tierchen und Klimbim an die Touristen verkaufen.
Aber wo ist die Grenze? Wo die Betörung beginnt. Am Eingang zur Sonderausstellung „Mythos Murano“ hängt, stilgerecht vor einer venezianisch gemusterten Tapete, ein glitzernder zwölfarmiger Kronleuchter mit gläsernen Blumen, Tropfen und Schnörkeln, frei geblasen und geformt von einem anonymen Meister des 20. Jahrhunderts. Der Galerist Hans Paffrath, Spezialist für die Düsseldorfer Malerschule, hat das Prachtexemplar einer Lampe bei einer Auktion entdeckt und für den Kunstpalast ersteigert. Das Schenken geht weiter.
Freie Kreationen
In einer Vitrine sieht man, dass Murano auch schlichte Ästhetik hervorgebracht hat – einfarbig schimmernde Gefäße, manche zart wie Seifenblasen. Im anschließenden Raum, vor Wänden, so knallig bemalt, dass sie dem Glas fast die Schau stellen, finden sich Kunstwerke ohne praktischen Nutzen, aber mit magischer Wirkung. Dazu gehören die Objekte des ehrwürdigen Glasbläsers Livio Seguso, der sich als junger Handwerker 1968 von der Manufaktur Salviati trennte, um ungebunden zu arbeiten und aus farblosem Glas mit eingestochenen Blasen und Aufschmelzungen geheimnisvolle Kugeln und Wirbel zu schaffen.
Welche Freiheiten sich die Kunst noch so mit dem Glas erlaubt, zeigt der neu eingerichtete Sammlungsteil. Gleich zu Anfang sieht man eine nicht ganz geschlossene „Schwarze Tür“, die verbirgt, woher eine Kaskade von Splittern kommt, die da hervorquillt. Die Düsseldorfer Bildhauerin Ulrike Möschel hat sich diese ebenso beunruhigende wie witzige Rauminstallation ausgedacht. Vorbei an modernen Hinterglasmalereien von Stephen Cone Weeks und Julio Rondo („Blau-Pink“), geht es zu weiteren Kühnheiten. Da ist zur Linken eine sinnlich geformte Dame im Abendkleid aus schwarzem Glas, lebensgroß, aber kopflos. Karen LaMonte arbeitet für ihre Serie „Nächtliche“ mit Abformungen und Abgüssen. Gespenstisch schön.
Ziege aus Scherben
Gegenüber hingegen hat der britische Bildhauer Tony Cragg hingegen der guten alten Speisekammer ein Denkmal geschaffen. Er sammelte Konservengläser voller Würstchen, Gurken und anderem Gemüse, entfernte die Etiketten, mattierte die Oberfläche mit einem Sandstrahl und baute daraus einen Turm, über den sicher viel geschmunzelt wird. Zu entdecken wäre auch eine Aldi-Tüte, die der Japaner Shige Fujishiro aus Glasperlen und Sicherheitsnadeln gefummelt hat. Und eine Ziege mit langen, spitzen Hörnern, die Marta Klonowska mit Hilfe von Silikon und Metall aus bedrohlich spitzen Flachglasscherben schuf.
Ein Geschoss tiefer ist Platz für traditionelle Glaskunst. Kenner und Liebhaber werden entzückt sein. Aber auch Menschen ohne eine spezielle Verbindung zum Glas sind berührt, wenn sie eine anmutige Flasche mit geschwungenen Ornamenten sehen, in der vor über 1000 Jahren eine Unbekannte im alten Persien ihr Rosenwasser aufbewahrte. Das Zerbrechliche ist zugleich das Beständige. Wer die Fülle liebt, wird begeistert sein über den Gag der Abteilung: eine „Spiegelgalerie“ mit langen Vitrinen voller Glasobjekte, dicht an dicht, unsortiert, farbensprühend. Und einfach eine Augenweide.
Was, wann, wo?
Die Glassammlung im Kunstpalast Düsseldorf wurde neu eingerichtet und wiedereröffnet. Sie befindet sich im Sammlungsflügel am Ehrenhof. Geöffnet Di.-So. 11 bis 18 Uhr, Do. bis 21 Uhr. Am Freitag, 22. November, öffnet die Sammlung erst um 13 Uhr. Der Eintritt kostet 16 Euro, mittwochs von 16 bis 18 Uhr nur 8 Euro. Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren haben immer freien Zutritt. www.kunstpalast.de