Düsseldorf: Mieter*innen finden endlich Gehör bei der Stadtspitze
Für Oberbürgermeister Dr. Stephan Keller und die Mitarbeiter*innen aus dem Dezernat für Planen, Bauen, Wohnen und Grundstückswesen war der Termin am Mittwoch (13.11.) nicht einfach. Denn sie saßen zusammen mit Mieter*innen aus Golzheim, die ihre Probleme mit ihren Vermietern schilderten. Lange stand die Stadt auf dem Standpunkt, dass Mieterprobleme Privatsache seien. Das scheint sich jetzt zu ändern.
Es wurde den Teilnehmenden der Stadtverwaltung während der Schilderungen der Betroffenen deutlich, dass hier Menschen von Investoren schikaniert und misshandelt werden. Hinter den vielen Adressen von Wohnhäusern wurden die Schicksale deutlich und das Leiden vieler dauert zum Teil bereits Jahre. Da werden Bauarbeiten unangekündigt durchgeführt, Heizungen und Aufzüge abgestellt, Kündigungen ausgesprochen, Druck über Makler und Anwälte ausgeübt und alles nur mit einem Ziel: die Mieter schnellst möglich aus ihren Wohnungen zu bekommen. Denn die Eigentümer haben keine „Wohnhäuser“ gekauft. Für sie sind es Renditeobjekte und für ihren Gewinn werden auch Skrupel überwunden. Oft handelt es sich bei den Mietern um langjährige Bewohner*innen, häufig Senior*innen, die eine geringe Miete zahlen. Wenn sie nicht freiwillig gehen, kommt eine Verwertungskündigung, die dem Eigentümer*innen die Möglichkeit gibt, ein bestehendes Mietverhältnis dann zu beenden, wenn die Vermietung der Wohnung wirtschaftlich nicht mehr rentabel ist.
Solche Fälle gibt es in Düsseldorf zahlreiche, aber das Bündnis für bezahlbaren Wohnraum machte viele öffentlich und vernetzt die Betroffenen, damit diese sich gemeinsam wehren können. Sehr erfolgreich ist dies in Golzheim, wo sich die Bewohner*innen von 17 Gebäuden zusammengeschlossen haben. Bei einer Demo durch den Stadtteil zeigten sich 300 Menschen solidarisch. Erst nach dieser Demo kam auch Oberbürgermeister Keller nicht mehr an dem Thema vorbei, woraus die Einladung ins Rathaus für die Betroffenen resultierte.
Keller sagte zu, dass er und die Verwaltung sich künftig stärker für die Rechte der Mieter einsetzen wollen. Damit verbunden soll der Umgang mit Investoren kritischer geprüft werden. Er hat erkannt, dass die Aktenlage und die Situation vor Ort große Diskrepanzen aufweisen.
Beispielsweise verbietet die Wohnraumschutzsatzung der Stadt den Leerstand von Wohnraum länger als sechs Monate. In den bekannten Gebäuden stehen teilweise bereits seit Jahren Wohnungen leer, ohne dass die Stadt dagegen vorgeht. Die bisherige Argumentation: Wenn noch eine Wohnung im Haus bewohnt ist, kann noch nicht mit den Sanierungsarbeiten angefangen werden, daher gelten die sechs Monate dann nicht! So wird die Satzung zum zahnlosen Tiger – hier könnte die Verwaltung strikter vorgehen.
In ein Pilotprojekt soll die soziale Erhaltungssatzung starten, zu deren Ausarbeitung die Verwaltung bereits im Jahr 2020 aufgefordert wurde. Obwohl es solche Satzungen bereits in anderen Städten gibt, tut sich die Stadt schwer darin, weil die Rechtssichterheit gegeben sein soll. Daher startet sie in einem Stadtteil der BV 3, aber vorerst leider nicht in Golzheim und anderen Gebieten, die als erhaltungswürdig bereits identifiziert wurden. Im letzten Wohnungsausschuss beschrieb Dezernentin Zuschke, dass es für die soziale Erhaltungssatzung drei neue Planstellen gebe. Davon sei aber erst eine besetzt, eine derzeit in Besetzung und für die dritte noch kein Personal in Sicht. Argumentiert wurde mit dem Fachkräftemangel, da diese Stellen mit studierten Stadtplanern oder Architekten besetzt werden müssten.
OB Keller sagte zu, das Verhalten der Immobilienbesitzer kritisch zu prüfen und nach Möglichkeit zu sanktionieren. Das hilft wenig bei Eigentümern wie dem der Mauerstraße 32. Dieser hat öffentlich bekundet, die Mieter würden wohl ihr Individualinteresse über das Allgemeinwohl stellen, schließlich würde er nach dem Abriss des Hauses einen Neubau nach energetisch und klimatechnischen besten Standard errichten. Dass dabei Luxuswohnungen von über 100 Quadratmeter mit Ankleidezimmer entstehen, die sich kein Normalverdiener mehr leisten kann, war der Stadt bei der Genehmigung des Vorhabens egal.
Besonders in der Öffentlichkeit stehen drei Häuser an der Bankstraße. Viele Mieter sind schon freiwillig ausgezogen. Um die verbleibenden älteren Menschen zum Auszug zu drängen, wurde der Aufzug abgestellt. Ein Vertreter des Bündnis für bezahlbaren Wohnraums wurde aktiv vom Anwalt des Eigentümers angesprochen, man könne ja ein Paket verhandeln, wenn das Bündnis die Mieter zum Auszug bewegen würde.
Für die Mieter war es ein positives Zeichen endlich Gehör bei der Stadt zu finden. Zu oft waren ihre Anfragen und Beschwerden ins Leere gelaufen. Keller wird der Einladung der Golzheimer Mieter folgen und sich auch vor Ort die Situation anschauen. Vielleicht sind dann wenigstens zwei der drei Aufzüge in den Häusern an der Bankstraße wieder in Betrieb – zugesagt ist dies. Für die Gruppe und Keller ist der Dialog erst am Anfang, der Oberbürgermeister hat offenbar verstanden, dass es sich dabei nur um die Spitze eines Eisbergs handelt.
Die klare Botschaft an ihn und die anderen Politiker*innen: Es geht nicht um Häuser und Adressen, sondern um Menschen!
„Dass der OB die Bewohner vor Ort besuchen und sich Einzelfälle anschauen möchte, ist ehrenwert. Doch das ändert nichts daran, dass ein strukturelles Problem vorliegt, dass durch Schwarz-Grün im Stadtrat nicht gelöst wird. Die Leute brauchen nicht nur Trost und schmeichelnde Anerkennung ihrer Problemlage, sie brauchen politische Lösungen für sie und die vielen anderen Mieterinnen und Mieter, die in ähnlicher Lage sind,“ betont die Düsseldorfer SPD-Chefin Zanda Martens.